Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Internationaler Strafgerichtshof: Freispruch für Laurent Gbagbo
> Die Den Haager Richter urteilen zugunsten des Expräsidenten der
> Elfenbeinküste. Wieder ist eine hochkarätige Anklage geplatzt.
Bild: „Gbagbo für immer oder gar nichts“: Jubel in Abidjans Viertel Yopoug…
Berlin taz | Erneut endet ein hochkarätiger Prozess vor dem Internationalen
Straftgerichtshof mit einem Freispruch. Die Erste Kammer des Den Haager
Gerichts sprach am Mittwoch [1][den ehemaligen Präsidenten der
Elfenbeinküste Laurent Gbagbo] und seinen ehemaligen Jugendmilizenführer
Charles Blé Goudé von allen Anklagepunkten frei und ordnete ihre sofortige
Haftentlassung an.
Sie bleiben aber in Haft in Erwartung eines Einspruchs der Anklagebehörde.
Dieser soll am Mittwoch eingereicht werden.
Gbagbo hatte Ende 2010 nach zehn Jahren an der Macht seine Niederlage in
der Präsidentschaftswahl der Elfenbeinküste nicht anerkannt und monatelang
mithilfe seiner Armee und Milizen den in einem Hotel belagerten Wahlsieger
Alassane Ouattara bekämpft – am Ende, als Ouattara-treue Rebellen im April
2011 mithilfe Frankreichs vorrückten und Gbagbo schließlich festnahmen,
[2][auch mit Massakern]. Insgesamt starben [3][in dieser Nachwahlkrise]
über 3.000 Menschen.
Gbagbo kam nach seinem Sturz in Haft und wurde im November 2011 [4][an den
Strafgerichtshof überstellt]; Blé Goudé [5][folgte im Jahr 2014]. Der
Prozess in Den Haag gegen Gbabgo und Blé Goudé [6][begann Anfang 2016].
[7][Die Anklage lautete] auf Mord, Vergewaltigung, Verfolgung und
unmenschliche Behandlung im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen
Angriffs auf Zivilisten – also als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es
gab 231 Verhandlungstage, die Anklage bot 81 Zeugen auf und Tausende Seiten
von Dokumenten wurden geprüft, um zu klären, ob Gbagbo als Präsident
Verbrechen angeordnet hatte.
## Der Richter sprach nur wenige Minuten
Der Freispruch nun war kurios, denn während laut Rom-Statut des
Strafgerichtshofs Schuld- oder Unschuldsprüche schriftlich und
vollumfänglich begründet ergehen müssen, begnügte sich der Vorsitzende
Richter Cuno Tarfusser jetzt mit einer nur wenige Minuten dauernden,
unkonzentriert vorgetragenen mündlichen Zusammenfassung und sagte, die
Urteilsbegründung werde „so bald wie möglich“ nachgereicht.
Laut Tarfusser präsentierten die Ankläger keine ausreichenden Beweise für
einen „gemeinsamen Plan“ der Angeklagten, für eine bewusste Politik des
Angriffs auf Zivilisten oder für irgendwelche Taten, die diese Angriffe
befördert hätten. Aber zu Details der Anklage äußerte er sich in seinem
kurzen Statement nicht.
Es klang eher wie die Begründung für eine Verfahrenseinstellung als die für
einen Freispruch. Die Verteidiger hatten im September 2018 vorsorglich
beides beantragt.
Schriftlich wurde nur die abweichende Minderheitsmeinung eines der drei
Richter veröffentlicht. Er äußerte scharfe Kritik an der Nichtvorlage eine
schriftlichen Urteils: Dies widerspreche nicht nur dem Statut des Gerichts,
es sei auch unbegründet, denn die Beweisaufnahme sei bereits im Januar 2018
geschlossen worden und die Kammer hätte genug Zeit gehabt, ihr Urteil zu
schreiben.
Auch die Auffassung, die Beweise reichten nicht für eine Verurteilung aus,
kritisiert Richter Herrera Carbuccia.
