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# taz.de -- Streit um Neuerungen bei der Berlinale: Ein Brief und seine Folgen
> Keine Berlinale mehr ohne Dieter Kosslick? Die Petition von 79
> Regisseuren zur Nachfolge des Festivalchefs sorgt für Debatten – und
> Verwirrung.
Bild: Kosslick soll durch eine Frau ersetzt werden
Eigentlich las sich die Petition recht nüchtern. Doch seit gut einer Woche,
[1][nachdem 79 Filmemacher aus Deutschland in einem offenen Brief] an
Kulturstaatsministerin Grütters darum gebeten haben, bei der Neubesetzung
der Berlinale-Leitung ein transparentes Verfahren mit internationaler
Findungskommission zu wählen, gibt es in deutschen Medien eine rege Debatte
zur Nachfolge des amtierenden [2][Berlinale-Chefs Dieter Kosslick].
Anlass der knappen Einlassung der Regisseure, darunter Maren Ade, Helke
Sander und Julia von Heinz, dürfte die Podiumsdiskussion „Filmfestivals
heute“ sein, zu der Grütters für den 4. Dezember ins Berliner Haus der
Kulturen der Welt geladen hat. Teilnehmer sind etwa der Regisseur und
Mitunterzeichner Christoph Hochhäusler und Kirsten Niehuus,
Geschäftsführerin der Filmförderung des Medienboards Berlin-Brandenburg. In
derselben Woche wird Kosslick ein neues Leitungskonzept für die Berlinale
vor deren Aufsichtsrat vorstellen.
Vieles spricht dafür, dass Niehuus nach 2019 auf Kosslick folgt – Grütters
soll an der Besetzung mit einer Frau interessiert sein. Man fürchtet, dass
der Berlinale ein bloßes „Weiter so“ bevorstünde – auch Kosslick kommt …
der Filmförderung. Eine weitere Befürchtung ist, dass das neue
Leitungskonzept das Amt eines Präsidenten vorsehen könnte – mit Kosslick
als erstem Inhaber.
Seitdem gab es zahlreiche Kommentare, vor allem gegen Kosslick gerichtet.
Zur Sprache kam dabei in erster Linie noch einmal die verbreitete Kritik an
der Entwicklung der Berlinale seit Beginn der Ära Kosslick – er regelt die
Festivalgeschicke seit 2001. Hauptpunkte: nachlassender Wettbewerb und ein
unscharfes Profil der Sektionen.
## Erneuerungswille klingt anders
[3][Auf Spiegel Onlinebemängelt Hannah Pilarczyk], dass der Wettbewerb „mit
einer Mischung aus unerheblichem Starkino und diffus politischem Film als
der mit Abstand schwächste unter den großen Filmfestspielen“ gelte.
Wiederholt habe die Berlinale herausragende Filme abgelehnt, etwa den
Oscar-Gewinner „Sauls Sohn“ von László Nemes.
[4][Ähnlich kritisiert Andreas Kilb in der FAZ die Berlinale im Vergleich
mit den Festivals von Cannes und Venedig]: „Berlin … hat Speck angesetzt,
während sein Herzstück, der Wettbewerb um den Goldenen Bären, geschrumpft
ist.“ Seine Empfehlung: „Eine neue Festivalchefin müsste das Gewicht des
Wettbewerbs stärken und das der Sektionen reduzieren.“
[5][Im Perlentauchersieht Lukas Foerster] hingegen die Schwierigkeit
weniger in der ausdifferenzierten Sektionseinteilung als in deren
Präsentation: „Das Problem an Kosslicks Berlinale ist nicht die Anzahl der
Filme, sondern die Indifferenz, mit der sie präsentiert werden. Die
Vielfalt der Sektionen könnte eine wunderbare Spielwiese des
Gegenwartskinos sein, auf der einander widersprechende Vorstellungen davon,
was Filme können, […] gegeneinander in Stellung gebracht werden. Aber dafür
bräuchte es zuallererst den Willen, diese Vorstellungen zu artikulieren,
und damit ein Gespräch übers Kino, das über eine bloße Aneinanderreihung
von Geschmacksurteilen heraus geht, in die interessierte Öffentlichkeit
hinein zu tragen.“
[6][Diesen Mangel an Diskurs erkennt auch Katja Nicodemus in der Zeit],
sieht darin jedoch kein Berlinale-spezifisches Problem, „weil es
hierzulande Meinungen, Positionen, aber schlichtweg keinen Diskurs über das
Kino gibt.“ Nicodemus hat zudem Kosslick befragt und, separat, zwei der
Unterzeichner: Dominik Graf, der sich über die Abrechnung mit Kosslick
ärgert, und Andreas Dresen, der sich ebenfalls distanziert von der
Kampagne, die der Petition folgte. Was ein wenig naiv wirkt. Immerhin
empfiehlt der Brief für die Nachfolge „eine herausragende kuratorische
Persönlichkeit […], die für das Kino brennt“. Was sich fast wie eine
Steilvorlage für die Medien liest. Und Kosslick? Sieht Schwierigkeiten bei
etwaigen Umbauvorhaben. Erneuerungswille klingt anders.
2 Dec 2017
## LINKS
[1] /Erklaerung-zur-Berlinale/!5466131
[2] /Filmfestspiele-in-Berlin/!5462762
[3] http://www.spiegel.de/kultur/kino/berlinale-79-filmemacher-zetteln-revoluti…
[4] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kinospeck-statt-filmkunst-die-berlina…
[5] https://www.perlentaucher.de/intervention/nach-dieter-kosslick-die-berlinal…
[6] http://www.zeit.de/2017/49/berlinale-dieter-kosslick-petition-regisseure-mo…
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Dieter Kosslick
Kino
Schwerpunkt Berlinale
Filmfestspiele
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