| # taz.de -- Präventive Sicherungshaft in Österreich: Alle einsperren | |
| > Rechtspopulismus am Limit: Österreichs Regierung will eine präventive | |
| > Sicherungshaft für Asylsuchende, die ein Verbrechen begehen könnten. | |
| Bild: Polizisten nach einer Schießerei in Wien – seit Dezember gab es in Ös… | |
| Als die [1][rechtspopulistische Regierung in Österreich] antrat, mussten | |
| sich kritische Stimmen oft sagen lassen, es werde so schlimm schon nicht | |
| kommen, Hysterie sei uncool. Knapp 14 Monate später ist vieles sehr viel | |
| schlimmer gekommen, als es selbst die ärgsten Alarmisten prophezeit hätten. | |
| Jüngster Vorschlag des ultrarechten Innenministers [2][Herbert Kickl] von | |
| der FPÖ: „gefährliche Asylbewerber“ sollten vorsorglich in Sicherungshaft | |
| genommen werden. | |
| Und diese Haft sollten nicht einmal ordentliche Gerichte verhängen, sondern | |
| Beamte des Asylamtes. Im Klartext: Menschen, die kein schweres Verbrechen | |
| begangen haben, könnten inhaftiert werden, weil sie ein schweres Verbrechen | |
| möglicherweise begehen könnten. Dafür sollten kriminelle Delikte plus | |
| negative Prognosen von Psychiatern schon ausreichen. | |
| Nun kommt dieser Vorschlag nicht aus heiterem Himmel. Seit Dezember gab es | |
| eine [3][Serie von Morden]. In einem Fall hat ein in Vorarlberg | |
| aufgewachsener Türke, der wegen seiner kriminellen Geschichte schon | |
| Aufenthaltsverbot hatte und nach seiner Wiedereinreise einen Asylantrag | |
| stellte, seinen Sachbearbeiter erdolcht. Davor gab es [4][eine Reihe von | |
| Mädchen- und Frauenmorden], praktisch immer im Beziehungsumfeld. | |
| Aslybewerber waren hier meist gar nicht die Täter, sondern viel häufiger | |
| Österreicher beziehungsweise Einwanderer mit längst stabilem | |
| Aufenthaltsstatus. Aber die rechten Freiheitlichen und der Boulevard | |
| nutzten all das für die recht grobe Gleichung: Fremde = Asylant = | |
| potentieller Mörder. | |
| Tatsächlich instrumentalisiert die Regierung einige unbefriedigende | |
| Sachverhalte für ihre „Sicherungshaft“-Idee. Wer Raubüberfälle begeht od… | |
| auch wegen Körperverletzung verurteilt ist, sitzt ja oft nicht in Haft – er | |
| erhält vielleicht eine Bewährungsstrafe oder ist bis zum Verfahren auf | |
| freiem Fuß. Wenn eine solche Person dann einen Mord begeht, folgt der | |
| Ausruf: „Wie konnte das passieren?“ im Handumdrehen. | |
| ## Die Sozialdemokraten wissen nicht, was sie tun sollen | |
| Oder, was ja gar nicht so selten vorkommt: Männer, die ihre Frauen | |
| ermorden, haben meist schon eine Vorgeschichte an | |
| Beziehungsgewalttätigkeit; wurden „weggewiesen“, aber sind eine tickende | |
| Gefahr für ihre (Ex-)Frauen. Aber wenn man ihnen keine konkreten | |
| Tatvorbereitungen vorwerfen kann und U-Haft nicht rechtfertigbar ist, muss | |
| die Frau mit der Gefahr leben. | |
| Das widerspricht nicht ganz zu Unrecht dem instinktiven Rechtsempfinden | |
| sehr vieler Menschen, und die Regierung nutzt das nun für ihren | |
| Sicherheitspopulismus aus. Die Sozialdemokraten, die wie immer Angst haben, | |
| von der Regierung als Freunde krimineller Ausländer hingestellt zu werden, | |
| sind sich unsicher, was sie tun sollen. Eine Oppositionspartei wird für | |
| eine Verfassungsänderung gebraucht. Ein Teil der SPÖ zeigt sich also | |
| gesprächsbereit, will aber die Regelung für In- und Ausländer gleichermaßen | |
| (was die FPÖ wiederum wild ablehnt), der andere Teil hält einen solchen | |
| Anschlag auf den freiheitlich-liberalen Rechtsstaat für unannehmbar. | |
| Begeht jemand ein Verbrechen, gibt es meist hundert Indizien, die darauf | |
| hingedeutet haben. Aber deswegen sperrt man nicht gleich hunderttausend | |
| aggressive Spinner als potentielle Mörder ein, von denen 99 Prozent nie | |
| einen Mord begehen werden. Das ist es letztlich, was der liberale | |
| Rechtsstaat seit eh und je aushalten muss. Und es auch in Zeiten aushielt, | |
| als die Gewaltkriminalität deutlich schlimmer war als heute. In Wien macht | |
| derweil der bittere Scherz die Runde: Noch ein Mord und wir diskutieren die | |
| Einführung der Todesstrafe. | |
| 26 Feb 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Robert Misik | |
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