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# taz.de -- Neuköllner Otto-Hahn-Schule wehrt sich: „Das ist eine gute Warnu…
> Weil die Brennpunktzulage des Senats am Ziel vorbeigehe, will sich das
> Kollegium einer Schule komplett versetzen lassen. Jakob Köbner erklärt,
> warum.
Bild: Bekommt keine Brennpunktzulage, hat sie laut Kollegium aber verdient: Ott…
taz: Herr Köbner, Sie sind Lehrer an der Neuköllner Otto-Hahn-Schule, an
der es eher schlechte Abschlussstatistiken und vergleichsweise viele
Probleme gibt, sie gilt als Brennpunktschule. Nun will sich ihr komplettes
Kollegium versetzen lassen. Warum?
Jakob Köbner: Wir protestieren damit gegen die [1][geplante Umsetzung der
Brennpunktzulage] des Senats. Wir hatten die Senatsverwaltung im Dezember
per Brief auf die Missstände hingewiesen, aber bis heute leider keine
Antwort erhalten; darum gehen wir nun diesen Weg. Nach den Ferien wollen
wir einen Versetzungsantrag stellen. Die Stadt kann rechtlich
Umsetzungsanträge nicht ewig ignorieren und muss ihnen irgendwann
stattgeben. Wenn die ganze Schule mitmacht, ist das eine gute Warnung.
Wovor warnen Sie denn?
Die Umsetzung der Brennpunktzulage ist schiefgegangen. Sie wird in der
geplanten Konzeption nur an die Lernmittelbefreiung geknüpft. Schulen, die
mehr als 80 Prozent Schüler mit Lernmittelbefreiung haben, also zum
Großteil Leistungsbezug nach Hartz IV, bekommen die Zulage – alle darunter
nicht. In Neukölln heißt das: Zwei Gymnasien mit wenig Personalsorgen
bekommen sie. Die unterbesetzte Otto-Hahn-Schule jedoch nicht. Katastrophal
finde ich, dass Transferempfänger mit schwierigen Schülern gleichgesetzt
werden. Das wird der Problemlage an unserer Schule nicht gerecht und hat
Teile des Kollegiums wütend gemacht.
Warum ist eine Förderung nach einer Lernmittelquote aus Ihrer Sicht
verkehrt?
Die Linie, die gezogen wurde, ist Quatsch. Unsere Schule ist
Brennpunktschule, unsere Quote liegt aber nur bei etwa 75 Prozent. Das
liegt auch daran, dass viele Eltern kaum oder schwer zu erreichen sind und
wir nicht einmal den für die Lernmittelbefreiung erforderlichen Berlin-Pass
bekommen.
Nach welchen Kriterien sollte der Senat die jährlich 8,6 Millionen Euro
eher anlegen?
Es gäbe eine Reihe besserer Indikatoren wie zum Beispiel die Anzahl der
Gewaltvorfälle, Disziplinarmaßnahmen oder auch einfach die
Abschlussstatistiken – die liegen vor, um den tatsächlichen Bedarf zu
ermitteln. Wir hatten im letzten Schuljahr 135 Schüler in der neunten
Klasse – nur 15 davon haben ihre Berufsbildungsreife, den qualifizierten
Hauptschulabschluss, geschafft. Hier brennt es, wenn man schon bei diesem
eigentlich problematischen Begriff bleiben will.
Glauben Sie denn, dass eine Brennpunktzulage, die lediglich mehr Geld für
Lehrkräfte bedeutet, überhaupt hilft?
Quereinsteiger, Hausmeister und Sekretäre bekommen die Zulage ebenfalls
nicht – das ist alles nicht richtig durchdacht worden. An einer
Brennpunktschule sind alle Beteiligten gleichermaßen mit Problemen
konfrontiert. Vor allem aber sollten sich die Arbeitsbedingungen verbessern
– das geht mit 300 Euro mehr für Lehrer aber nur bedingt. Entscheidet sich
die Lehrkraft, ihre Stundenzahl zu reduzieren, so kann sie bei gleichem
Lohn rund drei Stunden weniger arbeiten – besser als nichts.
Was ist an Ihrer Arbeit anders als an anderen Schulen?
Viele Schüler*innen kommen aus Familien, in denen Bildung nicht
wertgeschätzt wird, müssen überhaupt erst einmal Lernen lernen. Wir sind
viel mehr damit beschäftigt, ein positives Lernklima herzustellen, als nur
Inhalte zu vermitteln.
Was würden Sie sagen, wie der Ruf ihrer Schule ist?
Wir sind nicht verschrien – so einfach ist das nicht. Viele kommen gern her
– manche mögen unsere Schule, manche nicht. Wir sind eine integrierte
Gesamtschule, haben Klassen mit 25 Schülern, davon immer auch welche mit
sonderpädagogischer Förderung –, deswegen bräuchten wir eigentlich so oft
wie möglich eine Doppelbesetzung in den Klassen. Allerdings haben wir nur
zwei Sonderpädagoginnen für 750 Schüler. Wir haben einen hohen
Migrationsanteil und zu wenige Lehrer. Es gibt auch häufiger Gewalt und
Disziplinarmaßnahmen: Kürzlich wurde eine Kollegin von einem Siebtklässler
geschlagen, weil sie ihm das Handy abnehmen wollte.
Was bedeutet es für Sie, hier zu unterrichten?
Ich arbeite gern hier. Aber oft bin ich mit der Arbeit bis in den späten
Abend beschäftigt. Wir sind ein Kollegium, das sich in den letzten fünf
Jahren sehr verändert hat, und stecken viel Energie und Freizeit in die
Entwicklung von Konzepten, die dem Bedarf unserer Schülerinnen und Schülern
gerecht werden. Es wäre schön gewesen, wenn diese Anstrengungen unterstützt
worden wären.
Und wohin wollen Sie sich jetzt bewerben?
Wir wollen uns an eins der beiden „Brennpunktgymnasien“ versetzen lassen.
Unsere Otto-Hahn-Schule galt ja mal als Brennpunktschule, nun jedoch nicht
mehr, dann könnten wir als Spezialisten ja dort am Gymnasium helfen.
5 Feb 2019
## LINKS
[1] /Berliner-Schulnotlage/!5507820
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Schule
Lehrermangel
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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