Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die EU und die Nordirlandfrage: Kompromisslos durch die Nacht
> Großbritannien will nachverhandeln. Die EU klammert sich vehement an den
> Austrittsvertrag. Der Druck auf Irland steigt.
Bild: Die Trennung ist beschlossen. Nur zu welchen Bedingungen?
Nachverhandeln? Das kommt überhaupt nicht in Frage. Den Backstop für Irland
ändern? Ausgeschlossen! Die Europäische Union hat [1][kompromisslos auf die
neuen Forderungen] aus dem britischen Unterhaus zum Brexit reagiert. Die
Fronten sind hoffnungslos verhärtet, Bewegung zeichnet sich in Brüssel
nicht ab.
Die EU klammert sich an den Austrittsvertrag, der nach fast zweijährigen
Verhandlungen im November auf einem Sondergipfel mit Premierministerin
Theresa May geschlossen worden war. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD)
betonte, dieser Vertrag sei die „beste und einzige Lösung“ für einen
geordneten EU-Austritt.
Fast wortgleich äußerte sich Chefunterhändler Michel Barnier. Die EU stehe
geschlossen hinter dem Brexit-Vertrag, sagte der Franzose. Der
Brexitbeauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, forderte die
Briten zum Einlenken auf. London komme am vereinbarten Brexit-Deal nicht
vorbei, erklärte der liberale Belgier.
Ausgesprochen verärgert reagierten deutsche Europaabgeordnete. Es sei
„unfassbar“, dass May nun an einem Vertrag rüttele, den sie selbst
ausgehandelt habe, beschwerte sich Elmar Brok (CDU). May wirke wie ein
Zauberer mit Zylinder, aber ohne Kaninchen, meinte sein grüner
Parlaments-Kollege Reinhard Bütikofer. „Sie probiert es zwei-, drei-,
viermal – es springt einfach kein Kaninchen aus dem Hut.“
## EU-Politiker hatten es mit Ködern versucht
Doch auch der EU will kein Zaubertrick gelingen. Dabei hatten es die
EU-Politiker mit einigen versteckten Ködern versucht. Wenn die Briten
endlich einmal erklären würden, was sie wollen, statt immer nur zu sagen,
was sie nicht wollen, könne man wieder ins Gespräch kommen, hieß es zuletzt
in Brüssel.
Doch nun, da May vom britischen Parlament mit einem neuen Mandat
ausgestattet wurde, den Backstop durch eine nicht näher bestimmte
Alternative zu ersetzen, ist es der EU auch nicht recht. Ratspräsident
Donald Tusk, der am Mittwochabend mit der britischen Premierministerin
telefonieren wollte, zieht sich auf ein formales Argument zurück:
Internationale Verträge könnten nicht einseitig infrage gestellt werden,
May stehe gegenüber der EU im Wort.
Allerdings hat es immer wieder Situationen gegeben, in denen die Europäer
ausgehandelte Verträge wieder „aufgemacht“ haben. Das war beim EU-Vertrag
von Lissabon so, der auf Wunsch Irlands nachträglich ergänzt wurde. Oder
auch bei den Verhandlungen mit Kanada über das Freihandelsabkommen CETA.
Damals schaffte es Maas’ Amtsvorgänger Sigmar Gabriel, den Text
substanziell zu verändern.
Auch die EU-Argumentation beim Backstop für Irland ist widersprüchlich. Der
Backstop, der eine unbefristete Anbindung Großbritanniens an die EU durch
eine Zollunion vorsieht, gilt in Brüssel als „Lebensversicherung“ gegen
eine „harte Grenze“ zwischen Irland und Nordirland. Wenn in der
inneririschen Grenze wieder Polizisten oder Soldaten aufziehen sollten,
würde dies den Frieden gefährden.
## Binnenmarkt wichtiger als Frieden
Doch eine „harte Grenze“ würde auch beim einem ungeordneten Austritt
Großbritanniens aus der EU entstehen – und ausgerechnet das EU-Mitglied
Irland müsste sie errichten. Das hat die EU-Kommission vor wenigen Tagen
klargestellt. Irland wäre nach EU-Recht verpflichtet, die neue Außengrenze
zu sichern und den Grenzverkehr zu überwachen, um den europäischen
Binnenmarkt nicht zu gefährden.
Im Ernstfall wäre der Binnenmarkt wichtiger als der Frieden – eine böse
Falle, über die man in Brüssel ungerne spricht. Doch genau diese Falle
könnte May nutzen, um die Front der 27 verbleibenden EU-Staaten zu brechen.
Sie könnte mit dem „harten Brexit“ drohen, um doch noch Zugeständnisse zu
erreichen, mutmaßen EU-Diplomaten. Über den Backstop übt sie schon jetzt
Druck auf Irland aus.
Bisher zeigt dieser Druck allerdings keine Wirkung – jedenfalls nicht in
Brüssel. „Heute sind wir alle Iren“, erklärte der belgische Außenminister
Didier Reynders vor zehn Tagen. Bisher hat sich an dieser Haltung nichts
geändert.
30 Jan 2019
## LINKS
[1] /Brexit-Abstimmung-in-London/!5569529
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Europäische Union
Nordirland
Irland
Schwerpunkt Brexit
backstop
Europäische Union
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar EU und Brexit: Was ihr (nicht) wollt
Wer nun erwartet, dass die EU Großbritannien entgegenkäme, übersieht:
Politik ist kein Wunschkonzert. Vor allem nicht in diesem Fall.
Brexit-Krise: Was Theresa May nachverhandeln will
Großbritanniens Premierministerin sichert sich eine Parlamentsmehrheit für
neue Verhandlungen mit der EU über den Brexit. Worum geht es dabei?
Kommentar Streit um Brexit-Deal: Der Ball liegt bei der EU
Das britische Parlament will den Brexit-Deal retten – wenn nachgebessert
wird. Die EU muss jetzt entscheiden: Nachverhandlungen oder No Deal?
Brexit-Abstimmung in London: May will Nachverhandlung mit der EU
Das britische Parlament stimmt gegen einen ungeregelten Brexit und verlangt
Nachverhandlungen über die Nordirland-Frage. Die EU blockt direkt ab.
Brexit-Krise in Großbritannien: Stunde der Entscheidung
Großbritanniens Premierministerin May sucht die Unterstützung des
Parlaments für Neuverhandlungen mit Brüssel. Es gibt aber auch andere
Ideen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.