# taz.de -- Schwedens neue Kultusministerin: Integer, kreativ und mutig | |
> Eine grüne Kultusministerin mit Dreadlocks, die Comics und Rollenspiele | |
> mag? Da fallen auch Schwedens Journalisten nur Vorurteile ein. | |
Bild: Hat in ihren bisherigen politischen Rollen höchstes Lob geerntet: Kultus… | |
Stockholm taz | Amanda Lind ist mit ihren 38 Jahren nicht nur jüngstes | |
Mitglied in Schwedens neuem rot-grünen Regierungskabinett. Sie war auch die | |
Ministerin, die gleich beim Amtsantritt am meisten Aufsehen erregte. | |
„Hurra!“, twitterte ein konservativer Parlamentsabgeordneter: „Ab sofort | |
ein Hippie, Chakra-Übungen und tonnenweise Gras im Kultusministerium.“ | |
Eine grüne Kultusministerin mit üppigen Dreadlocks, die gesteht, Cannabis | |
geraucht zu haben, und als hauptsächliche kulturelle Interessen Comics, | |
Blockflöte und LARP („Live Action Role Playing“) nennt? Da schafften es | |
nicht einmal die ansonsten so aufgeschlossenen Kulturressorts, ihre | |
Vorurteile im Zaum zu halten. Die Regierung nehme Kulturpolitik offenbar | |
nicht ernst, meinte Göteborgs-Posten. Eine „Provokation“ sieht der | |
Kulturchef von Dagens Nyheter in dieser Personalie, und seine Kollegin von | |
Svenska Dagbladet vermisst „die breite Bildung und eine intellektuelle | |
Einstellung zur Kultur“. | |
Dabei hat Lind – von Vertrauten als integer, kreativ und mutig beschrieben | |
– in ihren bisherigen politischen Rollen nur höchstes Lob geerntet. Vor dem | |
jetzigen Wechsel ins Regierungskabinett war sie drei Jahre lang | |
Generalsekretärin der Grünen, zuvor beschäftigte sie sich als | |
Kommunalpolitikerin mit Kulturfragen. Eine konservative Regionalzeitung aus | |
der Gegend ihres Wohnortes feierte sie einmal als „am hellsten leuchtenden | |
Stern der rot-grünen Allianz“ und als eine Person, „die mit beiden Beinen | |
fest auf der Erde steht“. | |
Lind lebt im nordschwedischen Härnösand. „Ich hatte mich erst in diese | |
Stadt verliebt“, erzählt die ausgebildete Diplompsychologin, „dann in | |
meinen Mann Ola.“ Mit dem Künstler und Filmemacher hat sie eine | |
Patchworkfamilie, mit zwei eigenen Kindern sowie zweien aus einer früheren | |
Verbindung ihres Mannes. | |
## Es mangelt ihr auch nicht an Sportinteresse | |
Mit 18 Jahren trat sie den Grünen bei: „Es war wegen deren | |
Dritte-Welt-Politik. Ich bin über kirchliche Aktivitäten darauf gestoßen, | |
mein Vater ist Pfarrer.“ Die Älteste von vier Geschwistern sei sie – „und | |
natürlich hatte ich die typische Rolle der großen Schwester: auf alle | |
aufpassen“. Das Interesse an Rollenspielen hätten dann ihr Bruder und | |
dessen Freunde geweckt: „Ich war am liebsten eine Wald-Elfe.“ | |
Was das Interesse an Comics angeht, ist sie nach eigenen Angaben „schlimmer | |
als meine Kinder“. Außerdem pflegt sie Nadelbinden, ein altes | |
Textilhandwerk. Und, wie es sich für eine Kultusministerin gehört, mangelt | |
es ihr auch nicht an Sportinteresse. Tennis spiele sie seit Kindesbeinen, | |
„aber am besten ist Eishockey“. | |
Im Kabinett ist Lind jetzt auch Demokratieministerin. Neben dem Einsatz für | |
einen unabhängigen, freien Journalismus will sie sich verstärkt den Rechten | |
der Samen im Norden des Landes widmen. Seit 30 Jahren schafft Stockholm es | |
nicht, die 1989 beschlossene Konvention über die Rechte indigener Völker zu | |
ratifizieren. Man darf gespannt sein, ob Lind diese Blockade nun lösen | |
kann. Die Rollenspiele haben sie womöglich bestens auf ihr neues Amt | |
vorbereitet: „Für mich haben sich damit neue Welten geöffnet.“ | |
4 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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