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# taz.de -- Brexit-Krise: Was Theresa May nachverhandeln will
> Großbritanniens Premierministerin sichert sich eine Parlamentsmehrheit
> für neue Verhandlungen mit der EU über den Brexit. Worum geht es dabei?
Bild: Die Grenze ist offen, die Überwachungskamera gibt es sowieso: So soll es…
Berlin taz | Das britische Parlament hat Premierministerin Theresa May mit
einem Mandat für [1][Nachverhandlungen mit der EU über den Brexit
ausgestattet]. Nachdem die 650 Abgeordneten am 15. Januar mit 432 zu 202
Stimmen den Brexit-Deal zwischen London und Brüssel abgelehnt hatten,
stimmten sie am 29. Januar mit 317 zu 301 dafür, den Deal doch zu
unterstützen – vorbehaltlich der „Ersetzung des Nordirland-Backstops mit
alternativen Arrangements zur Vermeidung einer harten Grenze“.
Formal nahmen die Abgeordneten lediglich Mays Absichtserklärung vom 21.
Januar zur Kenntnis, dass sie weiter nach einer Mehrheit suche. Es gab aber
Zusatzanträge, um die Kenntnisnahme mit eigenen Vorstellungen dazu zu
ergänzen. Die Forderung nach Alternativen zum Backstop kam vom
konservativen Fraktionschef Graham Brady, unterstützt von May selbst, die
schon zu Beginn der Debatte ihre Intention zu Neuverhandlungen kundtat.
Dass dieser „Brady-Antrag“ durchkam, ist also auch ihr Sieg. Labour-Chef
Jeremy Corbyn hingegen scheiterte mit seinem Alternativvorschlag von
Neuverhandlungen mit dem Ziel einer Zollunion zwischen der EU und
Großbritannien.
Der Backstop ist die wichtigste Hürde für den vorliegenden Deal. Er belässt
das gesamte Vereinigten Königreich nach dem Brexit in der EU-Zollunion und
Nordirland sogar im Binnenmarkt, solange es keine andere Lösung zur
Vermeidung einer harten Grenze auf der Insel Irland gibt. Die DUP sieht
darin eine unzulässige Veränderung des Status von Nordirland,
Brexit-Hardliner sehen Großbritannien in der EU-Außenhandelspolitik
gefangen.
## So könnten Alternativen zum Backstop aussehen
Wie die Alternativen konkret aussehen könnten, wusste May auch in ihrer
parlamentarischen Fragestunde am Mittwoch auch auf eine direkte Nachfrage
des Labour-Oppositionsführers nicht genau zu sagen. Ihr Mandat für
Nachverhandlungen mit der EU beruht aber darauf, dass bereits detaillierte
Vorstellungen kursieren – insbesondere der „Malthouse Compromise“, benannt
nach dem Ergebnis von Gesprächen zwischen den verfeindeten konservativen
Lagern unter Leitung des Abgeordneten Kit Malthouse in der zweiten
Januarhälfte. May verwies unter anderem darauf in ihrer Antwort.
Die Idee ist, dass zunächst eine minimale europäisch-britische
Freihandelszone nach dem Brexit ausgehandelt wird, also zollfreier
Warenverkehr. Die soll nach Ablauf der bereits veinbarten Übergangfrist in
Kraft treten.
Zwischen Irland und Nordirland soll ein spezielles Handelsregime, das auch
unabhängig von dieser Freihsndelszone seine Gültigkeit behält, eine neue
Grenzinfrastruktur überflüssig machen. Es basiert im Wesentlichen auf
existierende EU-Systeme zur elektronischen Abwicklung von Außenhandels- und
Steuerformalitäten sowie regulatorischer Äquivalenz zwischen Großbritannien
und der EU.
Dieses Konzept hatte eine Gruppe von Politikern und Unternehmern bereits im
Dezember vorgelegt, in dem Papier [2][„A Better Deal“], das im Detail
ausführt, wie eine offene Grenze ohne Backstop aussehen könnte. Damals
wollte die britische Regierung davon nichts wissen – heute setzt sie darauf
als eine von mehreren Möglichkeiten für einen Deal ohne Backstop.
Andere Möglichkeiten wären, den existierenden Backstop zu befristen,
Kontrollen auf Waren aus Drittländern zu beschränken, oder den kleinen
Grenzverkehr – also den Güterverkehr der Nordiren und Iren selbst – von
jeglicher Bürokratie auszunehmen, wofür es bereits Regelwerke der
Welthandelsorganisation WTO gibt.
## Am Brexit-Datum rüttelt das Parlament nicht
May lässt sich wenig Zeit. Am 13. Februar bereits will sie erneut vor das
Parlament treten. Es ist keineswegs klar, dass bis dahin irgendetwas
passiert sein wird.
Da aber das Brexit-Datum 29. März unverändert gilt, ist die Zeit knapp.
Versuchen, dieses Datum aufzuweichen, erteilte das Parlament am Dienstag
eine Absage. Ein Antrag für eine zweite Volksabstimmung wurde bereits
vergangene Woche mangels Unterstützung wieder zurückgezogen. Ein Antrag der
Labour-Politikerin Yvette Cooper, der einen No-Deal-Brexit ohne
parlamentarische Zustimmung faktisch unmöglich gemacht hätte, fiel am
Dienstag mit 321 zu 298 Stimmen durch.
Der Cooper-Antrag hätte ein Gesetzgebungsverfahren gestartet, das die
Regierung verpflichtet hätte, ohne einen Deal bis 26. Februar eine
Verschiebung des Brexits bei der EU zu beantragen.
Die Parlamentarier billigten lediglich eine symbolische Erklärung, wonach
sie einen No-Deal-Brexit ablehnen. Schon dafür war die Mehrheit von 318 zu
310 Stimmen allerdings so hauchdünn, dass man in Zukunft nicht mehr wird
behaupten können, für No-Deal stehe nur eine kleine Minderheit.
30 Jan 2019
## LINKS
[1] /Brexit-Abstimmung-in-London/!5569529
[2] http://bit.ly/CompBetterDeal
## AUTOREN
Dominic Johnson
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