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# taz.de -- Kommentar Gesetzentwurf zu §219a: Der Druck wirkt
> Die Koalition bewegt sich in zu kleinen Schritten. Wenn es Grund zum
> Feiern gibt, dann wegen der Frauen, die immer weiter für ihre Rechte
> kämpfen.
Bild: Das hat sich die SPD offenbar endlich zu Herzen genommen
Eins steht fest: [1][Die SPD-Verhandlerinnen haben durchgesetzt], was sich
zusammen mit der Union eben durchsetzen lässt. Ärzt*innen dürfen künftig
selbst auf ihren Webseiten darüber informieren, dass sie
Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Listen, die auf öffentlichen Seiten
abrufbar sind, sollen monatlich aktualisiert werden. Dort sollen ungewollt
Schwangere dann auch erfahren, welche Methoden diese Ärztin oder jener Arzt
anbietet.
Und: Die Bundesregierung will die Qualifizierung von Ärzt*innen im Bereich
Schwangerschaftsabbrüche ausweiten, um dem immer geringer werdenden Angebot
entgegenzuwirken. Von den Eckpunkten, in denen im Lebensschützer-Duktus
noch die „seelischen Folgen“ eines Schwangerschaftsabbruchs erforscht
werden sollte, ist das meilenweit entfernt.
Ganz abgestreift hat das Papier den Sound der Abtreibungsgegner allerdings
nicht. Der Gesetzentwurf betont ausdrücklich den Terminus des „Schutzes des
ungeborenen Lebens“. Die Vorschrift schütze dieses, heißt es in der
Zielsetzung, Schwangerschaftsabbrüche dürften nicht „kommerzialisiert“ od…
„verharmlost“ werden.
Ärzt*innen dürfen zwar darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen
– wie sie das aber tun, darüber müssen sie weiter schweigen. Stattdessen
dürfen sie verschwörerisch einen Link auf ihre Seite setzen, der dann zu
einer anderen Seite führt, wo in einer Liste steht, ob sie nun operieren
oder eine Pille verabreichen.
## Es geht ums Prinzip
Mit einer Information, die auf der Seite der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung künftig erlaubt ist, wird sich eine
durchführenden Ärztin also weiterhin strafbar machen. Inwiefern das
irgendein Leben schützt, hat bis heute niemand erklären können.
[2][Vielmehr geht es ums Prinzip] – und darum, Frauen zu zeigen, dass man
ihnen nach wie vor eine vernünftige und zugleich selbstbestimmte
Entscheidung einfach nicht zutraut.
In der Praxis wird sich als Problem erweisen, dass viele Ärzt*innen sich
nicht auf solche Listen werden setzen lassen – aus Angst vor der Schikane
durch Abtreibungsgegner*innen, vor Flugblättern und Platikföten im
Briefkasten. Und aus Angst, dass Patient*innen empört wegbleiben. Das hätte
auch eine Streichung des Paragrafen nicht geändert. Doch der vorliegende
Gesetzentwurf bedient dieses gesellschaftliche Tabu eher, als dass er sich
entschieden hinter die Ärzt*innen stellt.
Wenn auch der Gesetzentwurf selbst kein Grund zum Feiern ist, so ist dieser
Tag es doch. Denn dass jetzt überhaupt ein Papier auf dem Tisch liegt, ist
dem nicht nachlassenden Druck von Frauen und ihren Verbündeten im ganzen
Land, in Parteien, Organisationen, Verbänden und auch auf der Straße zu
verdanken. Zu lange hatten sich zu viele daran gewöhnt, dass es doch
irgendwie funktioniert. Dass Frauen, die abtreiben, hierzulande immer noch
eine Straftat begehen, war vielen gar nicht klar.
Das ist vorbei. Wir führen dieser Tage in Deutschland die erste
grundsätzliche Debatte über Abtreibung seit Jahrzehnten. In einer Zeit des
Rechtsrucks, in der hart erkämpfte Rechte und Freiheiten immer mehr zur
Disposition stehen, ist es beruhigend zu wissen: Diese Stimmen werden nicht
wieder verstummen.
29 Jan 2019
## LINKS
[1] /Infos-ueber-Schwangerschaftsabbrueche/!5569382
[2] /Kommentar-Schwangerschaftsabbrueche/!5565462
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Kristina Hänel
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Mithulogie
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