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# taz.de -- Funkquintett The Internet aus L.A.: Momente von Hypnose
> Das Funk- und Soulquintett The Internet aus Los Angeles spielte in
> Berlin. Am besten ist die Band, wenn sie stoisch und krautig klingt.
Bild: Die Sängerin Syd von The Internet, hier bei einem Konzert im Hamburger M…
Wenn das Wetter dazu einlädt, den Abend zu Hause mit ein, zwei alten
Blue-Note-Platten zu verbringen, sagen wir Hank Mobley, „Funk in Deep
Freeze“, man sich aber im bis auf die Ränge voll besetzten Festsaal
Kreuzberg wiederfindet, dann muss was dran sein an der Band, die da gerufen
hat. In diesem Fall The Internet, ein Funk- und Soulquintett aus Los
Angeles, Kalifornien; sein Publikum ist ein bunt gemischtes Völkchen, eine
community, die sich vom Dauerregen nicht hat abschrecken lassen.
Hochgesteckte Afrofrisuren und Jazzbärte wie aus den Fünfzigern sind zu
sehen, osteuropäische und asiatische Idiome zu hören. Kaum, dass die
Gemeinde vollzählig die Stationen Garderobe und Einlass passiert hat,
wird auch schon das Saallicht gedimmt, und auf der Bühnenleinwand erscheint
eine Animation, kleine Figuren eingefasst in einer größeren Figur in
farbenfroher Siebziger-Ästhetik. Im Laufe des Konzerts sollen sie von
Cursorpfeilen, die ein Eigenleben beginnen, psychedelischen Schlieren,
Kerzen, einer Blumenwiese und Sendeschlussgranulat abgelöst werden.
Dazu pocht herzschlagartig ein Groove, gegeben von Schlagzeuger Christopher
Smith, der sich und sein Instrument interessanterweise am linken Bühnenrand
hinter einer Plexiglaswand abschirmt, und Bassist Patrick Page II, er wird
auch einen Auftritt als Rapper haben. Gitarrist Steve Lacy, den Namen teilt
er sich mit dem US-amerikanischen Sopransaxofonisten, der unter anderem
mit dem Free Jazzer Cecil Taylor musizierte, tut, was gute Gitarristen tun;
er setzt schon mal aus, spielt sehr ökonomisch und pointiert.
## Ein Buddha mit Basecap
In einem Moment freilich schwingt er sich zu einem mächtig knirschenden
Solo auf, in dem man eine Hommage an Prince & the Revolution, zirka zurzeit
von „Purple Rain“, vermuten darf. Lacy gewinnt auch klar an der
Hemdenfront, so ein Weiß mit einem Wellenmuster aus Korallenrot und
Blaugrün hat Seltenheitswert. Am rechten Bühnenrand thront Keyboarder Matt
Martians hinter seinem Instrument, ein Buddha mit Basecap. Mittendrin
Sängerin Syd, Kommunikatorin und Moderatorin des Abends, die früh im
Konzert fragt, wie viele Pärchen denn im Publikum seien und wie lange schon
zusammen. „Vier Jahre, sieben gar“, nicht schlecht, staunt sie. Als sie
„25“ hört, muss sie eine Pause machen.
Denn einer der Songs, den The Internet spielen, handelt vom Ende einer
Beziehung: „Just Sayin’ “ von ihrem dritten, 2015 erschienen Album „Ego
Death“. Das Publikum möge die zentrale Zeile „You fucked up“, du hast es
verkackt, mitsingen, bittet Syd. Allein, die ersten Versuche tönen ihr noch
zu zaghaft. „Leute, stellt euch vor, ich wäre eure, euer Ex. Noch mal von
vorn. Ja, so ist besser.“ Stichwort Aggression: Zum Ende hin gerät das
Konzert doch etwas zu smooth. The Internet sind toll, wenn sie einen
stoischen, fast schon krautigen Soul spielen, so zum Beispiel in „Roll
(Burbank Funk)“ oder „Bravo“ vom aktuellen Album „Hive Mind“, aus dem…
Großteil des Abends schöpft.
Live geht da noch mehr: An einer Stelle trommelt Smith einen stetigen
Rhythmus aus drei, vier heftigen Basedrum-Kicks und krönt diese Runden
abwechselnd mit je einem trockenen Beat auf der Snare beziehungsweise einem
scheppernden auf Snare und Becken. Das ist schon Hypnose, so wie Smiths
Schlagzeugsolo, das er unvermittelt in einem Song platziert, einem
Deep-Purple-Freakout nahekommt. Nicht bekommen ist das Konzert dem
englischen Pärchen, das sichtlich und hörbar tief in den Abend geschaut hat
und um 23 Uhr in die Kreuzberger Nacht schwankt. „Fucking problems“, stöhnt
er, „fucking issues“, murrt sie zurück. Ob die beiden es noch mal schaffen?
15 Mar 2019
## AUTOREN
Robert Mießner
## TAGS
Funk
The Internet
Odd Future
Festsaal Kreuzberg
Konzert
Jungle By Night
Rap
R&B
HipHop
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