| # taz.de -- Dominik Graf über Digitalisierung im Film: „Es bleibt ein Placeb… | |
| > Sein Film „Die Sieger“ ist aus den 90ern. Auf der Berlinale läuft er in | |
| > restaurierter Fassung. Dominik Graf über die heutige Rezeption und den | |
| > Digitalisierungsprozess. | |
| Bild: Karl Simon (Herbert Knaup) in Aktion im Film „Die Sieger“ (Director�… | |
| taz: Herr Graf, Ihr Film „Die Sieger“ aus dem Jahr 1994 erfährt in der | |
| aufwändig rekonstruierten Fassung bei den „Berlinale Classics“ seine | |
| Weltpremiere. Wie wichtig ist diese Sektion für Sie? | |
| Dominik Graf: Ich schaue schon jedes Jahr, was da an rekonstruierten Filmen | |
| gezeigt wird, und meistens ist das irgendwie interessant. Von den | |
| diesjährigen Filmen finde ich „Adoption“ von Márta Mészárosz besonders, | |
| aber auch den Carl-Theodor-Dreyer-Film („Ordet“) und „Destry Rides Again�… | |
| [von George Marshall, d. Red.]. | |
| Vermag die jetzige Fassung Ihrem Film, der vielfach als „Problemkind“ | |
| abgespeichert ist, neues Leben einzuhauchen? | |
| Ich bin ehrlich gesagt nur froh, dass dieser Film jetzt existiert. Auch | |
| wenn die beiden zusätzlichen Szenen, die damals wegen der | |
| Verleihlänge-Vorgaben herausgeschnitten wurden, in ihrer technischen | |
| Materialität mit den auf 35mm vorhandenen Einstellungen nicht konkurrieren | |
| können: Es sind ja Aufnahmen von einem alten VHS-Band, weil alles andere | |
| weggeschmissen wurde, Negative, et cetera. Aber der Film stimmt zumindest | |
| mit dem, was ich gedreht habe, jetzt überein. | |
| Ist damit die Geschichte des großen Flops passé? Immerhin ist „Die Sieger�… | |
| anders als der Goldene-Bär-Gewinner „Adoption“ und „Ordet“, der damals… | |
| Goldenen Löwen bekam, kein Erfolgsfilm. Es heißt, die Filmbürokraten hätten | |
| ihn zerpflückt damals. | |
| Es ging um Geld. Das ursprünglich viel längere Drehbuch wurde eingedampft. | |
| Aber dann wurde, nach dem Dreh, weiter geschnitten. Das fand ich | |
| schmerzhaft. Damit konnte ich mich nicht mehr identifizieren. Aber da die | |
| Szenen jetzt wieder drin sind, sagte ich mir: Deckel drauf! Ich habe jetzt | |
| den Film, den ich gedreht habe. Und was jetzt nicht stimmt, kann auch nicht | |
| weiterhin zum Stimmen gebracht werden. Ob das ein vielleicht nicht so | |
| ehrwürdiger Film für die Reihe ist, habe ich mich nicht gefragt, sondern | |
| meine Arbeit gemacht, die Bavaria und die Berlinale vorschlugen. | |
| War die Versuchung da, „Die Sieger“ noch mal prinzipieller zu bearbeiten? | |
| Nein. Das längere Drehbuch hätte einen Film von dreieinhalb, vier Stunden | |
| ergeben, das musste letzten Endes ein Traum bleiben. | |
| Ist das Skandalpotenzial des Films in seiner Zeit vergleichbar mit den | |
| hohen Wellen, die Ihr RAF-Tatort „Der rote Schatten“ kürzlich schlug? | |
| Die meisten Leute sagten damals, sie würden es nicht glauben, dass in | |
| Deutschland korrupte Politiker mit der Mafia zusammenarbeiten und Gesetze | |
| in die Länge ziehen. Das glaubt man nun, 25 Jahre später, doch durchaus | |
| eher – dass sich Politiker mittels eines selbst kriminellen V-Mannes – | |
| dieser Heinz Schäfer, wie er im Film heißt, hat ja sein eigenes, | |
| behindertes Kind ermordet –, ordentlich in die eigene Tasche schaufeln. | |
| Heute findet man das nicht mehr „unmöglich!“ Damals saßen mir Leute | |
| gegenüber, die sich das überhaupt nicht vorstellen konnten. | |
