| # taz.de -- Nach Überfall auf „Kameraden“: Nazis setzen Kopfgeld aus | |
| > Der früheren SS-Mann Karl Münter wurde in seiner Wohnung überfallen. Nun | |
| > lobt die rechtsextreme Szene eine Belohnung für Hinweise auf die Täter | |
| > aus. | |
| Bild: Mit einer „Rattenfangprämie“ reagiert die NPD auf den Überfall eine… | |
| Hamburg taz | 4.000 Euro Belohnung für sachdienliche Hinweise: Nach einem | |
| Überfall auf den früheren SS-Mann und heutigen NPD-Anhänger Karl Münter im | |
| niedersächsischen Nordstemmen hat die rechtsextreme Szene eine Prämie | |
| ausgelobt. „Wir werten diesen Überfall als versuchten Mord und werden alle | |
| unsere Recherchemöglichkeiten aufbieten, um die entmenschten Täter ihrer | |
| gerechten Strafe zuzuführen“, schreibt der NPD Kreisverband Eichsfeld. Der | |
| „Kameradschaftsverbund Südniedersachen / Dreiländereck / NPD Eichsfeld“ u… | |
| die NPD Bayern bieten die Summe unter dem Rubrum „Rattenfangprämie“ an. | |
| In dem Aufruf, der auch in Reichsbürger-Kreisen verbreitet wird, geht die | |
| NPD davon aus, dass ihr Parteimitglied am vergangenen Donnerstag | |
| „höchstwahrscheinlich von zwei Banditen der Antifa“ in seiner Wohnung nahe | |
| Hannover überfallen worden ist. „Odin sein Dank“ sei ihr „Kamerad“ nur | |
| leicht verletzt worden. Einzelne Andenken aus dem Zweiten Weltkrieg, | |
| persönliche Unterlagen und etwa 800 Euro seien entwendet worden. | |
| Den Überfall hat Münter dem NDR bestätigt. Der 96-Jährige sagte, am 31. | |
| Januar hätten sich zwei Personen als Postboten ausgegeben und seien so in | |
| seine Wohnung gekommen. Dort hätten sie ihn dann an Küchenmöbel gefesselt. | |
| Er sei dabei leicht am Arm verletzt worden. Die Täter hätten sich Zeit | |
| gelassen, sagte er weiter. Ein Pflegedienstmitarbeiter habe ihn wenig | |
| später entdeckt und befreit. | |
| „Wir ermitteln wegen Raubes“, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft | |
| Hildesheim der taz. Auf Nachfragen, ob ein politischer Hintergrund | |
| angenommen wird, sagt sie: „Wir ermitteln in alle Richtungen.“ Zu den | |
| laufenden Ermittlungen sei „nichts mehr zu sagen“. | |
| In der rechtsextremen Szene ist der kleine Mann eine Größe – ein Zeitzeuge, | |
| der im Nationalsozialismus mordete und sich bis heute nicht schuldig fühlt. | |
| In der Nacht vom 1. auf den 2. April 1944 war der damalige | |
| SS-Unterscharführer der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ an einem | |
| Massaker beteiligt, eine Vergeltungsmaßnahme der SS. Die Einheit sollte von | |
| Belgien in die Normandie versetzt werden. Beim Transport explodierte nahe | |
| dem Dorf Ascq eine Bombe, zwei Waggons des Zugs entgleisten. Der Kommandeur | |
| des Transports ordnete an, alle Männer im Alter zwischen 17 und 50 Jahren | |
| festzunehmen. | |
| Die SS-Männer stürmten zunächst in die Häuser des nordfranzösischen Dorfes, | |
| erschossen gleich sechzehn Personen und nahmen weitere fest. Die Gefangenen | |
| mussten an den Gleisen langgehen. Siebzig von ihnen tötete die SS auf dem | |
| Fußmarsch. | |
| Fünf Jahre später verurteile das Gericht in Lille acht SS-Angehörige wegen | |
| „Kriegsverbrechen“ zum Tode. Einer von ihnen: Münter, der im | |
| Nachkriegsdeutschland unbehelligt bei der Post arbeitete. Den verurteilten | |
| Mörder schützte, dass Deutschland jede Auslieferung verweigerte – und dass | |
| in Frankreich Kriegsverbrechen nach zwanzig Jahren verjähren. | |
| Dabei bestreitet Münter die Beteiligung an dem Massaker gar nicht: Ende | |
| November vergangenen Jahres hatte Münter im ARD-Magazin „Panorama“ erklär… | |
| „Wenn ich die Männer arrestiere, dann habe ich die Verantwortung für sie. | |
| Und wenn sie weglaufen, habe ich das Recht, auf sie zu schießen.“ Wenn die | |
| Franzosen „ein reines Gewissen gehabt hätten“, fragte Münter rhetorisch, | |
| warum seien sie dann weggelaufen? | |
| Im selben Interview meinte Münter, das Deutsche Reich trage keine Schuld am | |
| Zweiten Weltkrieg. Und zum Holocaust wusste er zu sagen: „Ich habe letztens | |
| irgendwo gelesen, dass diese Zahl gar nicht stimmt, die da rausgegeben | |
| wird.“ | |
| Am 8. November 2018 war Münter gefeierter Redner auf dem Privatgrundstück | |
| des NPD-Bundesvize und Thüringischen Landeschefs Thorsten Heise in | |
| Fretterode im Landkreis Eichsfeld. An die 100 Rechtsextreme sollen ihrem | |
| Helden begeistert zugehört haben. | |
| Die NPD Eichsfeld schreibt, ein Journalist habe durch den | |
| „Panorama“-Bericht bewusst die Aufmerksamkeit auf ihren „Kameraden“ len… | |
| wollen. Ohne das auszusprechen, suggerieren sie so eine vermeintliche | |
| Verantwortung für den Überfall. | |
| 5 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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