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# taz.de -- Schneechaos in Süddeutschland: Rhapsodie in Weiß
> Katastrophe oder, ja mei, ein Winter eben. Seit Sonntag versinkt Bayern
> im Schnee. Die Schule fällt aus und die Räumdienste sind in Hochbetrieb.
Bild: Schleichweg: Der Landkreis Miesbach hat wegen dem Schnee Katastrophenalar…
München taz | Der Abschied von der [1][CSU-Klausurtagung in Kloster Seeon]
fiel dann doch einigen der Teilnehmer und auch uns Beobachtern ganz schön
schwer. Nicht psychisch, da war die Angelegenheit durchaus zu bewältigen.
Aber das eigene Auto von den Schneemassen zu befreien und auf rutschigen
Landstraßen durchs Schneegestöber in Richtung Autobahn zu bewegen war am
Samstag sicher eine der größeren Herausforderungen. Und das war nur der
Anfang.
Denn schon einen Tag später wären wir wohl in dem hübschen Kloster in
Chiemseenähe festgesessen. So schaffte ich es gerade noch, vor Einbruch der
Dunkelheit unfallfrei heimzukommen. Heim, das heißt in meinem Fall nach
Schliersee – und mitten hinein in das, was keine zwei Tage später zum
Katastrophengebiet erklärt werden sollte.
Gewiss, ein großes Wort ist das, schnell assoziiert man da die wirklich
katastrophalen Katastrophen: Erdbeben, Hurrikans, Waldbrände, die ganze
Landstriche zerstören. Wenn mein Landratsamt in Miesbach den
Katastrophenfall ausruft, hat das mit mehr Schneeräumen und schulfrei zu
tun. Die Formalie sei aber notwendig, um die Einsatzkräfte besser zu
koordinieren, heißt es. Also auch Prioritäten setzen. Denn gerade die
Winterdienste tun ihr Bestes – und kommen doch nicht hinterher. Seit
Sonntag schneit es und schneit es. Und schneit es.
Seither werden die Straßen immer enger. An sich zweispurige Straßen werden
einspurig, mit Mühe rutscht man an den wenigen Stellen, wo es geht,
aneinander vorbei. Überall sind Menschen mit Schaufeln zugange. Die Kunst
des Schneeschaufelns ist es dabei, gerade in engen Sträßchen, überhaupt
noch einen Platz zu finden, wo man die nächste Schippe Schnee abladen kann.
Die weißen Wände werden immer höher, die Metapher der Sisyphusarbeit wird
immer realer: Hat man gerade wieder etwas Schnee nach oben auf den Berg
bugsiert, rieselt er leise wieder auf die Straße herunter. Selig, wer eine
Schneefräse hat.
Wohlgemerkt: Wir reden nicht von locker-luftigem Pulverschnee, der das Land
mit Zuckerwatte überzieht. Nein, wir reden von einem schwerem, nassen
Schneeteppich, der das Land unter sich begräbt. Nun ja, ein bisschen Pathos
muss auch bei kleinen Katastrophen erlaubt sein. Natürlich ist Schnee in
Wirklichkeit ein grundsympathischer Aggregatzustand des Wassers, schafft er
doch freundliche Helligkeit ins Dunkel des Winters, und so haben
taz-Kollegen in Berlin auch mein volles Verständnis, wenn sie euphorisiert
kleine Videos twittern, sobald vor dem Fenster ein paar Schneeflocken
herabfallen. Sieht ja auch hübsch aus. Aber: Alles in Maßen!
## Kurze Verschnaufpause
Am Dienstag gab es mal eine längere Schneepause, doch die reichte
allenfalls zum Verschnaufen, nicht dazu, des Schneechaos Herr zu werden.
Gerade im bayerischen Oberland sind die Folgen besonders heftig zu spüren:
Die Bayerische Oberlandbahn (BOB), die uns in den Landkreisen Miesbach und
Bad Tölz mit München verbinden soll, stellte den Betrieb zum Teil ganz ein,
zwischen Schliersee und dem schon im Münchner Umland gelegenen Holzkirchen
fährt am Mittwoch noch immer kein Zug.
Und dann all die Kinder, die bespaßt werden wollen, nachdem ihre Eltern die
Weihnachtsferien seit Montag eigentlich zu Ende wähnten. Jetzt haben
mehrere Landkreise wie Miesbach den Kindern die ganze Woche schneefrei
gegeben, andere zumindest an einzelnen Tagen. Ansonsten gibt es jede Menge
Unfälle, quergestellte Lastwagen, es gilt die zweithöchste
Lawinenwarnstufe.
Schliersee ist ein besonders schöner Fleck im Voralpenland, sommers wie
winters. Wohnen, wo andere Urlaub machen, werben die Makler, es lebt sich
wie in einer Ansichtskarte. Wer will schon von hier weg, fragen die Leute.
Und recht haben sie ja. Bloß: Wenn man dann gar nicht mehr wegkann, fühlt
sich das für den freiheitsliebenden Menschen auch nicht mehr so gut an.
„Wo musst du denn hin?“, fragt mich meine Nachbarin, als sie mich in der
Früh in das frei geschaufelte Auto steigen sieht. Ich sage, dass ich in
München einen Termin habe. „Keine gute Idee“, meint sie nur. Natürlich hat
sie recht, und natürlich mache ich mich unbeeindruckt trotzdem auf den Weg.
Wäre doch gelacht. Ich komme zehn Kilometer weit. Erst als ich die Lkws vor
mir durch den dichten Schneefall kaum noch erahnen kann, entschließe ich
mich umzudrehen. Immerhin schaffe ich es bis nach Hause – wenn nun auch
etwas kleinlaut und die letzten fünfzig Meter nur mithilfe eines lieben
Nachbarn, der mir hilft, notdürftig viel zu große Schneeketten anzulegen.
Andernorts sind sie dafür wirklich eingeschlossen. Die Staatsstraße etwa,
die die Gemeinde Jachenau im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit der
übrigen Welt verbindet, ist, weil Bäume auf die Straße gefallen sind, wohl
noch bis Freitag gesperrt. Über eine Forststraße versucht man nun, die
Menschen mit geländetauglichen Fahrzeugen mit Lebensmitteln zu versorgen.
Ähnlich geht es rund 350 Menschen im Berchtesgadener Ortsteil Buchenhöhe.
„Benjamin“ nennt sich das Sturmtief, das aktuell durch das Land zieht. Doch
mit ihm, so der Deutsche Wetterdienst, hat es sich noch lange nicht. Noch
bis Mitte nächster Woche müsse man mit heftigen Schneefällen rechnen, heißt
es. Von bis zu 130 Zentimetern ist die Rede.
Im Radio höre ich meinen Bürgermeister. Franz Schnitzenbaumer heißt er. Er
gibt sich betont gelassen. Auch im zu Schliersee gehörigen Skigebiet
Spitzingsee sei auf den freigegebenen Pisten das Skifahren möglich. Und
wenn es doch zu Lawinengefahr komme, mei, dann müsse man halt sprengen. Und
dann verweist er noch auf früher und sagt das, was hier viele der
Alteingesessenen immer wieder erzählen: Ja, früher, da habe es hier ganz
andere Winter gegeben.
9 Jan 2019
## LINKS
[1] /CSU-Klausur-in-Kloster-Seeon/!5562905
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Schnee
Winter
Süddeutschland
Lawine
Bahn
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Bayern
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