# taz.de -- Irische Reaktionen auf Brexit-Abstimmung: „Ein bisschen Realismus… | |
> Dublin reagiert verärgert auf die Forderung des britischen Parlaments und | |
> Theresa Mays, das Abkommen wieder aufzuschnüren | |
Bild: Irlands Premier Leo Varadkar hält am Backstop fest | |
Dublin taz | In Irland hat die Abstimmung im britischen Unterhaus vom | |
Dienstag Empörung ausgelöst. „Der Deal ist ein sorgfältig ausgehandelter | |
Kompromiss“, sagte der irische Premierminister Leo Varadkar von der | |
konservativen Partei Fine Gael. „Er kann nicht nachverhandelt werden.“ Sein | |
Stellvertreter Simon Coveney fügte hinzu, Großbritannien verlange von der | |
irischen Regierung die Zustimmung, eine „funktionierende Lösung durch | |
Wunschdenken“ zu ersetzen. Man habe zwei Jahre lang nach Alternativen für | |
den Backstop gesucht und keine gefunden. „Und jetzt tritt die britische | |
Premierministerin für dieselben Dinge ein, die wir längst verworfen haben.“ | |
Großbritanniens Parlament hatte am Tag zuvor mehrheitlich gefordert, das | |
Austrittsabkommen wieder aufzuschnüren und den sogenannten Backstop durch | |
„alternative Regelungen“ zu ersetzen. Der Backstop ist eine Art Garantie, | |
damit es zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach | |
dem Brexit bei einer offenen Grenze bleibt. Brüssel lehnt es ab, am | |
Abkommen nachzuverhandeln. | |
Ein hochrangiges Regierungsmitglied sagte dem Irish Independent: „Theresa | |
May versucht, den Deal abzufackeln, an dem wir alle zwei Jahre lang | |
gearbeitet haben. Sie hat ihre eigene Aussage konterkariert, wonach sie | |
Nordirland den Backstop schulde, weil es die einzige Möglichkeit sei, | |
Grenzanlagen zu vermeiden.“ | |
Irlands Europaministerin Helen McEntee warf Theresa May ebenfalls vor, ihre | |
Zusagen über die Auffanglösung rückgängig machen zu wollen. „Das ist | |
ärgerlich“, sagte sie, und forderte „ein bisschen Realismus“ von der | |
britischen Regierung. „Der Backstop kann nicht verändert werden. Er ist von | |
dem Vereinigten Königreich und mit dem Vereinigten Königreich ausgehandelt | |
worden.“ | |
## „Hüte dich vor dem Lächeln einer Engländerin“ | |
Die irische Regierung veröffentlichte am Mittwoch den Brief eines Wählers, | |
der einen seiner Meinung nach „weisen Rat“ von James Joyce zitierte: „Hü… | |
dich vor den Hörnern eines Stieres, den Hufen eines Pferdes und dem Lächeln | |
einer Engländerin.“ | |
In Nordirland gab es naturgemäß unterschiedliche Reaktionen auf das | |
Unterhausvotum. Die Democratic Unionist Party (DUP), die als einzige | |
nordirische Partei für den Brexit war, begrüßte das Ergebnis. Der | |
stellvertretende Parteichef Nigel Dodds sagte, die zehn | |
Unterhausabgeordneten seiner Partei „haben wieder mal den Ausschlag“ | |
gegeben. „Das ist ein bedeutsamer Abend, denn zum ersten Mal hat das | |
Unterhaus erklärt, welche Art von Deal eine Mehrheit bekommen würde“, sagte | |
er. „Wir werden mit der Premierministerin zusammenarbeiten, um das Richtige | |
für das Vereinigte Königreich zu liefern.“ | |
Seine Parteichefin Arlene Foster fügte hinzu, dass das Votum das Zeug dafür | |
hätte, die Befürworter und Gegner des Brexit im Unterhaus zu vereinen. „In | |
Anbetracht des Durcheinanders und der Verwirrung in Brüssel gibt es keinen | |
besseren Zeitpunkt, um eine Alternative zum Backstop voranzutreiben“, sagte | |
Foster. „Das sieht man sowohl anhand der widersprüchlichen Erklärungen der | |
EU, als auch anhand des panischen Gebarens der irischen Regierung.“ | |
Colum Eastwood, der Chef der nordirischen sozialdemokratischen SDLP, warf | |
der britischen Regierung hingegen Verrat vor. „London hat beschlossen, das | |
Interesse der Tories über das Interesse der Menschen in Nordirland zu | |
stellen“, sagte er. „Die Ablehnung des Backstop, des einzigen praktikablen | |
Mechanismus zur Vermeidung einer Grenze in Irland, gefährdet das Belfaster | |
Abkommen vom Karfreitag 1998. Dafür haben die Menschen in Nordirland nie | |
ihre Zustimmung gegeben.“ Die Nordiren stimmten beim Referendum über den | |
Brexit im Jahr 2016 mehrheitlich für den Verbleib in der EU. | |
## Brexit in der Sackgasse? | |
Stephen Farry von der neutralen Alliance Party sagte, das Unterhaus habe | |
den Brexit in eine Sackgasse geschickt: „Das ist ein nutzloser Sieg für die | |
Regierung. Viele Menschen sind entnervt von diesem zerrütteten Parlament, | |
das es nicht schafft, wirkliche Alternativen zu entwickeln. Einunddreißig | |
Monate nach dem Referendum gibt es immer noch kein schlüssiges Vorgehen.“ | |
30 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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