## Die ivorische Politik wird aufgemischt
Diese Formalien aber sind den Gbagbo-Anhängern in der Elfenbeinküste egal.
Es kam zu Jubelszenen in seiner Heimatstadt Gagnoa. Für Gbagbos Getreue ist
er immer nur Opfer einer Siegerjustiz gewesen. Sie feiern ihn jetzt erst
recht als unschuldigen Helden.
Auf jeden Fall mischt der Den Haager Richterspruch die Politik der
Elfenbeinküste kräftig auf. Seit Gbagbos Sturz 2011 war sein politisches
Lager praktisch aus de öffentlichen Debatte des Lanes verschwunden. [8][Die
letzten Wahlen 2015], als Ouattara wiedergewählt wurde, hatte Gbagbos
Partei FPI (Ivorische Volksfront) boykottiert.
Sollte jetzt nicht ein langwieriges Berufungsverfahren folgen, das durchaus
mit einem Schuldspruch enden könnte, dann könnte Gbagbo pünktlich zu den
nächsten Wahlen 2020 – bei denen Ouattara nicht wieder kandidieren darf –
auf die politische Bühne zurückkehren. Das würde für turbulente Zeiten
sorgen.
Für die Den Haager Ankläger ist der Freispruch allerdings ein Debakel. Wie
schon 2018 beim [9][Freispruch für Kongos Ex-Vizepräsident Jean-Pierre
Bemba] in der Berufung ist jetzt bei Laurent Gbagbo erneut der Versuch
gescheitert, das Prinzip der Vorgesetztenverantwortung auf hochrangige
Verantwortliche in einem Kriegsverbrecherprozess anzuwenden.
15 Jan 2019
## LINKS
[1] /Laurent-Gbagbo/!5122874
[2] /Krise-in-der-Elfenbeinkueste/!5125423
[3] /Debatte-Elfenbeinkueste/!5129948
[4] /Expraesident-der-Elfenbeinkueste/!5106408
[5] /Scharfmacher-aus-Elfenbeinkueste/!5045692
[6] /Prozess-gegen-Laurent-Gbagbo/!5270144
[7] /!5072950
[8] /!5241464
[9] /!5511818
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Elfenbeinküste
Laurent Gbagbo
Alassane Dramane Ouattara
Charles Blé Goudé
Internationaler Strafgerichtshof
Elfenbeinküste
Elfenbeinküste
Elfenbeinküste
Elfenbeinküste
Internationaler Strafgerichtshof
Elfenbeinküste
## ARTIKEL ZUM THEMA
Musikfestival in der Elfenbeinküste: Zwischen Rhythmen und Fakten
Die Elfenbeinküste in Westafrika ist ein boomendes Land. Eindrücke von
einem Musikfestival, das die Gleichstellung von Frauen fördern will.
Kolumne Afrobeat: Wiederkehr eines Untoten
Mit seinem merkwürdigen Freispruch für Laurent Gbagbo gefährdet der
Internationale Strafgerichtshof die Stabilität der Elfenbeinküste.
Versöhnungsgeste in der Elfenbeinküste: Madame Gbagbo kommt frei
Der Präsident der Elfenbeinküste amnestiert seine Gegner aus dem Konflikt
von 2011. Damals wurde sein Wahlsieg militärisch durchgesetzt.
Ruhe in der Elfenbeinküste: Versöhnung kommt nicht so schnell
Bei den Senatswahlen in der Elfenbeinküste wurde erneut deutlich, wie tief
gespalten das Land sieben Jahre nach Kriegsende bleibt.
Internationaler Strafgerichtshof: Weltgericht unter Beschuss
Ein Land Afrikas nach dem anderen verkündet den Rückzug aus dem
Internationalen Strafgerichtshof. Sie werfen dem Organ Einseitigkeit vor.
Prozess gegen Laurent Gbagbo: Die Narben sind nicht gut verheilt
In Den Haag steht nur Laurent Gbagbo, der Expräsident der Elfenbeinküste,
vor Gericht. Doch auch Verbrechen seiner Gegner sind dokumentiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.