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# taz.de -- Nazipoesie in Österreich: Rattengedicht schlägt Wellen
> Christian Schilcher veröffentlichte an Hitlers Geburtstag Verse mit
> Nazi-Sprech. Nun tritt der Vizebürgermeister des österreichischen Braunau
> zurück.
Bild: Hier ist Christian Schilcher nun nicht mehr Vizebürgermeister
Wien taz | Es bedarf schon eines seltsamen Sinns für Humor, wenn man an
Hitlers Geburtstag (20. April) in dessen Geburtsstadt Braunau am Inn ein
Gedicht veröffentlicht, dessen Diktion sich stellenweise an Nazi-Sprech
anlehnt. Dem Braunauer Vizebürgermeister Christian Schilcher (FPÖ) ist das
gelungen. In einer Parteipostille, die per Hauswurfsendung an alle
Haushalte der Stadt ging, dichtete der Poet: „So, wie wir hier unten
leben,/ müssen and're Ratten eben,/ die als Gäst' oder Migranten,/ auch
die, die wir noch gar nicht kannten,/ die Art zu leben mit uns teilen!/
Oder rasch von dannen eilen!“.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der in jüngster Zeit besonders um
Abgrenzung vom Gedankengut seines Koalitionspartners bemüht ist,
bezeichnete die Postille am Ostermontag mit den Worten „abscheulich,
menschenverachtend sowie zutiefst rassistisch“. Das Gedicht habe „in
Oberösterreich und im ganzen Land nichts verloren“.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache sah die heftigen Reaktionen auf die
Poesie seines Parteifreundes zunächst aus der Opferperspektive, auf die
sich die FPÖ bei Kritik gern zurückzieht. So postete er auf Facebook, dass
„die aktuelle Hetze und Kampagne gegen die FPÖ zeigt, dass unsere
politischen Mitbewerber gerade vor der EU-Wahl besonders nervös sind“.
## Der Rattenvergleich ist historisch belastet
Christian Schilcher fühlte sich missverstanden. In seiner Kolumne „Die
Stadtratte“ versetze er sich ja selbst in die Position des Nagetiers und
kommentiere Beobachtungen in der Stadt aus dessen Perspektive. Die
Opposition wollte das nicht gelten lassen und fand nicht nur Schilcher
rücktrittsreif. Bruno Rossmann von der Liste Jetzt forderte Kanzler Kurz
auf, die Koalition aufzukündigen. Selbst dem oberösterreichischen
FPÖ-Landesparteisekretär Erwin Schreiner dämmerte, dass man die Sache nicht
verharmlosen könne: „Die Allegorie von Ratte und Mensch ist historisch
belastet, daher geschmacklos und abzulehnen. Dass der Autor auch sich
selbst in diesen Rattenvergleich miteinbezieht, macht die Sache dabei nur
unwesentlich besser.“
Schilcher schwadroniert in seinem holprigen Versepos über die angebliche
Unterwerfung der heimischen Kultur unter die der Zuwanderer: „Doch wenn
dann etwas kommt, das fremd,/dann wird ganz plötzlich ungehemmt/und man
wirft rasch ohne jede Scham/Kultur und Bräuche von daham/sehr angewidert in
die Tonne!/ Und stellt das Neue in die Sonne!“
International steht Österreich unter Beobachtung seit die FPÖ der
Bundesregierung angehört. Da verwundert es nicht, dass selbst die BBC über
den Rülpser eines unbedeutenden Lokalpolitikers berichtete. So gab
Schilcher nach einer lauwarmen Entschuldigung für seine „unscharfen und zu
wenig präzisen Formulierungen“ schließlich am Dienstag dem Druck nach und
trat als Vizebürgermeister zurück. Im EU-Wahlkampf kann die FPÖ weder einen
Koalitionsstreit noch eine neue Debatte über den rechtsextremen Charakter
ihrer Kader brauchen.
24 Apr 2019
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
Nazi-Propaganda
FPÖ
Heinz-Christian Strache
Poesie
Gedicht
Lesestück Recherche und Reportage
Martin Sellner
antimuslimischer Rassismus
Österreich
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