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# taz.de -- Klasnic enthüllt Schmerzmittel-Missbrauch: Fußball-Profi mit Maul…
> Werder-Stürmer Ivan Klasnic erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen
> Arbeitgeber und enthüllt ganz nebenbei den flächendeckenden Missbrauch
> von Schmerzmitteln im Profifußball.
Bild: "Schmerztabletten werden wie Smarties eingeworfen": Werder-Profi Ivan Kla…
Werder Bremen gilt als Vorzeige-Klub in der Bundesliga. Wirtschaftlich
solide geführt spielt man attraktiven Fußball und hat auch noch Erfolg
damit. So jedenfalls das Bild, das die Verantwortlichen geschickt errichtet
haben. Doch nun ist die vermeintlich heile Werder-Welt in ihren Grundfesten
bedroht. Der Grund heißt Ivan Klasnic und ist Fußball-Profi. Der Einzige
mit einer Spenderniere.
Klasnic und vor allem dessen Ehefrau Patricia haben Breitseiten gegen die
ach so harmonische grün-weiße Familie abgefeuert. Ihre Behauptung: "Werder
hat meinen Mann krank gemacht." Und in der populären ARD-Sendung bei
Reinhold Beckmann betonte sie: "Ich bin froh, dass ich jetzt einmal frei
reden kann, nachdem mir von der Geschäftsleitung ein Maulkorb verpasst
wurde."
Gestern verhandelten Klasnic und seine Anwälte stundenlang in der
Werder-Geschäftsstelle mit Manager Klaus Allofs und Trainer Thomas Schaaf.
Das Ergebnis war einigermaßen überraschend: Der Verein verzichtet auf
Sanktionen, der kritische Profi bleibt bis zum Saisonende. Man will sogar
weiter über eine Verlängerung sprechen.
Die allerdings dürfte Utopie bleiben. An der Seite des Hamburger
Medizinrechtlers Matthias Teichner, der eine 21-seitige Klageschrift über
einen Streitwert von 1,5 Millionen Euro beim Landgericht Bremen eingereicht
hat, hatten Klasnic und seine Frau tags zuvor vor TV-Publikum dargelegt,
wie schlecht die medizinische Betreuung durch den Mannschaftsarzt Dr. Götz
Dimanski und die ihm unterstellte Kardiologin Manju Guha gewesen sein soll.
"Mein Ivan hätte tot sein können", behauptete die Ehefrau des 28-jährigen
Stürmers, der seit März 2007 mit einer erst im zweiten Versuch erfolgreich
verpflanzten Spenderniere seines Vaters Ivan lebt. "Ich werfe den Ärzten
vor, dass Ivan Klasnic zu keinem Zeitpunkt richtig behandelt worden ist",
sagt Rechtsbeistand Teichner. "Ich bearbeite 100 Fälle im Jahr - dies ist
einer der fünf, die mich sprachlos machen."
Auch weil medizinisch fragwürdige Machenschaften ans Licht kommen? Denn
offenbar ist der Abnutzungskampf auf höchstem Niveau nur noch mit
Schmerzmittel zu ertragen. Denn wie der von Teichner beauftragte Gutachter
Ulrich Kunzendorf, Experte für Nierenerkrankungen an der Uniklinik
Schleswig-Holstein, deutlich macht, ist der offenbar bereits seit 2001 an
einer Nierenerkrankung leidende kroatische Nationalspieler in Bremen
systematisch wie fahrlässig mit Schmerzmitteln versorgt worden. "Ich habe
die Tabletten als junger Spieler immer genommen - ich wollte ja spielen",
erklärte Klasnic, während Ehefrau Patricia die Gewohnheiten noch
drastischer beschrieb: "Das gehörte wie Wassertrinken dazu. Hätte ich das
gewusst, wäre ich eingeschritten."
So schnellte der Kreatinin-Wert - ein Maß für die Nierenfunktion - bei
Klasnic alarmierend in die Höhe, ehe die Niere Ende 2006 ganz versagte.
Denn das etwa in Voltaren enthaltene Diclofenac, zur Gruppe der nicht
steroidalen Antirheumatika zählend, das bei Entzündungen und Schwellungen
extrem schnell hilft, hat eben auch eine nierenschädigende Nebenwirkung.
"Der Beipackzettel ist ziemlich lang. Diclofenac ist ein gut wirksames
Medikament mit entsprechend vielen Nebenwirkungen", warnt Ingo Tusk,
Mannschaftsarzt von Kickers Offenbach und zugleich Vizepräsident der
deutschen Sportärztevereinigung. Auch der angesehene Sportmediziner
Professor Wilfried Kindermann benennt das Problem: "Die Schmerztabletten
werden wie Smarties eingeworfen. Oft in einer Selbstmedikation ohne
Verantwortung für sich selbst. Das ist in allen Sportarten weit
verbreitet."
Eine Erkenntnis, die unlängst auch der Weltfußballverband in einer Studie
öffentlich machte: Demnach sind bei den WM-Turnieren 2002 und 2006 die
Teamärzte über die "nicht verschreibungspflichtigen Supplemente" wie
Vitamine, Proteine, Nahrungsergänzungs- und eben auch Schmerzmittel befragt
worden. Das Ergebnis war erschütternd: Jeder zehnte Spieler nahm
Schmerzmittel vor jedem Match, 20 Prozent bei zwei von drei Spielen, die
Hälfte mindestens einmal während des Turniers. "Die schlucken Voltaren und
Aspirin in ungeheuren Mengen, auch ohne medizinische Indikation. Das macht
uns Sorgen", klagte unlängst Professor Toni Graf-Baumann, Mitglied der
medizinischen Kommission der Fifa. "Die letzten DFB-Studien stammen aus dem
Jahr 2000. Da sind rund 20 bis 30 Prozent der Spieler mit Schmerzmitteln
versorgt worden. Das geht aus den Medikationslisten hervor, die vor
Dopingkontrollen erstellt werden", erklärt Mario Thevis, Biochemiker an der
Kölner Sporthochschule.
30 Apr 2008
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Transplantation
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