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# taz.de -- Transplantation für Schwerkranke: Zahl der Organspenden ist gestie…
> Nach einem Tiefpunkt 2017 ist im letzten Jahr die Zahl der
> Organspender*innen gestiegen. Neue Regelungen sollen die Situation weiter
> verbessern.
Bild: Vielleicht bald eine veraltete Lösung: der Organspendeausweis
Berlin taz | Die Deutsche Stiftung für Organtransplation (DSO) hat am
Freitag neue Zahlen zu Spender*innen und gespendeten Organen für das Jahr
2018 vorgelegt. Bundesweit haben demnach 955 Menschen nach ihrem Tod ihre
Organe für schwerkranke Menschen gespendet. 2017 waren es 797 Spender*innen
– Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) [1][nannte dies einen „Tiefstand“].
Im Vergleich bedeutet das eine Steigerung von knapp 20 Prozent. 3.113
Organe konnten von diesen Spender*innen durch die internationale
Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) erfolgreich an die Patient*innen auf
den Wartelisten zur Organtransplantation vermittelt werden, 519 mehr als im
Jahr 2017. Am häufigsten transplantiert wurden Nieren – 1.607 an der Zahl
–, gefolgt von 779 Lebern. Die DSO koordiniert jede Organspende in
Deutschland.
In einem Statement, das die Pressestelle des Gesundheitsministeriums der
taz auf Anfrage schickte, freut sich Minister Spahn: „Endlich gibt es
wieder mehr Organspender. Unsere Kampagnen zeigen Wirkung.“ Er verweist
aber auch darauf, dass die steigenden Zahlen zwar gut, aber nicht gut genug
seien.
Denn: In Deutschland gibt es zu wenig Spender*innenorgane für schwerkranke
Menschen, noch immer stehen rund 9.400 von ihnen auf Wartelisten. Der
Bundestag will deswegen in diesem Jahr die Regel für Spender*innen ändern.
Bisher lautet die so: Wer im Falle des eigenen Todes seine/ihre
funktionstüchtigen Organe spenden möchte, teilt diese Entscheidung nicht
nur den Angehörigen mit, sondern besorgt sich auch einen
Organspendeausweis.
## Widerspruch statt Entscheidung
Auf dem wird angekreuzt, ob und welche Organe man spenden, beziehungsweise
welche man nicht spenden möchte. Auf dem Ausweis kann auch angegeben
werden, dass man der Entnahme von Organen oder Gewebe widerspricht oder
dass eine andere Person darüber entscheiden soll. Der Ausweis dient also
dazu, die eigene Einstellung zur Organ- und Gewebespende zu dokumentieren
und sollte immer bei sich getragen werden.
Diese Entscheidungslösung ist recht frei. Da nirgendwo registriert wird, ob
jemand spenden möchte oder nicht, kann die Entscheidung jederzeit überdacht
und der Ausweis erneuert werden. Sie ist gleichzeitig aber auch so wenig
verbindlich, dass viele sich eben gar nicht entscheiden.
Gesundheitsminister Spahn [2][will das ändern].
Künftig soll widersprechen müssen, wer die eigenen Organe nicht
bereitstellen möchte. Diesen Vorstoß machte der Minister im Herbst letzten
Jahres. Seine sogenannte [3][„Widerspruchslösung“ ist eine doppelte]. Man
kann Menschen im Falle eines Hirntods automatisch Organe entnehmen – außer
eben, sie haben aktiv dagegen gestimmt. Zum anderen sollen die Angehörigen
der Entnahme aktiv widersprechen.
Organspende ist, immerhin geht es dabei um nichts geringeres als die Frage
um Leben und Tod, ein umstrittenes, ein emotionales Thema. Die Diskussion
findet zwischen den Polen „Die Spende ist ein Akt der Hilfsbereitschaft,
der in vielen Fällen leben rettet“ und „Im Kapitalismus wird alles zu Geld
und aus dem Menschen ein Ersatzteillager“ statt. Dazu kommen [4][Skandale
um die Manipulation der Wartelisten], Glaubensaspekte und der Zweifel
daran, dass ein Mensch, nur weil seine Hirnfunktion ausgefallen ist,
[5][wie tot behandelt] und seine Organe entnommen werden sollen.
## Bessere Strukturen
Es ist nur logisch, dass auch der Vorschlag der Widerspruchslösung
polarisiert. Immerhin kommt zu der schwerwiegenden Frage nach Leben und Tod
auch noch die nach der Freiheit des Willens. Denn wenn nichts sagen „Ja“
bedeutet – wie kann sichergestellt werden, dass die Person diese
Entscheidung bewusst getroffen hat und nicht etwa schlecht informiert war,
das Widersprechen vergessen hat oder nicht rechtzeitig dazu gekommen ist?
Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, nannte den
Vorschlag eine drohende „Organabgabepflicht“. Und der Vorstand der
Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte vor einer
„Vertrauenskrise“. Beides [6][berichtete die taz]. [7][In einer Rede im
November] ging Spahn darauf ein, sagte: „Es ist keine Organabgabepflicht,
und ich fände es fair, wenn das in der Debatte auch nicht immer wieder
behauptet würde.“ Und weiter: „Etwas, wozu man konsequenzlos Nein sagen
kann, ist keine Pflicht. Es wäre lediglich eine Pflicht zum aktiven
Freiheitsgebrauch, es wäre eine Pflicht, sich Gedanken zu machen.“
Die Ideen des Gesundheitsministeriums für die Verbesserung der Situation
gehen aber über diese Widerspruchslösung hinaus. So verabschiedete Spahn
ebenfalls im vergangenen Herbst den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Transplantationsgesetzes: „Verbesserung der Zusammenarbeit und
der Strukturen bei der Organspende“ ([8][GZSO]).
## Größeres Problem als Spendenbereitschaft
„Das Hauptproblem bei der Organspende ist nich die Spendebereitschaft“,
sagte er dazu. „Ein entscheidender Schlüssel liegt vielmehr in den
Kliniken. Ihnen fehlen häufig Zeit und Geld, um mögliche Organspender zu
identifizieren.“ Nach dem Gesetz soll genau daran gearbeitet werden. Der
Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation Axel Rahmel hat
deswegen große Hoffnung.
Das Gesetz stärke die Position der Transplantationsbeauftragten in den
Kliniken, verpflichte durch ein flächendeckendes Berichtssystem bei der
Spendererkennung und Meldung zu mehr Qualität und Verbindlichkeit,
verankere erstmals die Angehörigenbetreuung im Gesetz und sorge für eine
bessere und aufwandsgerechte Finanzierung der Kliniken für die Organspende,
schrieb Rahmel in einer Pressemitteilung. Das GZSO soll in der ersten
Jahreshälfte 2019 in Kraft treten. Für die Menschen auf den Wartelisten
bedeuten dies und die aktuellen Zahlen Hoffnung darauf, ein passendes
Spendeorgan zu finden.
11 Jan 2019
## LINKS
[1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/reden/organspende-debatt…
[2] /Widerspruchsloesung-fuer-Organspender/!5536320
[3] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/reden/organspende-debatt…
[4] /Manipulationen-bei-der-Organverteilung/!5247584
[5] /Essay-Organspende/!5552042
[6] /Widerspruchsloesung-fuer-Organspender/!5536320
[7] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/reden/organspende-debatt…
[8] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/gzso.html
## AUTOREN
Maike Brülls
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