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# taz.de -- Kunstförderung in Hamburg: Offiziell im Off
> 21 Off-Kunstorte fordern mehr Aufmerksamkeit und Geld. Auch die
> Kulturbehörde hat den Nachholbedarf erkannt und baut die Förderung aus.
Bild: „Art Off Hamburg“-Mitglieder überreichen Kultursenator Carsten Brosd…
Hamburg taz | Eine schwarz-rote Flagge fordert: „COURAGE!“. Doch neben dem
Fanal möglicher Aufstände zeigen die ausgetrunkenen Sektgläser, dass
Anspruch und Lebensfreude in der Kunst doch ganz gut zusammenpassen. Es
gibt an der Wand abstrakte Kompositionen oder Plakatentwürfe für mehr
Toleranz. Es gibt gespenstisch figürliche oder eine dystopische Zukunft
erzählende Gemälde, es finden sich Seifenskulpturen und auf einem Tisch
liegen Körperteile aus Keramik.
Zwischen den Zeichnungen und Fotos, den Videos und Installationen aller Art
taucht manchmal „Vincent“ auf, das plüschige, lebendige Maskottchen der
freien Kunstorte in Hamburg. In die Wand der Frappant-Galerie geschossen
markieren 22 Pfeile diese manchmal nur der eigenen Clique bekannten Stätten
der Kunst und des Austauschs.
Diese sogenannten Off-Orte haben seit dem Sommer vergangenen Jahres einen
neuen Anlauf genommen, stärker zusammenzuarbeiten. Sie wollen besser
sichtbar werden und mehr Wertschätzung erhalten: Aufmerksamkeit und auch
Geld. Erst einmal haben sie kurzfristig diese Gemeinschaftsausstellung in
der Viktoria-Kaserne realisiert und einen Forderungskatalog veröffentlicht.
## Unkommerzielle Kunst
Aber was ist ein Off-Ort überhaupt? Auch manche Beteiligte finden den
Begriff etwas unglücklich. Es geht um die Räume, in denen meist junge
Künstlerinnen und Künstler weitgehend unkommerziell ihre Arbeiten
präsentieren. Es sind zudem selbstbestimmte Orte der Kommunikation mit und
über Kunst, die auch weit nach Schließung der großen Häuser noch aktiv
sind.
Mit dem Projekt „Wir sind woanders“, einer Reihe gemeinsamer Symposien und
Veranstaltungen waren die freien Hamburger Kunstinitiativen und Kunsträume
schon von 2006 bis 2009 an die breitere Öffentlichkeit getreten.
Doch statt um Begeisterung für Kunst und Kommunikation, für Form gewordene
Geistesproduktion und kreativen Austausch, muss es nun ganz deutlich um ein
paar Zahlen gehen: Die Off-Orte machen geltend, eine kollektive
Kulturinstitution zu sein, die mit 44.534 Stunden freiwilliger Arbeit 1.435
Künstlerinnen und Künstler rund 97.040 Interessierten aus dem In- und
Ausland nahe gebracht hat.
## Eine „schlappe Null“ mehr
Dafür wurden sie von der Stadt nach kompliziertem, jedes Jahr neu juriertem
Schlüssel mit bisher 140.000, aktuell aufgrund von Sondermitteln mit rund
175.000 Euro gefördert. In ihrem Manifest zur aktuellen Ausstellung fordern
diese offiziell anerkannten Off-Orte nun nur eine kleine schlappe Null mehr
– aber hinten: Das wäre dann ein Plus von 1.575.000 Euro. Bei aller Liebe:
Das ist nicht durchsetzbar, selbst nicht mit Seitenblick auf die
großzügigen Fördermaßnahmen in Berlin.
Aber es ist ja nicht so, dass die Kulturbehörde nicht erkannt hat, dass bei
der Förderung bildender Künstler ein Nachbesserungsbedarf besteht.
Kultursenator Carsten Brosda sagt: „Hamburg zeichnet sich durch eine sehr
vielfältige und engagierte Freie Szene in der Bildenden Kunst aus, die wir
seit vielen Jahren unter anderem mit den Arbeitsstipendien erfolgreich
unterstützen.“
Und weiter: „Ich freue mich, dass es uns endlich gelungen ist, die
vorhandene Förderung deutlich auszubauen und neue Förderinstrumente
anzubieten. Wir werden diese Förderung auch in Zukunft im engen Austausch
mit den Künstlerinnen und Künstlern der Freien Bildenden Kunst
weiterentwickeln und an veränderte Bedingungen und Bedürfnisse anpassen.“
Der Förderbetrag für die Projekträume wurde nun, ohne auf zusätzlich
Sondermittel angewiesen zu sein, mit 200.000 Euro im Haushalt verankert.
Erstmalig seit D-Mark-Zeiten wurden auch die zehn gerade vergebenen
Hamburg-Stipendien von etwas peinlichen 820 Euro auf einigermaßen
kostendeckende 1.500 Euro angehoben. Und zusätzlich ist die Zeit-Stiftung
bereit, erst einmal für drei Jahre insgesamt 250.000 Euro für
Projektstipendien zu geben. Es sollen hieraus jährlich sieben
Projektstipendien á 10.000 Euro finanziert werden, die Ausschreibung wird
demnächst starten.
## Das Hauptproblem bleibt bestehen
Schon seit 1981 wird zudem von Künstlervertretern immer wieder gefordert,
ausstellende bildende Künstler wie Performer oder Musiker für ihre
Eventdienstleistung zu honorieren – inzwischen gibt es das beispielsweise
in den 15 kommunalen Bezirksgalerien in Berlin. Nun wird das auch in
Hamburg vorsichtig angegangen: In einem ersten Schritt wird es 2019 100.000
Euro und in 2020 200.000 Euro für Ausstellungsvergütungen geben. An dem
konkreten Verteilungsschlüssel wird derzeit gearbeitet.
Was fordert die Initiative der freien Kunstorte noch? Die Wiederbelebung
der „Woche der Bildenden Kunst“ mit einer größeren gemeinsamen
Veranstaltung der Hamburger Kunstschaffenden, eine Initiative zu mehr
Öffentlichkeitsarbeit, Gastateliers für internationalen Künstleraustausch,
einen „runden Tisch“ mit der Kulturbehörde und generell mehr
Planungssicherheit. Dass einiges an einem solchen Forderungskatalog für
freie Kunstorte ein wenig bürokratisch erscheint, ist wohl unvermeidlich,
um nicht allzu pfauenhaft zu erscheinen.
Ein Hauptproblem allerdings ist von allen Beteiligten kaum zu optimieren:
Die schwierige Situation mit geeigneten und vor allem bezahlbaren Räumen.
Aber das betrifft die kommerziellen Galerien genauso. Und derartig
kunstbegeisterte und finanziell entgegenkommende Grundstückseigner wie
beispielsweise Hans Jochen Waitz in der Admiralitätstraße sind selten. So
muss das Hinterconti in der Marktstraße zurzeit gegen seine Kündigung
kämpfen – in der Ausstellung steht trotzig ein Ofen, der mit
Vermieterschreiben beheizt wird.
Vielleicht ist Jan Holtmanns raumungebundenes Konzept doch eine Lösung
dieses Problems: Seine Noromgallery findet für die zahlreichen Formate
ihrer performativen Kunst kurzfristig jeweils andere, neue und besondere
Orte.
11 Jan 2019
## AUTOREN
hajo schiff
## TAGS
Frappant
Kunst
Förderung
Frappant
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