| Auch in „Die Sieger“ steckt also mehr Deutschland, als man denken könnte? | |
| Absolut. Die Geschichte war inspiriert von SEKlern, die ich beim Drehen von | |
| „Die Katze“ kennengelernt habe, die waren auch an der Konzeption des Films | |
| dann beteiligt. Als sie mir ihr Berufsbild in der Realität geschildert | |
| haben, war das schon eine Art deutscher Mythos. | |
| „Die Sieger“ toppt vieles, was Sie schon für „Der Fahnder“ im TV gemac… | |
| hatten. | |
| Ich sprach mit Peter Körte darüber: Dass du einen Toten jagst, einen toten | |
| Doppelgänger, das hat was von Joseph Conrad. Durch die zwei Szenen wird der | |
| Fluss der Finsternis noch deutlicher, in den sich Herbert Knaup [er spielt | |
| den Karl Simon; d. Red.] begibt, um für sich und seine Seele Wahrheit zu | |
| schaffen. Er kann es nicht auf sich sitzen lassen, dass ein SEKler so etwas | |
| Furchtbares machen kann, sein eigenes, behindertes Kind zu ermorden. Eine | |
| Wahnsinnstat! Und dann lebt der noch, dieser Typ, und bringt Schande über | |
| die ganze Berufsgruppe. Den Karl Simon bringt das fast um seinen Verstand, | |
| da haut er sich das Messer in den Arm. Ich glaube schon, dass die sich da | |
| zusammenrotten und den Mann selbst erledigen wollen. Man darf nicht | |
| vergessen, dass zwei Wochen vor Drehbeginn Bad Kleinen passierte, auch ein | |
| bis heute ungeklärter SEK-Einsatz. | |
| Zurück zu den „Classics“: Was muss man noch sehen? | |
| Über „Adoption“ habe ich schon einmal in der FAZ geschrieben. In meiner | |
| Generation galten die „Ostblockfilme“ lange Zeit als extrem spaßfrei. | |
| Anfang der 2000er erschienen die alle endlich auf DVD, ich habe sie mir | |
| angeschaut. „Adoption“ war ein Wunder! Ein kunstvoll gebauter, | |
| realistischer, nüchterner und trotzdem tiefgehender Frauenfilm von einer | |
| Schönheit, wie ich ihn selten gesehen habe. Bei Chantal Akerman am ehesten | |
| noch. | |
| Unbedingt erwähnt sei noch Edith Carlmars „Ung flukt“ („The Wayward Girl… | |
| auch das eine Erstaufführung der digital restaurierten Fassung im | |
| Vorführformat 4K [horizontale Bildauflösung in der Größenordnung von 4.000 | |
| Pixeln, d. Red.]. Wie stehen Sie eigentlich zu diesem 4K-Fetisch? | |
| Ich kann nur immer wieder sagen: Film ist Film. 16mm, 35mm, Super 8. Alles | |
| andere ist der Versuch eines Placebos. Dass auf die Dauer wahrscheinlich, | |
| durch wirtschaftliche Interessen, dieses Filmmaterial nicht mehr vorkommt, | |
| ist eine Katastrophe. Trotzdem wäre es noch katastrophaler, wenn bestimmte | |
| Filme überhaupt nicht mehr zu sehen sein würden. | |
| Wie lief die Rekonstruktion? | |
| Der damalige Kameramann und ich haben alles überwacht. Es war schwierig, | |
| besonders beim großen Showdown in den Alpen, die Lichtwerte – Nacht, | |
| Dämmerung – von 35mm auf digital zu übertragen. Wir wollten, dass das so | |
| aussieht wie damals und sind an die Sache nah rangekommen. | |
| Und jetzt, wo der Deckel drauf ist? | |
| Der letzte Kick, den das Filmmaterial gegeben hat, ist für mich nicht mehr | |
| da. Insofern akzeptiere ich 4K als konservierenden Wert. Für mich ist das | |
| Material „Film“ das Rettenswerte, aber bevor die Filme ganz verschwinden, | |
| ist klar, dass man auch mit so einer 4K-Restauration vorlieb nimmt. Aber es | |
| bleibt ein Placebo! | |
| 7 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Wurm | |
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