Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gelbwesten und Kultur in Frankreich: Kein Bedarf an Leithammeln
> Der Blick aus dem Ausland auf Frankreich trügt: Warum Edouard Louis
> keineswegs das Sprachrohr der Gelbwesten ist.
Bild: Bewegung ohne intellektuellen Sprecher: Gelbwesten in Paris
Paris taz | Seit zehn Wochen [1][demonstrieren die Gilets jaunes], ohne
dass sich in der Kraftprobe mit der Staatsmacht eine Entscheidung
abzeichnet. Die Gesellschaft ist gespalten wie eine Klassengesellschaft, in
der die Protestierenden mit ihren gelben Westen die Rolle der neuen
Proletarier oder Sansculotten übernommen haben.
Die Versuchung ist groß, diese Revolte in ein bequemes altes Schema zu
zwängen. Erklärungen in dieser Art sind jeden Tag in den französischen
Zeitungen in der Rubrik Ideen und Meinungen zu lesen, wo abseits der
Berichterstattung über die Aktualität Fachleute aller Art zu Wort kommen.
Schlagzeilen aber machen sie mit ihren meist allzu erwarteten Analysen
nicht. Auch die Fahndung nach einem Vordenker oder Drahtzieher bleibt
vergeblich.
Die Figur des engagierten Intellektuellen à la Sartre oder Bourdieu ist
Geschichte. In dieser gegenwärtigen Bewegung, die sich vehement gegen eine
als arrogant und sozial desinteressiert empfundene Elite wendet, herrscht
ganz offensichtlich kein Bedarf an solchen Leithammeln.
Ganz im Gegenteil provoziert jede Führungsgestalt, die bisher aus der Masse
hervorgeht, sofortige Reaktionen der Ablehnung. So wie die Information
horizontal in den Netzwerken zirkuliert, soll aus der Sicht der meisten
Gelbwesten wohl auch die Strukturierung ihres Kampfs gegen die da oben
bleiben.
Aus dem benachbarten Ausland betrachtet sucht man aber trotzdem zur
Erklärung des Phänomens Intellektuelle, die mit diesen Volksprotesten auf
Augenhöhe stehen. Als Emile Zola der Neuzeit wird in Deutschland
ersatzweise der gegen Homophobie und Rassismus kämpfende [2][Autor Edouard
Louis] (26) gefeiert.
Er beschreibt in seinem jetzt auch auf Deutsch erhältlichen Buch „Wer hat
meinen Vater umgebracht“, was die Gilets jaunes selber aus Angst oder Scham
nur selten von ihrer Wut über einen von Verelendung, Bevormundung und
Gewalt geprägten sozialen Alltag öffentlich sagen.
Ihn aber gleich zum „Racheengel der Armen“ zu erklären, [3][wie dies der
Spiegel macht], ist allein schon deswegen fragwürdig, weil die Gelbwesten
ja vorgemacht haben, dass sie mündig genug sind, um sich ohne Robin Hood
für ihre Rechte zu schlagen. Nicht ein Literat spricht an ihrer Stelle, es
ist die vielfältige Bewegung selber, die den sonst Sprachlosen das Wort
erteilt.
Louis bekennt auf Twitter, er habe Mühe, über die Gilets jaunes zu
schreiben. Er hat ihren Aufstand erhofft, aber so wenig vorausgesehen wie
alle anderen. Solidarisch ist er allemal: „Die Angst ist auf der Seite de
Mächtigen, das ist ein enormer Sieg“, freut er sich in einem Interview mit
republik.ch. Falls er einen Rat geben kann, dann den, dass sich die
Gelbwesten durch den Einwand, in ihren Reihen gebe es rassistische und
schwulenfeindliche Äußerungen, nicht zum Schweigen bringen lassen.
26 Jan 2019
## LINKS
[1] /Protestieren-in-Frankreich/!5563591
[2] /Franzoesischer-Autor-ueber-die-Gelbwesten/!5557499
[3] http://www.spiegel.de/plus/wer-hat-meinen-vater-umgebracht-von-edouard-loui…
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Gilets jaunes
Gelbwesten
Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Gelbwesten
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rechte Intellektuelle in Frankreich: Autoritäre Pirouetten
Was droht, wenn sich die Distanz zwischen konservativer Weltsicht und
nationalistischer Ideologie verringert? Das lässt sich in Frankreich
studieren.
„Anti-Randalierer-Gesetz“ in Frankreich: Volle Kanne gegen das Demo-Recht
Das Parlament will gegen „notorische Unruhestifter“ vorgehen und verschärft
Demoverbote. Das ist selbst in der Regierungspartei umstritten.
Gelbwesten-Proteste in Paris: Erneut Tausende gegen Macron
Mehr als 17.000 Menschen beteiligten sich in Frankreich an den Protesten.
Diesmal richteten sie sich besonders gegen Polizeigewalt.
Proteste in Frankreich: Roter Schal statt gelber Weste
Sie nennen sich Foulards rouges und stellen sich gegen die französischen
Gelbwesten. Doch links sind sie ganz und gar nicht.
Rote Schals statt Gelber Westen: Unter den Erwartungen
Eine Demo in Paris sollte sich nach Wochen der Gewalt bei
Gelbwesten-Protesten gegen Ausschreitungen richten. Es kamen ein paar
tausend Menschen.
Essay Sprache der französischen Macht: Do you speak Macron?
Die Gelbwesten-Proteste in Frankreich haben ihre Ursache auch im
Sprachgebrauch des Präsidenten. Er belehrt, ermahnt, spottet und frotzelt.
Frankreichs „Gelbwesten“ formieren sich: Eigene Liste für die Europawahl
Die französische Protestbewegung organisiert sich. Jetzt wollen die
Gelbwesten mit einer eigenen Liste bei der Parlamentswahl der Europäischen
Union antreten.
Gelbwesten in Frankreich: Protest trotz Macrons „Bürgerdialog“
Erneut demonstrieren Zehntausende gegen die Regierung Macron. Die
Demonstranten beklagen Polizeigewalt und fordern den Rücktritt des
Staatschefs.
Protestieren in Frankreich: Gelbe Weste als Risiko
Bei Aktionen der Gelbwesten kam es zu Ausschreitungen – und zu heftiger
Polizeigewalt gegen die Demonstranten. Bisher wurden 200 Klagen
eingereicht.
Offener Brief an französische Regierung: Sie treten auf der Stelle
Ein offener Brief von 250 Intellektuellen an die Regierung des
französischen Präsidenten Macron zeigt: Es gibt wenig Bewegung bei den
Gelbwesten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.