# taz.de -- Neue Serie auf TNT Comedy: Helikoptereltern mit Yoga-Burnout | |
> In der Mockumentary „Andere Eltern“ treffen bei einer Kita-Gründung in | |
> Köln-Nippes unterschiedliche Existenzphilosophien aufeinander. | |
Bild: Die Schauspielerinnen Rebecca Lina (li.) und Henny Reents | |
Während es in Jean-Paul Sartres existenzphilosophischem Dramenklassiker | |
„Geschlossene Gesellschaft“ recht unspezifisch heißt: „Die Hölle, das s… | |
die anderen“, waren die Erziehungsberechtigten, die Lutz Heineking jr. für | |
seine Recherche befragt hat präziser: Die Hölle, das sind die anderen | |
Eltern! | |
In seiner Comedyserie über Helikoptereltern, die gemeinsam im Kölner | |
Stadtteil Nippes eine Kita gründen, ist das Aufeinanderprallen | |
unterschiedlicher Lebensentwürfe zunächst einmal die offensichtliche | |
Streitursache und immer wieder Ausgangspunkt für peinliche Situationen. | |
Im Kern sind es jedoch eher die kritisch-skeptischen oder verständnislosen | |
Blicke der ambitionierten Mitstreiter, die den Erziehungs- und Lebensstil | |
der jeweils anderen permanent infrage stellen und für konstante | |
Verunsicherung derjenigen sorgen, die unbedingt alles richtig und vor allem | |
besser machen wollen: Können wir den Ansprüchen der Gesellschaft und | |
unseren eigenen an uns selbst genügen? Erweisen wir uns am Ende als | |
schlechte Eltern – und damit als Versager? | |
Der Filmemacher versucht sich mit „Andere Eltern“ am Porträt einer | |
Generation, die durch ihr Elternsein auch mit den Widersprüchen ihrer | |
Existenz konfrontiert wird. Diejenigen, die fürs ökologische Familienidyll | |
in der autofreien Wohngegend dem Vermieter bescheinigen, dass sie kein | |
Fahrzeug besitzen, aber mit ihrer Karre heimlich im Nachbarbezirk parken. | |
## Schamanen fürs Raumkarma | |
Diejenigen, die so verkrampft locker sind, dass sie ein Yoga-Burnout | |
erleiden, und diejenigen, die bei MyHammer Handwerker für fünf Euro die | |
Stunde schwarz engagieren, aber die Räume von einem Schamanen weihen | |
lassen. Fürs Raumkarma. Es sind Eltern, die als Creative Directors, | |
PR-Agenten, Schauspieler oder Kleinunternehmerinnen ihren | |
Selbstverwirklichungsdrang auf den Nachwuchs projizieren, der für sie zum | |
ultimativen Publicity-Projekt zu werden scheint. | |
Umgesetzt hat Heineking jr. die neue siebenteilige Serie des Pay-TV-Senders | |
TNT Comedy ähnlich, wie auch die ProSieben-Serie „Jerks“ mit Christian | |
Ulmen und Fahri Yardım funktioniert: Er hat das große Darstellerensemble | |
Dialoge und Interaktionen improvisieren lassen. Die AutorInnen haben die | |
Settings und Handlungsbögen vorbereitet. Zudem bringt er die Serienfiguren | |
von „Andere Eltern“ immer wieder in Situationen, in denen Fiktion und | |
Lebensrealität verschwimmen, indem er sie beispielsweise auf real | |
praktizierende Ärzte oder Paartherapeutinnen treffen lässt und so | |
Eigendynamiken entstehen lässt. | |
Ähnlich wie bei „Jerks“ eröffnen sich dadurch Freiräume für das Spontane | |
und Unerwartete. Und dieser Plan geht tatsächlich meistens auf, obwohl | |
natürlich immer die Gefahr besteht, dass die Darsteller aufgrund vieler | |
bedienter Stereotype und zuspitzter Eltern-Klischees auf Erwartbares | |
zurückgreifen. | |
Um der Thematik eine zusätzliche Authentizität zu verleihen, hat Heineking | |
jr. „Andere Eltern“ als Mockumentary umgesetzt, ein Inszenierungsstil, der | |
eine fiktive Handlung mit den formalen Mitteln einer Dokumentation | |
aufzieht. In diesem Falle durch eine Rahmenhandlung etabliert, in der die | |
Dokumentarfilmerin Inge (Johanna Gastdorf) ihre Tochter und | |
Kita-Initiatorin Nina (Lavinia Wilson) mit einem Kamerateam durch das Leben | |
begleitet. | |
Seit Serien wie „The Office“ oder der deutschen Adaption „Stromberg“ hat | |
sich dieses Subgenre mit erfolgreichen Sitcom-Formaten wie „Modern Family“ | |
oder „Parks and Recreation“ etabliert und wird gerne benutzt, wenn es darum | |
geht, aktuelle gesellschaftliche Phänomene oder Entwicklungen zu | |
reflektieren. | |
Heineking jr. hat 2014 mit der vierteiligen WDR-Produktion „Endlich | |
deutsch!“ das Thema Integration schon auf ähnliche Weise thematisiert. | |
Anscheinend zu früh, denn diskutiert wurde sie kaum. Vielleicht sind die | |
Vorzeichen für „Andere Eltern“ nun besser. Die gerade entfachte mediale | |
Aufregung um Verkleidungswünsche einer Hamburger Kita zu Fasching, dürften | |
eine ideale Vorlage für den Serienstart gewesen sein. | |
Ab 19. März 2019 dienstags um 20.15 Uhr auf TNT Comedy | |
19 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Jens Mayer | |
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