Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gerichtsverhandlung gegen Autofahrer: Hilfssheriff im SUV
> Feuerwehrmann Dirk K. bedrängte einen Radfahrer mit seinem Wagen und
> packte ihn anschließend mit den Händen. Grund war eine missachtete rote
> Ampel.
Bild: Treffen selten auf Gegenliebe: SUV-Fahrer*innen
Pressemeldungen geben selten Einblick in das Innenleben oder die
Beweggründe der an den wiedergegebenen Sachverhalten Beteiligten. Zurück
bleibt nach dem Lesen der paar Dutzend Zeilen meist nur ein Kopfschütteln
und ein Gefühl der Ratlosigkeit: Was zum Henker ist da eigentlich
vorgefallen?
Gerade Verkehrsmeldungen beschränken sich oft auf die gröbsten Fakten:
„Prozess gegen SUV-Fahrer, der einen Radfahrer zunächst bedrängt und dann
vom Rad gerissen haben soll.“ – So zum Beispiel liest sich die Vorabmeldung
der Deutschen Presse-Agentur, die die Gerichtsverhandlung zu einem im Mai
vergangenen Jahres auf der Köpenicker Allee in Treptow stattgefundenen
Vorfall ankündigte.
Allein das vorurteilsbehaftete Wort „SUV-Fahrer“ drängt hier bereits einen
Deutungsrahmen auf: Wie schon an ihrer missglückten Fahrzeugwahl unschwer
zu erkennen ist, sind SUV-Fahrer demnach von Natur aus rücksichtslos. Dass
sie gelegentlich Radfahrende abdrängen und sie vom Fahrrad reißen, wäre
daher wenig überraschend. Grund genug also, sich einen dieser SUV-Fahrer
mal genauer anzuschauen.
Am Montagmorgen sitzt Dirk K. in einem schmucklosen, quadratischen Raum des
Amtsgerichts Tiergarten und sagt vor dem Richter aus. „Ick weiß bis heute
nicht, was mit mir los war“, versucht sich der 52-Jährige mit zitternder
Stimme zu erklären. Als Feuerwehrmann habe er „schon viele Radfahrende
unter Autos hervorgekratzt“ und sei sich der Gefahren des Straßenverkehrs
eigentlich gut bewusst.
## Mangel an Arroganz
Die Situation ist ihm sichtlich unangenehm. Die SUV-Fahrer*innen
zugeschriebene Arroganz lässt er aber komplett vermissen. Später
entschuldigt er sich bei dem Radfahrer, dem 38-jährigen Dokumentarfilmer
Paul L.
Der Grund für die Auseinandersetzung sei gewesen, dass L. eine rote Ampel
überfuhr. Diesen Regelverstoß wollte K. nicht ungesühnt lassen. Er
versuchte den Radfahrer zum Anhalten zu bewegen, erst durch Zeigen seines
Feuerwehrausweises, dann durch mehrmaliges Bedrängen mit seinem Auto. Wenig
deeskalativ spuckte Paul L. daraufhin K.s Auto an. Noch weniger deeskalativ
parkte dann K. seinen Stadtgeländewagen direkt auf dem Radweg, um L. den
Weg abzuschneiden. Das Manöver war erfolgreich. Um weitere Fluchtgefahr zu
verhindern, packte Dirk K. den vermeintlichen Über-Rot-Fahrer fest an den
Schultern, was einige blaue Flecken zur Folge hatte.
Das Gericht zeigte sich wenig begeistert vom Aktionismus des Feuerwehrmanns
und verurteilte ihn wegen Nötigung und leichter Körperverletzung zu 50
Tagessätzen à 80 Euro und drei Monaten Fahrverbot. „Sie haben nicht die
Aufgabe, die Einhaltung der Verkehrsordnung durchzusetzen“, so der Richter
in seiner Urteilsbegründung am Montag. „Dieses Oberlehrerhafte ist leider
weit verbreitet in Deutschland.“
Was lernen wir nun aus diesem Fall? Hinter einer Meldung verbirgt sich
oftmals mehr, als gängige Erklärungsmuster glauben machen. Manchmal lohnt
es sich, genauer hinzuschauen, um zu verstehen, dass nicht nur eine
fehlgeleitete Verkehrspolitik und mangelnde Rücksichtnahme zu Konflikten im
Straßenverkehr führen, sondern zuweilen auch ein übertriebenes
Rechtsempfinden der Beteiligten.
13 Jul 2020
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Verkehrswende
SUV
Kampfradler
Mobilitätswende
Stau
Regine Günther
## ARTIKEL ZUM THEMA
Im Berliner Verkehr ist die Hölle los!?: Friede den Straßen
Ein ebenso integrations- wie verkehrspolitischer Appell unserer Autorin.
Die ist Autofahrerin – aber vor allem auch leidenschaftliche Fußgängerin.
Berlin ist Stau-Hauptstadt: Auto fahren – wer tut sich das an?
Bis zu 154 Stunden stehen Berlins Autofahrer*innen jährlich im Stau. Vom
Fahrrad aus betrachtet ist das alles halb so wild.
Kommentar zu Radtoten in Berlin: Wo sind die Kampfradler der Grünen?
Seit zwei Jahren regiert Rot-Rot-Grün in Berlin. Doch die Koalition traut
sich nicht, radikale Maßnahmen für die Sicherheit der Radler umzusetzen.
Das ist erbärmlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.