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# taz.de -- Berlinale-Film „Lemebel“: Splitternackt durch die Stadt
> Eine Heroe des Widerstands und der Subkultur: Joanna Reposi Garibaldis
> Film über den chilenischen Künstler und Schriftsteller Pedro Lemebel.
Bild: Pedro Lemebel, Künstler, Schriftsteller und queere chilenische Diva
Als [1][Pedro Lemebel] 2015 in Santiago seinem Krebsleiden erlag,
verwandelte eine beeindruckende Multitude den Trauerzug mit Musik, Tanz und
Travestie in eine letzte Performance des legendären Künstlers und
Schriftstellers. Der hatte zu Lebzeiten mit seiner divenhaften Erscheinung,
sprachmächtig und auf Stöckelschuhen, das reaktionäre Establishment genauso
wie die kommunistische Partei herausgefordert.
Mit seinen frühen künstlerischen Aktionen noch in Zeiten der Diktatur oder
später als Verfasser urbaner Chroniken zwang er seine Mitbürger, auf ein
Chile der Marginalität und der sexuellen Differenz zu schauen – lange bevor
Queerness auch in Südamerika diskursfähig wurde.
In ihrem Dokumentarfilm „Lemebel“ kombiniert Joanna Reposi Garibaldi die
Aufnahmen gemeinsamer Gespräche mit Fotos, Videosequenzen, Radio- und
Fernsehbeiträgen. Zusätzlich bemüht sich die chilenische Filmemacherin mit
großflächigen Projektionen im nächtlichen Santiago um inhaltliche und
ästhetische Annäherung an das Wirken Lemebels.
Leider vergisst sie, Projektionsorte wie das emblematische Hospital de
Ochagavía namentlich auszuweisen. Ihre Konversationen, die ab 2007 meist in
seiner Wohnung stattfanden, machen deutlich, wie Pedro Lemebel zeitlebens
die Inszenierung seiner Person selbst bestimmte und deren Choreografie bis
zum Schluss in der Hand behielt.
## Subkulturelle Nischen
1952 in einfachen Verhältnissen geboren, hatte er als Homosexueller in
seiner Jugend früh und mit aller Härte erlebt, was es bedeutet, Außenseiter
zu sein. Trotzdem war er Chile, seiner kulturellen Herkunft und der lokalen
Sprache eng verbunden. Mit dem Poeten Francisco Casas gründete er 1987 die
Gruppe „Las Yeguas de la Apocalipsis“ und verwandelte die erfahrene
Marginalität nachhaltig in ein künstlerisches Statement.
Reposis Dokumentarfilm zeigt das rare Archivmaterial der frühen
Performances, ihren Ritt, auf einem Schimmel, splitternackt durch die
chilenische Hauptstadt oder ihre Inszenierung als siamesische Frida Kahlo.
Gleichzeitig rufen andere historische Aufnahmen auch das fast vergessene
Leben in den subkulturellen Nischen von Santiago in Erinnerung.
Eindrücklich macht der Dokumentarfilm deutlich, wie Lemebels Leben durch
die generöse Liebe seiner Mutter, aber auch durch die Erfahrung der Ära
Allendes bis 1973 geprägt wurde. Mit dem Künstler kehrt die Filmemacherin
in die verwaiste Wohnung seiner Kindheit im Arbeiterstadtteil San Miguel
zurück. Früheste fotografische Selbstinszenierungen aus Lemebels Jugend
werden an die Wände des tristen Wohnblocks projiziert.
## Träume aus Plüsch
In den neunziger Jahren begann Lemebel, zunächst in Zeitungen, später in
Büchern, mit unbestechlichem Stil urbane Chroniken über Außenseiter,
Tunten und Militante zu veröffentlichen. Diesem äußerst produktiven
schriftstellerischen Werk – auf Deutsch in Übersetzung erschienen ist sein
Roman [2][„Tengo miedo Torero“] („Träume aus Plüsch“) 2003 – widmet…
Dokumentarfilm allerdings weniger Aufmerksamkeit.
Doch ist Joanna Reposis Hommage an Pedro Lemebel vor allem als historisches
Porträt der chilenischen Subkultur im Übergang zur Demokratie interessant.
Umso unverständlicher erscheint es, dass viele seiner Wegbegleiter, die im
Film nur aus dem Off zu hören sind, unbenannt bleiben.
Lemebel war zwar Individualist, allein blieb er jedoch nicht.
16 Feb 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Kino Lateinamerika
Chile
Queer
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