# taz.de -- Brexit-Ansprache im britischen Unterhaus: May bietet Verschiebung an | |
> Sollte das britische Unterhaus das Gesprächsergebnis mit der EU nicht | |
> billigen, darf es über eine Verschiebung abstimmen. | |
Bild: Wie sie selbst abstimmen wolle, ließ May auf wiederholte Nachfrage offen | |
LONDON/BERLIN taz | Die britische Premierministerin hat bindende | |
Parlamentsabstimmungen sowohl über einen [1][No-Deal-Brexit] als auch über | |
eine Verschiebung des EU-Austritts angekündigt. In einer Unterhausansprache | |
am Dienstag, in der sie die Abgeordneten über den Stand ihrer Verhandlungen | |
mit der EU informierte, erklärte Theresa May, dass eine Abstimmung über ein | |
revidiertes Austrittsabkommen spätestens am 12. März stattfinden soll. | |
Falls dieses Abkommen abgelehnt wird, würde das Parlament am 13. März über | |
einen No-Deal-Brexit am 29. März entscheiden. Würde auch dieser abgelehnt | |
werden, gäbe es am 14. März eine dritte Abstimmung: über eine „kurze, | |
begrenzte“ Vertagung des EU-Austritts. | |
Bisher hat Theresa May eine Verschiebung des Brexit kategorisch | |
ausgeschlossen. Doch ein Antrag, die Regierung dazu zu zwingen, ist für | |
eine Abstimmung am Mittwoch ins Parlament eingebracht worden. Der Regierung | |
drohte dabei eine Niederlage, nachdem am Wochenende drei Minister, darunter | |
Mays enge Vertraute Amber Rudd, gedroht hatten, [2][für diesen Antrag und | |
gegen ihre eigene Regierung zu stimmen], sollte es keine Garantie gegen | |
einen ungeordneten Austritt geben. Montagabend kamen drei weitere Namen | |
hinzu. Der potenzielle kollektive Rücktritt aus dem Kabinett setzte May | |
unter Druck. | |
Dazu kam der Austritt von drei konservativen und [3][acht | |
Labour-Abgeordneten] aus ihren jeweiligen Parteien vergangene Woche. Die | |
elf Dissidenten, die sich vor allem in der Ablehnung eines harten Brexit | |
einig sind, haben eine „Unabhängige Gruppe“ gegründet und werben um Zulau… | |
gestärkt durch positive Meinungsumfragen. | |
## Brexit-Hardliner sprechen von Vertrauensbruch | |
Dies hatte bereits am Montagabend zu Bewegung bei der Labour-Opposition | |
geführt: Nach einer Fraktionssitzung erklärte die Partei, sie werde ein | |
zweites Brexit-Referendum unterstützen, sollten Labours eigene Brexit-Pläne | |
keine Mehrheit finden. May will nun durch Vorlage ihres neuen Zeitplans | |
ihre Kontrolle über das parlamentarische Geschehen retten. | |
Sogar im Parlament waren sich Abgeordnete uneins, ob Mays Ankündigung eine | |
Kehrtwende darstellt oder nicht. Die Labour-Politikerin Yvette Cooper, die | |
mit dem Konservativen Oliver Letwin den für Mittwoch eingebrachten Antrag | |
zu einer vom Parlament zu initiierenden Verschiebung des Brexit | |
ausgearbeitet hatte, fragte May zunächst, wieso das Parlament ihr Glauben | |
schenken sollte, nachdem ihre Regierung bereits mehrmals Entscheidungen | |
verzögert habe. | |
Wenig später aber erklärte Letwin, der Antrag sei „nicht mehr nötig“. | |
Brexit-Hardliner unter den Konservativen wie Esther McVey und Bill Cash | |
nannten eine mögliche Verschiebung einen Vertrauensbruch gegenüber der | |
Stimme der Briten beim Brexit-Referendum. | |
Labours Unterstützung eines zweiten Referendums wurde von dem | |
prominentesten unter den ausgetretenen Abgeordneten, Chuka Umunna, begrüßt. | |
Er bedauerte allerdings, dass hierfür erst Abgeordnete aus der Partei | |
austreten mussten. Barney Scholes von der Kampagne „People’s Vote“ für e… | |
zweites Referendum nannte die Entwicklungen sehr willkommen. | |
## Unklar, worüber Labour abstimmen lassen will | |
May trat in ihrer Rede Mutmaßungen entgegen, sie befürworte jetzt eine | |
Verschiebung des Brexit. „Ich will keine Verschiebung“, sagte sie und | |
betonte: „Wir können notfalls einen No-Deal zum Erfolg führen.“ Wie sie | |
selbst bei den Voten über No-Deal oder Verschiebung abstimmen werde oder | |
was sie ihrer Partei vorschreiben werde, ließ sie auf wiederholte Nachfrage | |
offen. | |
Mays Unterhändler werden jetzt alles daran setzen, bei den laufenden | |
Gesprächen mit der EU ein Ergebnis zu erzielen, das am 12. März im | |
Parlament eine Mehrheit findet, damit es gar nicht erst zu den anderen | |
beiden Abstimmungen kommt. Die Premierministerin sprach davon, dass direkt | |
nach dem Brexit am 29. März ein gemeinsamer „Workstream“ mit der EU | |
Alternativen zum ungeliebten [4][Nordirland-Backstop] – der Großbritannien | |
bis auf Weiteres in die EU-Zollunion zwingt – entwickeln werde, damit | |
dieser nach Ablauf der vorgesehenen Übergangsfrist Ende 2020 erst gar nicht | |
in Kraft trete. | |
Bei Labour ist unklar, was die Unterstützung für ein zweites Referendum | |
konkret bedeutet. Einem solchen Parlamentsbeschluss stehen noch Hindernisse | |
im Weg. Erst will Labour am Mittwoch einen eigenen Brexit-Vorschlag zur | |
Abstimmung stellen, der eine permanente und umfassende Zollunion mit der EU | |
fordert. Erst wenn dieser Vorschlag durchfällt, will Labour ein zweites | |
Referendum herbeiführen, wobei auch dafür die Aussichten als gering | |
eingeschätzt werden. | |
Unklar ist, worüber Labour abstimmen lassen will. Ein Referendum, bei dem | |
Labours Brexit-Pläne nicht zur Wahl stehen, würde die Partei wohl nicht | |
mittragen. Aber eine Wahl zwischen Labours Brexit-Modell und dem | |
EU-Verbleib würde bedeuten, dass Labour für den Brexit eintrittt, während | |
es den Referendumsbefürwortern in der Partei darum geht, den Brexit zu | |
stoppen. | |
26 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
Daniel Zylbersztajn | |
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