# taz.de -- Berlin ist Stau-Hauptstadt: Auto fahren – wer tut sich das an? | |
> Bis zu 154 Stunden stehen Berlins Autofahrer*innen jährlich im Stau. Vom | |
> Fahrrad aus betrachtet ist das alles halb so wild. | |
Bild: Diesen wunderbaren Anblick dürfen Pendler*innen in Berlin bis zu 154 Stu… | |
[1][Berliner Autopendler*innen verbringen jährlich 154 Stunden] im Stau | |
oder stockenden Verkehr, wenn sie zu den Stoßzeiten auf den verstopftesten | |
Straßen fahren. Das ist fast eine Woche pro Jahr und gilt vor allem für | |
Straßen wie den Tempelhofer Damm oder die Müllerstraße. Rechnet man das | |
hoch auf ein eher zurückgelehntes Berufsleben von, sagen wir, 35 Jahren, | |
kommt man auf 5.390 Stunden, umgerechnet also 225 Tage oder 32 Wochen. Über | |
ein halbes Lebensjahr vertrödeln passionierte Autofahrer*innen also sinnlos | |
auf dem Weg zur Arbeit im Auto. Wie kann man sich das nur antun? Dazu noch | |
nervige Werbung-Charts-Kakophonie aus dem Radio, unterbrochen nur von | |
Verkehrsmeldungen, die prophezeien, an welcher Kreuzung man gleich noch | |
mehr Zeit verschwenden wird. | |
Die weltweit größte [2][Staustudie] hat die Daten anhand von vernetzten | |
Autos und Geräten erhoben. Zählt man nicht nur die besonders verstopften | |
Pendlerstrecken zu Stoßzeiten, kommt man für Berlin im Schnitt immer noch | |
auf 44 Staustunden pro Autofahrer im Jahr. 14 Prozent der Fahrzeit | |
verbringt man damit im Schnitt im Stau – Berlin hat dabei in den | |
vergangenen Jahren aufgeholt und belegt Platz 3 hinter München und Hamburg, | |
wo es noch schlimmer sein soll. Zu Stoßzeiten liegt Berlin mit den 154 | |
Stunden unangefochten auf dem ersten Platz in Deutschland. | |
Die Durchschnittsgeschwindigkeit zu Stoßzeiten im Innenstadtbereich Berlins | |
ist besonders gering: lächerliche 8 Kilometer in der Stunde legt man hier | |
mit dem Auto zurück. Zum Vergleich: Mit dem Fahrrad fährt man gemütlich auf | |
halbwegs ampelfreier Strecke zwischen 15 und 20 km/h. | |
Macht sich Autofahrer*in mal bewusst, wie viel Zeit man sich blöd vor der | |
Ampel bei laufendem Motor den Hintern platt sitzt, hilft auch keine | |
Sitzheizung mit Massagefunktion über all die Zeitverschwendung hinweg. | |
Zumal der Ruhepuls vieler Berliner Autofahrer*innen ohnehin eher dem eines | |
[3][Internettrolls ähnelt, der mit pulsierender Halsschlagader im Görlitzer | |
Park Dealer*innen zählt], als dem von tatsächlich entspannten | |
Verkehrsteilnehmer*innen. | |
## Die kalte Luft trinken | |
Na klar, an der Ampel mit quietschenden Reifen anfahren und lästige | |
„Kampfradler“ schneiden oder anhupen macht natürlich auch ein bisschen Spa… | |
und füttert das ansonsten angeknackste Ego. Umso witziger ist es angesichts | |
dieser Zahlen aber natürlich, jeden Morgen seelenruhig und entspannt mit | |
dem Damenrad an einer Autoschlange vorbeizufahren und auf einer fast | |
ampellosen Fahrradroute durch den Park zur Arbeit zu fahren – im Sommer ist | |
es luftig und macht gute Laune, im Winter kann man die kalte Luft fast | |
trinken. Herrlich. | |
Mal abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden durch Staus (laut Studie pro | |
Autofahrer rund 1.340 Euro jährlich) freuen sich die Krankenkassen, wenn | |
man Fahrrad fährt und zumindest nicht die Umwelt verpestet – höchstens | |
natürlich mit der selbstgerechten Einstellung, mit der man Autofahrer*innen | |
wohl vollkommen zu Recht nerven muss. | |
13 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://inrix.com/scorecard-city/?city=Berlin&index=15 | |
[2] http://inrix.com/press-releases/scorecard-2017-ger/ | |
[3] https://twitter.com/uebermedien/status/955828733960708097 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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