# taz.de -- Tour von Jungle By Night: Beschwipst in der Hängematte | |
> Für einen Sound zwischen HipHop, House und jazzigen Bläsern steht die | |
> Amsterdamer Band Jungle By Night. Dieser Tage ist sie auf | |
> Deutschlandtour. | |
Bild: Alle Neune: Jungle By Night | |
Sagen Sie jetzt nicht Afrobeat dazu. Und wenn Sie es doch tun, dann | |
behalten Sie es für sich und lassen es Ko Zandvliet nicht hören. „Explosive | |
dance music“, so umreißt der Amsterdamer Posaunist den Sound seines | |
neunköpfigen Instrumentalensembles Jungle By Night. Im November haben sie | |
„Livingstone“ veröffentlicht, ihr fünftes Album. Und Zandvliet fragt etwas | |
gereizt durchs Telefon: „Jetzt mal ehrlich, klingt das für dich nach | |
Afrobeat?“ | |
Kommt ganz drauf an, möchte man antworten. „Livingstone“ beginnt mit | |
Vogelgezwitscher, wie es sich so ähnlich einst bei [1][Pink Floyd] | |
vernehmen ließ. Dann aber setzt ein Keyboard ein und erinnert an einen | |
House-Track der frühen Neunziger, wenn auch so verlangsamt, als bediene der | |
Musiker sein Instrument tiefenentspannt aus der Horizontalen. Lässige | |
Percussion und ein Bläsersatz kommen hinzu. Die Gläser der Band müssen von | |
bunten Paperschirmchen gekrönt gewesen sein, anders geht das nicht. Was | |
drin gewesen sein mag? Das zweite Stück des Albums heißt „Pompette“, | |
französisch für „beschwipst“. | |
Tatsächlich ist „Livingstone“ im Jahrhundertsommer 2018 entstanden, und die | |
Band hatte sich für die Aufnahmen etwas Besonderes überlegt: Anstelle eines | |
fensterlosen Aufnahmestudios ohne Tageslicht mieteten Jungle By Night im | |
Nordosten der Niederlande für zehn Tage einen alten Bauernhof und parkten | |
ihren Bandbus in dem 800-Seelen-Dorf Nieuw-Balinge, nahe der Grenze zu | |
Deutschland. Da war ein Garten, erinnert sich Zandvliet, in den Bäumen | |
viele Vögel; und genau die haben es in auf den Albumauftaktsong geschafft. | |
„Hangmat“ heißt der, „Hängematte“, also auch Bäume, stark genug, sie… | |
tragen. Mächtig was los, wo doch so wenig gewesen sei! Dabei hatten Jungle | |
By Night ein Publikum, und es waren nicht nur die Ameisen und | |
Schmetterlinge von Nieuw-Balinge. Am letzten Tag, um 8 Uhr morgens, machte | |
sich eine Anwohnerin bemerkbar und stellte fest: „Ihr also seid die Typen, | |
die seit Tagen diese Geräusche machen.“ | |
Geräusche? Lärmbelästigung? Jungle By Night hatten gerade „Love Boat“ im | |
Kasten, einen erst mal freundlichen Uptempo-Sechsminüter, den sie in der | |
ersten Hälfte des Albums platziert haben. Nach zwei Minuten mischt sich ein | |
dezenter Mollton in das Stück, hat bald aber wieder mit dem Bläsersatz zu | |
kämpfen. Und Zandvliet gibt es zu, er hat seinen Posaunenpart um 4 Uhr | |
morgens eingespielt. | |
Was die Nachbarin erst gesagt haben wird, als sie „Stormvogel“ hörte, den | |
Titel, der auf dem Album einen dezenten Wendepunkt markiert, wir wissen es | |
nicht. Das Keyboard-Intro erinnert jedenfalls an das „I’m Waiting For The | |
Man“ der [2][Velvet Underground], wenn sie ihre Sonnenbrillen nicht durch | |
die New Yorker Straßenschluchten, sondern an den Stränden Kaliforniens | |
getragen hätten. | |
## „Hurn in Bell“ | |
Noch eine Surfgitarre, bevor das so beschwingte Album für einige Stücke | |
einen dramatischen Drall bekommt, der in einem Stück wie „Spectacles Part | |
2“ nahezu hysterisch tönt. Das Finale schließt dann wieder zur | |
Hängematten-Seligkeit des Anfangs auf: „Spending Week“, die musikalische | |
Revue der Landpartie, und „Café Crème“. Von dem dürfte es viel gegeben | |
haben. | |
Für die Songtitel übrigens hatten Jungle By Night eine eigene, | |
abschließende Kollektivsession anberaumt. Dabei ist dann auch ein Wortspiel | |
wie „Hurn in Bell“ entstanden. Richtig rum würde hier nicht passen. | |
Was das nun alles mit Afrobeat zu tun hat? Als Jungle By Night loslegten – | |
2010 ist ihre erste Single, 2011 ihr Debütalbum erschienen – da hat | |
Afrikanisches, Äthiopisches speziell, bei ihnen schon eine große Rolle | |
gespielt, meint Zandvliet. Jungle By Night haben mit dem nigerianischen | |
Trommler Tony Allen, Schlagzeuger bei Fela Kutis Africa 70, | |
zusammengearbeitet sowie mit Seun Kuti & Egypt 80. Das kann man deutlich | |
hören. | |
Aber da ist mehr: Die Bandmitglieder lieben Psychedelic-Rock, eine frühe | |
Single heißt gar „Brass Sabbath“. HipHop spielt mit rein, Jazz, Reggae und | |
Latin. Zandvliet selbst schwört auf Disco, Tropicalia und auf Kraftwerks | |
„Autobahn“. Eklektizismus pur? Falsch, diese Musik hat nichts | |
Zusammengestückeltes. „Afro Dutch“, so hat ein YouTube-Kommentator sie | |
benannt. Er könnte recht haben. | |
1 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Robert Mießner | |
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