# taz.de -- Regierung in Schweden: Mann der kleinen Stellschrauben | |
> Der Sozialdemokrat Stefan Löfven ist wieder Ministerpräsident. Ob er den | |
> Niedergang seiner Partei aufhalten kann, ist unklar. | |
Bild: Ein weiterer Anlauf als schwedischer Regierungschef: Stefan Löfven beim … | |
BERLIN taz | Er hat es doch geschafft. Seit Freitag ist Stefan Löfven, 61 | |
Jahre alt, [1][wieder offiziell schwedischer Ministerpräsident]. Fast vier | |
Monate lang war er nur geschäftsführend im Amt und lange sah es so aus, als | |
ob Löfvens Zeit ablaufen sei. Seine Sozialdemokratische Partei, die Grünen | |
und die Linkspartei haben im Parlament seit den Wahlen im September keine | |
Mehrheit mehr. | |
Es ist nicht ohne Ironie, dass die Sozialdemokraten in der Phase ihres | |
schleichenden Niedergangs – im September fuhren sie [2][das schlechteste | |
Ergebnis] in über 100 Jahren ein – mit ihrem Vorsitzenden Stefan Löfven | |
noch einmal ihre alten Ideale zeigen: Egalität und Chancengleichheit. | |
Löfven musste im Alter von zehn Monaten seine Mutter verlassen und kam nach | |
einer Zeit im Heim zu Adoptiveltern. „Als meine Mutter sich nicht um mich | |
kümmern konnte, sprang die Gesellschaft ein“, sagt er einmal tapfer in | |
schönstem sozialdemokratischen Sprech. | |
Ob die Mutter das freiwillig tat oder nicht, ist bis heute unklar. Dass die | |
mächtigen Sozialämter in Schweden bis in die achtziger Jahre recht schnell | |
dabei waren, vermeintlich „asozialen“ Familien das Sorgerecht zu entziehen, | |
ist im Land immer noch ein Tabu. | |
## Von Selbstzweifeln geplagt | |
Löfven arbeitete bis in die neunziger Jahre als Schweißer in einem | |
Rüstungsbetrieb. Als junger Mann plagten ihn Selbstzweifel, im | |
Bildungsapparat kam er nicht zurecht. Die Ausbildung zum Schweißer schloss | |
er wegen zu hoher Fehlzeiten nicht ab, wie schwedische Medien undementiert | |
schreiben. | |
Ein Studium an einer Sozialhochschule schmiss er nach drei Semestern hin. | |
Seinen Aufstieg schaffte er über die mächtigen Gewerkschaften, die lange | |
Zeit in Schweden in der Sozialpolitik eine Art Nebenregierung bildeten. | |
Manchmal schimmern bei Löfven noch alte Kränkungen durch, so wie vor zwei | |
Jahren, als er im Parlament dem Vorsitzenden der stockbürgerlichen | |
Moderaten Partei zurief: Ich bin ein einfacher Schweißer, aber ich kann | |
lesen. | |
Schweden ist, anders als es von außen den Anschein hat, eine | |
Klassengesellschaft, und das zeigt sich im unterschiedlichen Bild, das sich | |
die Schweden von ihrem Premier machen: Wenn der Mann mit dem Boxergesicht | |
bei Donald Trump souverän und in flüssigem Englisch eine Pressekonferenz | |
gibt, freuen sich diejenigen Landsleute, die ähnlich wie er von unten | |
kommen. Von anderen wird seine Herkunft im Internet bis heute hämisch | |
kommentiert. | |
## Fluch und Segen | |
Seine Jahre in der Gewerkschaft sind für ihn Fluch und Segen zugleich. | |
Einerseits ist er ein begnadeter Verhandler. So hat er bei der | |
Regierungsbildung per Tolerierungsabkommen zwei kleine liberale Parteien | |
auf seine Seite gezogen und ein Mitte-Rechts-Bündnis mit den | |
rechtspopulistischen Schwedendemokraten verhindert. | |
Andererseits geht ihm jedes Charisma ab. Er ist ein Mann der kleinen | |
Stellschrauben, nicht der großen Vision. Um das Bündnis zu schmieden, | |
musste er einen hohen Preis zahlen: Im Abkommen finden sich etwa im | |
Arbeits- und Mietrecht einige Zumutungen für Linke. Ob Stefan Löfven mit | |
seinem Bündnis den Niedergang der Sozialdemokraten eher beschleunigen als | |
aufhalten wird, wird sich noch zeigen. | |
18 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
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