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# taz.de -- Aktivisten fünf Tage in Gewahrsam: Terrorabwehr gegen Umweltschüt…
> Zum ersten Mal wurde ein Teil des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen
> angewendet. Jedoch nicht nur zur konkreten Gefahrenabwehr.
Bild: Das neue Polizeigesetz löste viel Protest aus
Köln taz | Terroristen, Kinderschänder, Gewalttäter, Hooligans – diese
Tätergruppen nannten Abgeordnete von CDU und FDP als „Zielgruppe“ des
[1][neuen Polizeigesetzes von Nordrhein-Westfalen] (NRW), für das auch die
SPD gestimmt hatte. Nun wurde ein Teil des Polizeigesetzes zum ersten Mal
angewendet: gegen UmweltaktivistInnen, die für ein paar Stunden einen
Braunkohlebagger besetzt hatten.
Am Morgen des vergangenen Samstags waren sieben AktivistInnen auf das
RWE-Gelände des Tagebaus Garzweiler eingedrungen. Die Besetzung dauerte
nicht lange: Laut Polizeiangaben verließen sie nach Aufforderung freiwillig
den Bagger. Anschließend begannen Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs;
die AktivistInnen nahm man zur Identitätsfeststellung mit. Sie hatten sich
die Fingerkuppen verklebt.
Nach alter Rechtslage hätte der Gewahrsam zu diesem Zweck maximal zwölf
Stunden dauern dürfen, auch Untersuchungshaft wäre nicht möglich gewesen.
Hausfriedensbrüche seien Bagatelldelikte, so die Aachener
Staatsanwaltschaft. In vergleichbaren Fällen Haftbefehle zu beantragen,
hatten die zuständigen Staatsanwaltschaften in NRW bisher abgelehnt. Auf
Grundlage des Polizeigesetzes verordnete nun jedoch ein Richter des
Amtsgerichts Erkelenz auf Antrag der Polizei Aachen einen vorläufigen
Gewahrsam von fünf Tagen.
Dabei gilt das Polizeigesetz nur zur Gefahrenabwehr, also zur Verhinderung
bevorstehender Straftaten – nicht zur Strafverfolgung bereits erfolgter
Delikte. Anwendbar sei die Gefahrenabwehr aber auch auf Straftaten, die
vielleicht in unbestimmter Zukunft erfolgen könnten, sagte ein Sprecher des
Gerichts Erkelenz der taz. „Der Kleber auf den Fingerkuppen war eine
gezielte Vorbereitungshandlung. Daraus ergibt sich, dass in Zukunft weitere
Straftaten unter dem Deckmantel der Anonymität erfolgen könnten.“ Die
Gefahr muss nicht konkret, die „bevorstehende“ Straftat noch nicht mal
geplant sein.
## Polizei nutzt Gesetz auch zur Strafverfolgung
Drei AktivistInnen blieben fünf Tage in Gewahrsam, obwohl ihre
Fingerabdrücke bereits am vierten Tag erfasst worden waren. „Der
Gewahrsamsantrag bezog sich ausdrücklich auf das Nehmen der
Fingerabdrücke“, kritisiert Christian Mertens, der Anwalt der
AktivistInnen. „Das war der Zweck des Gewahrsams laut Gericht, und diese
Abdrücke hat die Polizei seit Mittwoch. Trotzdem hat man meine Mandanten
nicht freigelassen. Wegen ‚weiterer strafprozessualer Maßnahmen‘.“
Eigentlich gilt für die Ermittlung wegen bereits geschehener Delikte nicht
das Polizeigesetz, sondern die Strafprozessordnung. Die erlaubt zur
Feststellung der Identität nach wie vor nur einen Gewahrsam von bis zu
zwölf Stunden. „Aber die Polizei nutzt das neue Gesetz so, dass sie sagt,
alles sei Gefahrenabwehr“, sagt Mertens. „Wer will ihr das Gegenteil
beweisen? Das ist genau das, wovor Bürgerrechtler gewarnt hatten.“
Dass die Polizei das Polizeigesetz nicht nur zur Gefahrenabwehr nutzt,
bestätigte ein Sprecher der Polizei Aachen gegenüber der taz. Er sagte,
dass man den Gewahrsam auch zur Strafverfolgung nutze. Es sei ein
„Mischsachverhalt“. „Natürlich ergreifen wir auch strafprozessuale
Maßnahmen. Strafverfolgung schließt Gefahrenabwehr nicht aus.“ Dass man die
AktivistInnen trotz erfolgter Erfassung der Abdrücke nicht entlassen habe,
liege daran, dass man sie auch jetzt noch nicht identifiziert habe. Und die
Identifizierung, nicht die Abdrücke seien der Zweck des Gewahrsams, so der
Sprecher.
## Gewahrsam sollte sogar noch verlängert werden
Die Frist des angeordneten Gewahrsams endete am Donnerstag, den 14.
Februar, um 12 Uhr. Einige Stunden vorher hatte die Polizei Aachen einen
Antrag vorbereitet, um den Gewahrsam auf die maximal mögliche Dauer laut
Polizeigesetz zu verlängern: sieben Tage.
„Die Polizei hat beim zuständigen Richter angerufen“, sagte der Sprecher
des Amtsgerichts Erkelenz. „Sie wollten wissen, ob der Antrag auf
Verlängerung Aussicht auf Erfolg haben würde. Das hat der Richter verneint.
Hintergrund der Bemessung der Gewahrsamsdauer war ja das Ablösen des
Klebers von den Fingerkuppen. Die Polizei hat sich dann entschieden, keinen
Antrag zu stellen.“ Am Donnerstag wurden die drei AktivistInnen daher gegen
12 Uhr fristgerecht aus dem Gewahrsam entlassen.
14 Feb 2019
## LINKS
[1] /NRW-verschaerft-Polizeigesetz/!5555983
## AUTOREN
Anett Selle
## TAGS
Polizeigesetz
NRW
Umweltschutz
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