# taz.de -- Lawinengefahr in den Alpen: „Es ist gut, dass die Berge wild sind… | |
> Der Schneefall sorgt in den Alpen für Gefahren. Tiere sind angepasst, | |
> Menschen hilft Wissen. Wenn da nicht der Klimawandel wäre. | |
Bild: Sogar in sonst gesicherten Skigebieten wie auf dem Wildkogel in Österrei… | |
Berlin taz | Normalerweise wäre Rosanna Haider in diesen Tagen fast jeden | |
Tag in den Bergen unterwegs. Die 26-Jährige aus Traunstein in Oberbayern | |
ist allein in dieser Wintersaison schon 15 Skitouren gegangen. Doch der | |
Blick auf die Grafik des Lawinenwarndienstes hält sie aktuell zurück: Diese | |
leuchtet für die deutsche Alpenregion nach wie vor in Rot, es herrscht die | |
zweithöchste Gefahrenstufe. Das heißt, Lawinen können schon ohne | |
Zusatzbelastung ausgelöst werden. | |
Vor einer Woche starb ganz in der Nähe von Haiders Wohnort eine 20-Jährige | |
Skitourengeherin auf dem Teisenberg. Sie wurde von einer Lawine | |
verschüttet, die Bergwacht konnte sie nicht mehr rechtzeitig retten. Auch | |
in anderen Teilen Bayerns und in Österreich starben Menschen in | |
Schneerutschen. | |
Der entscheidende Faktor für die akute Lawinengefahr im Alpenbereich ist | |
laut Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein der starke Schneefall der | |
vergangenen Tage. „Dass in zwei Tagen zwei Meter Schnee fallen, ist | |
durchaus ungewöhnlich“, sagt er. | |
Wie viele Lawinen in diesem oder den vergangenen Jahren abgegangen sind, | |
kann weder Bucher noch der Lawinenwarndienst sagen – eine Statistik gibt es | |
nicht. Die Zahl der Lawinentoten im gesamten Alpenbereich sei aber mit | |
jährlich rund hundert Toten relativ konstant, sagt Bucher. Obwohl | |
Wintersport boome. „Das individuelle Risiko sinkt also.“ Das bedeute nicht | |
unbedingt, dass es weniger Vorfälle gebe, denn gleichzeitig seien auch die | |
Ausrüstungen und Rettungsketten besser geworden. | |
## Mehr Niederschlag im Winter | |
Auch bei steigenden Temperaturen durch den Klimawandel könnte in den Alpen | |
die Gefahr durch Lawinen in Zukunft sogar zunehmen. Bucher äußert sich dazu | |
vorsichtig: „Es gibt Plausibilitäten.“ | |
Laut Bericht des Umweltbundesamtes verschiebt sich der Niederschlag | |
zunehmend in die Wintermonate: Während die Sommer auch in den Bergen immer | |
trockener und heißer werden, verstärkt sich der Niederschlag von Dezember | |
bis März. Christoph Marty vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung im | |
Schweizer Davos bestätigt: „Die Gründe dafür liegen in der Verlagerung der | |
groß-skaligen Wettermuster.“ Während es in einem Bericht der | |
Alpenkonvention heißt, in den letzten 30 Jahren habe sich der Niederschlag | |
bereits um über 20 Prozent verschoben, spricht Marty aber lediglich von | |
einer „leichten Verschiebung.“ | |
„Große Niederschlagssummen sind typisch für zukünftige Winter“, sagt Mar… | |
Das betreffe vorwiegend höher gelegene Regionen: Weil die Temperaturen | |
steigen, wandert die Schneegrenze nach oben. Dieser Umstand müsse nicht | |
unbedingt dazu führen, dass Lawinen häufiger abgehen. Weil die | |
Niederschläge aber extremer werden, könnten sie heftiger ausfallen. | |
Doch nicht nur Neuschnee ist für Lawinen verantwortlich, sondern auch | |
andere Wetterextreme wie Stürme, betont Alpen-Experte Bucher. „Wenig Schnee | |
und viel Wind kann sogar noch gefährlicher sein.“ Eine dicke Schneedecke | |
über einer labilen Schicht könne schützend wirken. Dafür müsse es | |
Schneepausen geben, damit sich die obere Schicht mit der unteren verbinden | |
könne. „In den Tagen des starken Schneefalls hat es aber keine | |
Entspannungsphasen gegeben.“ Daher komme die aktuellen Lawinengefahr. | |
## Wo die Wildnis anfängt | |
Schutzvorkehrungen wie Frühwarnsysteme gibt es im deutschen Alpenraum laut | |
Bucher nicht, vielmehr liegt die Verantwortung auch in Zukunft bei den | |
Wintersportler*innen selbst. „Es ist gut, dass die Berge wild sind. Wenn | |
wir alle Risiken eliminieren, sind die Berge irgendwann tot.“ Der Umgang | |
mit der Lawinengefahr in der Schweiz wurde im November von der Unesco als | |
„traditionelles Wissen“ in die Liste des Welt-Kulturerbes aufgenommen. | |
Um Tiere wie Gemsen und Murmeltiere machen sich weder Bucher noch Marty | |
Sorgen – sie hätten sich an die Lawinen angepasst. Menschen, die in den | |
betroffenen Gebieten leben, werden laut Bucher von Lawinenverbauungen | |
oberhalb der Dörfer geschützt. Trotzdem sind in der Steiermark in | |
Österreich derzeit mehrere von Lawinen bedrohte Häuser evakuiert worden. | |
„Kartografen stellen sich regelmäßig die Frage: Wo sind Siedlungsgebiete | |
und wo fängt die Wildnis an? Das kann sich mit der Zeit ändern“, sagt | |
Bucher. | |
Auch Rosanna Haider bleibt in diesen Tagen lieber vorsichtig, wenn sie in | |
den Bergen unterwegs ist. „Es kann überall passieren“, sagt sie. Obwohl | |
Haider eigentlich abgelegene Skitouren bevorzugt, wagt sie sich zurzeit nur | |
auf vorbereitete Pisten. Die gelten als sicher, weil die Betreiber der | |
Skigebiete dafür zuständig sind. Eine Sonde, einen Lawinenpieper und eine | |
Schaufel trägt sie trotzdem immer bei sich. | |
12 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Jana Lapper | |
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