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# taz.de -- Deutsche Wohnen umgeht Milieuschutz: Auf Kauftour im Schutzgebiet
> Die Deutsche Wohnen hat erneut Häuser in Berlin gekauft. In Pankow greift
> der Milieuschutz, in Friedrichshain-Kreuzberg nicht.
Bild: Die kleinen Florakinder im Milieuschutzgebiet Pankow-Zentrum werden wohl …
Die Deutsche Wohnen zeigt dieser Tage, wie man trotz Milieuschutzregelung
und einem dort verankerten Vorkaufsrecht der Bezirke auf dem Berliner
Immobilienmarkt auf große Shoppingtour gehen kann. In einem Immobilienpaket
von insgesamt neun Häusern in Pankow, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg
kaufte das als Heuschrecke verschriene Immobilienunternehmen nach
taz-Informationen für 44 Millionen Euro rund 176 Wohnungen. Die Deutsche
Wohnen bestätigte, dass sie „einen Teil des benannten Portfolios beurkundet
hat“. Sieben der neun Immobilien liegen in den Mileuschutzgebieten
Petersburger Straße in Friedrichshain und Pankow-Zentrum.
Während der grüne Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn mit der Deutschen Wohnen für
vier Häuser in Pankow eine Abwendungsvereinbarung treffen konnte, die
Mieter*innen vor Verdrängung durch Luxussanierungen und Umwandlung in
Wohnungseigentum und vor Eigenbedarfskündigungen schützen soll, sieht es
für Mieter*innen im Friedrichshainer Milieuschutzgebiet deutlich
schlechter aus. Dort hat die Deutsche Wohnen den Milieuschutz mit einem
Trick schlichtweg ausgehebelt, wie ein Blick in das der taz vorliegende
nichtöffentliche Immobilien-Exposé der [1][Makler-Firma Engels und Völker]
zeigt.
Dort wurden die Immobilien des Deals als „Portfolio Neun attraktive
Altbauten in Top-Lagen“ in einem Paket für 44 Millionen Euro (pro
Quadratmeter 3.470 Euro) mit einem für Käufer wichtigen Hinweis angeboten:
Ein Teil der Immobilien war nur als sogenannter [2][Share Deal] zu haben.
Das ist Immobilienlatein für ein Kaufverfahren um die Ecke: Die Deutsche
Wohnen kauft nicht das Haus als solches, sondern die es besitzende Firma
oder Gesellschaft. Der Vorteil für die Deutsche Wohnen ist, dass sich
dadurch nicht der Eintrag im Grundbuch ändert. Das Haus wechselt auf dem
Papier also gar nicht den Besitzer – und, Milieuschutz hin oder her, der
Bezirk hat dann kein Recht, den Verkauf zu unterbinden und mit einem
Vorkauf oder einer Abwendungsvereinbarung einzugreifen.
## Kauf im Paket
Ein Teil der Häuser in dem 44-Millionen-Euro-Paket waren laut Exposé per
Share-Deal zu erwerben. Das gilt laut taz-Informationen zumindest für die
im Miĺieuschutzgebiet befindlichen Häuser in der Friedrichshainer
Richard-Sorge-Straße 33 und 34.
Ein lohnendes Geschäft: Darüber hinaus ziehen Immobilienfirmen gern
steuerliche Vorteile aus Share Deals: Wenn die kaufende Gesellschaft nur
knapp unter 95 Prozent der Anteile an der zu kaufenden Firma übernimmt,
kann sie nicht nur den Milieuschutz aushebeln, sondern auch dank einer
[3][Gesetzeslücke bei der Grunderwerbssteuer ordentlich Steuern] sparen,
die bei einem normalen Hauserwerb etwa durch Privatpersonen angefallen
wären.
Im Milieuschutzgebiet Petersburger Straße kann der Bezirk nur tatenlos
zusehen. Entsprechend zerknirscht ist Bezirksstadtrat Florian Schmidt
(Grüne): „Eine Umgehung des Milieuschutzes durch einen Share Deal tritt die
Stadtgemeinschaft mit Füßen. Wir werden die Mieter*innen mit aller Kraft
unterstützen, sofern sich bewahrheitet, dass die Deutsche Wohnen die Häuser
gekauft hat.“
Bei den Mieter*innen in der Richard-Sorge-Straße und den Häusern, die nicht
im Milieuschutz liegen, gibt es laut einer übergreifende Mieterinitiative
der verkauften Häuser große Befürchtungen hinsichtlich des Verkaufs an die
Deutsche Wohnen.
## Ein bisschen Aufatmen in Pankow
Wenigstens die Mieter*innen von vier Häusern in Pankow konnten zumindest am
Mittwoch ein bisschen aufatmen, als Bezirksstadtrat Kuhn auf den letzten
Drücker offiziell eine Abwendungsvereinbarung verkündete, die für die
Häuser in der Görschstraße 40 und 41 sowie die Florastraße 15 und 16 gelten
soll, die wohl nicht in einem Share Deal zu kaufen waren.
In den betroffenen Häusern befinden sich neben 85 Wohnungen auch die Kita
Kleine Florakinder sowie die Kleinkunstbühne Zimmer 16, die um den Bestand
ihrer Mietverträge fürchteten. Gewerbemietverträge etwa einer Kita oder
einer Kultureinrichtung können Vermieter*innen, anders als Wohnraum,
einfach auslaufen lassen. Das Immobilienexposé warb damit, dass der
Gewerbemietvertrag der Kita Ende 2021 ausläuft.
Am Samstag hatten Mieter*innen gegen den drohenden Verkauf bei einem
Straßenfest protestiert: Die Kita-Kinder haben Demobanner gemalt und
Anwohner*innen „Protestkuchen“ gebacken.
Kuhn verspricht nun allerdings, dass sich alle Mieter*innen in Pankow in
Sicherheit wiegen könnten. Der Bestand der Kita und des Zimmers 16 sei bei
„annähernd gleichen Konditionen“ bis 2030 durch einen Nachtrag im
Mietvertrag gesichert. Die aktuellen Mieter*innen seien wirksam gegen
Eigenbedarfskündigungen geschützt und quasi unkündbar. Die Deutsche Wohnen
habe sich zudem verpflichtet, von „erhaltungsrechtlich nicht erwünschten
Modernisierungen“ abzusehen, wie es auch in einer am Mittwoch
herausgegebenen [4][Pressemitteilung] des Bezirksamtes heißt.
„Das ist erst mal ein Erfolg“, sagte Kuhn, „aber natürlich wäre es bess…
gewesen, wenn eine städtische Gesellschaft die Häuser gekauft hätte.“ Die
in Pankow zuständige Gesobau habe sich das allerdings nicht leisten können,
so Kuhn. Auch der Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) habe bei einem Preis
von über 20 Millionen Euro nicht kurzfristig mit einer Sonderzahlung
aushelfen können.
7 Mar 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/EVSHNord/status/1102521828864679936
[2] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/immobilien-investoren-sparen-mit-…
[3] https://www.capital.de/immobilien/steuersparmodell-warum-share-deals-weiter…
[4] https://www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/pressemitteilungen/2019/pressemit…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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