# taz.de -- Ex-Fußballprofi über Transplantation: „Ich kann nicht so tun, a… | |
> Ivan Klasnić hat drei Nierentransplantationen hinter sich. Der | |
> Ex-Profi-Fußballer über das Versagen der Vereinsärzte, Leben mit | |
> Transplantat und seine Heimat Kroatien. | |
Bild: Ivan Klasnić: Glaube an Gott half ihm durch die schwere Zeit nach den Tr… | |
taz: Herr Klasnić , wie geht es Ihnen heute – ein Jahr nach Ihrer dritten | |
Nierentransplantation? | |
Ivan Klasnić: Gut. Zum Glück muss ich ja fast schon sagen. | |
Haben Sie vor der diagnostizierten Funktionsschwäche Ihrer Niere anders | |
über die Beantwortung solcher Fragen nachgedacht? | |
Ja, klar. Auch wenn man das erst nicht wahrhaben will, ist man ja immer | |
noch krank und kann nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen – das | |
schlägt sich auch auf die Antwort nieder. Man ist einer der Kranken, die | |
mit Glück ein Organ bekommen haben und damit muss man einfach lernen | |
umzugehen. | |
Wie haben Sie von der Funktionsschwäche Ihrer Nieren erfahren? | |
Ich habe nach einer Blinddarm-Operation im Jahr 2005 von den Ärzten im | |
Krankenhaus erfahren, dass ich eine sogenannte Niereninsuffizienz habe. Die | |
Vereinsärzte von Werder Bremen … | |
Jenem Club, für den Sie von 2001 bis 2008 Fußball gespielt haben … | |
… hatten das offenbar nicht erkannt und die Behandlung mit Medikamenten | |
falsch weitergeführt. Ich habe Schmerzmittel bekommen, die schädlich für | |
die Nieren waren und die Insuffizienz weiter verschlimmert haben. | |
[1][Sie liegen jetzt seit fast zehn Jahren im Rechtsstreit mit den Ärzten | |
von Werder Bremen]. Wie geht es da weiter? | |
Ich sage deutlich, dass die Vereinsärzte damals grobe Fehler begangen | |
haben, die sie bis heute nicht zugeben möchten. Im ersten Urteil habe ich | |
durch das Bremer Landesgericht im vergangenen Jahr Recht und Schadensersatz | |
zugesprochen bekommen, weil die Niereninsuffizienz schon seit 2001 bekannt | |
war, wie ein Gutachten belegt. Die Nierenwerte waren damals schon dermaßen | |
erhöht, dass es den Vereinsärzten hätte auffallen müssen. Jetzt muss noch | |
geprüft werden, wie hoch das Verschulden der Vereinsärzte tatsächlich war. | |
Sind Sie wütend auf die Vereinsärzte, dass sie die Insuffizienz nicht | |
frühzeitig erkannt haben? | |
Es sind jetzt so viele Jahre vergangen, dass ich mich nicht mehr frage, was | |
gewesen sein könnte. Trotzdem habe ich mich oft gefragt, warum es gerade | |
mir passiert. Ich kann nur noch darauf hoffen, dass die Richterinnen und | |
Richter einen Weg finden werden, um damit endlich abschließen zu können. | |
Dass ich jeden Tag Tabletten nehmen muss, erinnert mich natürlich immer | |
wieder daran, dass ich immer noch krank bin. Als Wut würde ich das aber | |
nicht bezeichnen. | |
Sie hatten in den vergangenen zehn Jahren drei Nierentransplantationen. | |
Sind Sie heute im Alltag eingeschränkt? | |
Nicht, wenn ich meine Medikamente ordentlich nehme. Vorhin habe ich meine | |
Tochter in die Schule gebracht und nachher gehe ich noch zum Training. Das | |
Leben ist wieder normaler geworden. Ich spiele privat noch Fußball, esse | |
und trinke die Dinge, die ich mag. Während der Dialyse war das natürlich | |
anders. | |
Wie sah denn dieser Alltag mit Dialyse aus? | |
Ich musste die Mengen der einzunehmenden Flüssigkeiten stark überwachen. | |
Und auch stärker auf die Ernährung achten. Ich musste drei Mal in der Woche | |
für fünf Stunden zur Dialyse. Das schränkt natürlich das eigene Leben und | |
auch das der gesamten Familie ein. | |
Gab es auch depressive Phasen? | |
Ich habe immer darauf geachtet, auch während der Dialysen, dass ich genug | |
Action um mich herum habe, um nicht in eine depressive Phase zu kommen. | |
Denn letztendlich geht es auch darum, Spaß im Leben zu haben. Man muss halt | |
immer auf seine Grenzen achten und es sich beispielsweise während der | |
Dialysen gemütlich machen. Wenn ich müde war, schlief ich, wenn ich Lust | |
auf einen Film hatte, schaute ich den währenddessen. Es geht auch um eine | |
angenehme Umgebung, die man sich selber schaffen kann. | |
Ihre Eltern sind auch Ihre Spender, wie lief das ab? | |
Meine Mutter hat 2007 eine ihrer Nieren gespendet, das schlug leider fehl. | |
Mein Vater hat acht Wochen später eine seiner Nieren gespendet, die auch | |
fast zehn Jahre funktioniert hat. Leider versagte 2016 dieses Organ auch – | |
ich musste dann wieder auf die Warteliste. | |
Was mussten Ihre Eltern tun, damit sie Ihnen jeweils eine ihrer Nieren | |
spenden durften? | |
Bei Verwandten ist es so, dass sie gefragt werden, ob sie spenden möchten. | |
Danach werden Kreuzproben des Blutes erstellt und geschaut, ob sie passende | |
Spender und gesund sind. Am Ende entscheidet ein Gremium darüber, ob eine | |
Spende in Ordnung ist und stellt sicher, dass beispielsweise dafür kein | |
Geld genommen wurde. Das ist ein Verfahren, das nicht von heute auf morgen | |
