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# taz.de -- Kunstraum Hinterconti gekündigt: Die Kunst der Verdrängung
> Nach fast 20 Jahren muss der Ausstellungs- und Projektraum Hinterconti
> aus seinen Räumlichkeiten im Hamburger Karoviertel ausziehen.
Bild: Die zerrissene Kündigungs-Installation im Hinterconti
Hamburg taz | Das Papier ist in mehrere Teile zerrissen. Zusammengeschoben
liegen sie auf dem Fußboden. An der Halterung im Schaufenster hängt nur
noch ein Fetzen. Die Künstler*innen des Ausstellungs- und Projektraums
[1][Hinterconti] in der Marktstraße sind fassungslos. Ein Teil ihrer
Installation wurde zerstört. Und zwar offenbar vom Hausmeister, der angibt,
dazu vom Vermieter angestiftet worden zu sein.
Am vergangenen Freitag lud das Hinterconti zur Auftaktveranstaltung zu den
letzten 28 Tagen in seinen Räumen ein. Nach fast 20 Jahren wurde den
Künstler*innen der Mietvertrag gekündigt.
Anabela Angelovska vom Hinterconti erzählt, die Vereinsmitglieder hätten
sich seit mehr als einem Jahr um einen langfristigen Vertrag für ihre Räume
im Karolinenviertel bemüht. Und das, obwohl ihnen bereits ein Raum genommen
wurde, um ihn zu Toiletten für die benachbarte Kneipe umzubauen. Sogar eine
höhere Miete habe man bereits gezahlt. „Wir haben dem Vermieter auch
angeboten, das Mietverhältnis für die Dauer der notwendigen Sanierung zu
pausieren“, erzählt Angelovska.
Alle Angebote blieben erfolglos. Anfang Dezember vergangenen Jahres schrieb
der Vermieter: „Ihrem Wunsch nach Verlängerung des Mietverhältnisses über
den 28.02.2019 hinaus können wir leider nicht entsprechen.“ Er habe wegen
notwendiger Sanierungsarbeiten und Forderungen der Finanzbehörde „leider
keine andere Wahl“.
## Kunst gegen Verdrängung
Die Kündigung zeige, dass nicht-kommerzielle Kunstorte in zentraler Lage
verdrängt werden, sagt Angelovska. Die Künstler*innen hätten nach einer
Form gesucht, adäquat auf die Situation zu reagieren und sich entschieden,
das Kündigungsschreiben als Dokument auszustellen, das exemplarisch für
Verdrängungsmechanismen stehe. Seit vergangenem Samstag hing es in
vergrößerter Form im Schaufenster des Hinterconti. Darüber hinaus
installierten die Künstler*innen in den Räumen eine Wandzeitung mit dem
Schriftverkehr der letzten Monate mit dem Vermieter. In allen Dokumenten
wurden laut Angelovska Namen, Adressen und Telefonnummern geschwärzt.
„Die Sprache selbst zu nutzen, ist eine adäquate Form, die in der Kunst
seit den 20er-Jahren verwendet wird“, begründet sie. „Über die Sprache
manifestiert sich hier die Machtstruktur besonders stark.“ Was ihnen
widerfahren sei, sei beispielhaft für aktuelle Probleme, die viele
betreffen. Darum habe man auch niemanden an den Pranger stellen wollen und
den Namen des Vermieters unkenntlich gemacht.
Trotzdem sorgte die Installation für Ärger. Am Montagvormittag erfuhr
Angelovska, dass der Hausmeister im Hinterconti sei und die Installation
aus dem Schaufenster reiße. Als sie gemeinsam mit einem anderen Künstler
dort ankam, lag das vergrößerte Schreiben schon zerrissen und zerknüllt im
hinteren Raum, so Angelovska. Sie hätten dem Hausmeister gesagt, dass er
nicht in die Räume dürfe, ohne die Mieter*innen zuvor zu informieren und
auch nichts beschädigen solle. Der Hausmeister wiederum habe sie „bepöbelt�…
und gefragt, was das denn für eine Kunst sei. Er dürfe die Installation
entfernen.
## Künstler*innen erstatten Anzeige
Die geschwärzte Veröffentlichung des Schreibens sei im Vorfeld durch einen
Anwalt abgesichert worden, sagt Angelovska. „Wir haben die Polizei
benachrichtigt und wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung Anzeige
erstattet.“ Ein Rechtsanwalt prüfe auch, ob der Hausmeister wegen
Schadensersatz belangt werden könne.
Dieser hat laut Angelovska zugegeben im Auftrag des Vermieters gehandelt zu
haben, als die Polizei zur Aufnahme der Anzeige im Hinterconti war. Der
Vermieter habe demnach gesagt, er solle reingehen und das Schreiben
wegmachen.
Gegenüber der Polizei gab sich der Hausmeister einsichtig, wie Angelovska
sagt. Auf Anfrage der taz bestreitet der Vermieter diesen Vorwurf. Er habe
den Hausmeister nicht beauftragt, die Installation abzunehmen. Für ihn sei
das ganze Thema lächerlich und aufgebauscht.
Die Künstler*innen werden die zerteilte Installation nach eigenen Angaben
noch bis zu ihrem Auszug auf dem Boden liegen lassen. Wo sie ab kommenden
Monat arbeiten und ausstellen werden, wissen sie noch nicht. Ihnen sei von
anderen Künstler*innen viel Solidarität entgegen gebracht worden, sodass
sie eventuell in andere Räume ausweichen können.
6 Feb 2019
## LINKS
[1] http://www.hinterconti.de/blog/
## AUTOREN
Marthe Ruddat
## TAGS
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