geht, man braucht schon Geduld. | |
Die dritte Niere haben Sie im vergangenen Jahr in Ihrem Heimatland Kroatien | |
bekommen – warum Kroatien? | |
Weil die Chance, eine Niere zu bekommen, in Kroatien höher ist als in | |
Deutschland. Das liegt daran, dass es zum einen in Kroatien viel weniger | |
Menschen gibt und der Anteil der Organspender prozentual höher ist als in | |
Deutschland. Zum anderen liegt es auch daran, dass in Kroatien die | |
Widerspruchslösung gilt und somit erst mal jeder Organspender oder | |
Organspenderin ist, solange er oder sie nicht explizit einer Organentnahme | |
widerspricht. | |
Sollte das in Deutschland auch so geregelt werden? | |
Ja, das wäre ein Fortschritt. Die Leute müssten sich bei der | |
Widerspruchslösung aktiv mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Das | |
sind so Dinge, die im Leben geklärt werden sollten. Ich habe gehört, dass | |
in den Vereinigten Staaten auch im Führerschein steht, ob jemand | |
Organspender ist oder nicht. So etwas wünsche ich mir auch für Deutschland. | |
Als großes und mächtiges Land in Europa. Letztendlich muss sich aber jeder | |
fragen, ob er oder sie in einem Notfall darauf vertrauen kann, dass einem | |
geholfen wird. | |
Sie sprechen offen über Ihre Geschichte.Versuchen Sie auf diese Weise, | |
andere dazu zu bringen, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen? | |
Ja, denn jeder könnte irgendwann ein Organ brauchen und sollte dann nicht | |
sterben müssen, nur weil es zu wenig Organspender gibt. Die Leute müssen | |
sich mit dem Thema beschäftigen. In Deutschland leben über 80 Millionen | |
Menschen, da sollte es keinen Mangel an lebenswichtigen Organen geben. | |
Was bedeuten Ihnen Ihre kroatischen Wurzeln? | |
Ich bin zwar in Hamburg geboren und auch hier zur Schule gegangen. Die | |
Mentalität hat mich in Deutschland schon geprägt. Ich war in Kroatien nie | |
in der Schule und ich habe nie länger in Kroatien gelebt. Aber ich habe den | |
kroatischen Pass, weil ich für mich entschieden habe, dass ich keinen | |
deutschen Pass brauche. Ich wollte die doppelte Staatsbürgerschaft haben, | |
aber das durfte ich nicht. Und weil Kroatien jetzt in der Europäischen | |
Union ist, will ich den Pass auch nicht abgeben, weil ich einfach daran | |
hänge. | |
Sie haben ja auch für die kroatische Nationalmannschaft gespielt. | |
Genau. Ich wollte auch nicht in die deutsche Nationalmannschaft, weil ich | |
mich als Kroate fühle. | |
Die Kroaten haben bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland auch | |
beeindruckend gespielt und sind Vize-Weltmeister geworden. | |
Was sie geleistet haben, war überragend. Ich habe mit vielen aus der | |
Mannschaft selber noch gespielt und wäre sehr gerne dabei gewesen. Aber ich | |
habe jedes Spiel gesehen und immer die Daumen gedrückt. Dass sie es ins | |
Finale geschafft haben, hat mich einfach nur sprachlos gemacht. | |
Wie waren Ihre Anfänge als Profi-Fußballer? | |
Mit 17 Jahren habe ich meinen ersten Amateurvertrag beim FC St. Pauli | |
bekommen. Dort durfte ich mit den Profis trainieren, obwohl ich zur selben | |
Zeit in der A-Jugend bei den Amateuren gespielt habe. In diesem Alter habe | |
ich dann meinen Fokus auf das Training und die Schule gelegt. Und danach | |
ging alles seinen Lauf. | |
Sie haben als erster Profi-Fußballer mit einem transplantieren Organ | |
gespielt. Wie haben Sie das geschafft? | |
Das war erst mal ein sehr harter Weg, mit einem Jahr intensivem | |
Aufbautraining, bevor ich wieder normal Fußball spielen durfte. Das war ein | |
Jahr voller Qualen. Nach der Transplantation der Niere meines Vaters habe | |
ich noch für Werder Bremen gespielt und bin dann mit Zwischenstopp in | |
Frankreich beim FC Nantes und in England bei den Bolton Wanderers zu Mainz | |
05 gegangen. | |
Warum Mainz 05? | |
Weil ich nach Deutschland zurück wollte, um bei meiner Tochter zu sein. | |
Mainz wollte mich auch in dieser Zeit unbedingt haben und deswegen bin ich | |
gerne wieder nach Deutschland zurückgekehrt. | |
Ihre intensivste Zeit als Fußball-Profi hatten Sie aber bei Werder Bremen, | |
oder? | |
Ja. Meine größten Erfolge habe ich mit diesem Verein gefeiert. Ich fahre | |
auch noch häufig nach Bremen und spiele auch dieses Jahr in der | |
Traditionsmannschaft mit. Ich habe auch gerne für Werder gespielt. Im | |
Gegensatz zum FC Bayern oder dem FC Schalke ist Werder ja ein kleiner | |
Verein und es war trotz allem, was passiert ist, eine tolle Zeit. | |
Wie gehen Sie mit dem Gedanken an den Tod um? | |
Natürlich denkt man darüber nach. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich | |
sterben könnte. Und den Glauben an Gott hatte ich schon immer, und der half | |
mir auch während dieser schwierigen Zeit. | |
6 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Yasemin Fusco | |
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