# taz.de -- Laurent Gbagbo: Aufstieg und Fall von "Woody" | |
> Laurent Gbagbo gehörte zur radikalen Avantgarde in der Elfenbeinküste, | |
> die ein anderes Afrika wollte. Und wurde selbst ein brutaler Diktator. | |
Bild: "Woody", Kämpfer, nennen ihn seine bedingungslosen Anhänger in der Spra… | |
BERLIN taz | Seine politische Karriere endete dort, wo sie begann: im | |
Untergrund. Als Frankreich seinen neokolonialen Vorgarten in Afrika noch | |
fest im Griff hatte und die Elfenbeinküste unter Félix Houphouët-Boigny | |
noch eine Diktatur war, brutal, arrogant und reich, gehörte Laurent Gbagbo | |
zur radikalen Avantgarde, die ein anderes Afrika wollte. Erst politischer | |
Gefangener, dann Doktorand in Paris, Geschichtsprofessor in Abidjan und | |
schließlich 1988 Gründer der dann verbotenen sozialistischen Ivorischen | |
Volksfront (FPI), verkörperte Gbagbo den afrikanischen Widerstand. | |
In seinem eigenen Selbstbild hat er diese Zeit nie verlassen. "Woody", | |
Kämpfer, nennen ihn seine bedingungslosen Anhänger in der Sprache seines | |
Bété-Volkes. Der "Woody" geht bis zum Äußersten, er schont sich und sein | |
Leben nicht, er wählt lieber den Tod als die Gefangenschaft. | |
1990 musste man mutig sein, um bei den ersten Mehrparteienwahlen der | |
Elfenbeinküste für Gbagbo zu stimmen, der als einziger Oppositioneller die | |
Kandidatur gegen den allmächtigen Houphouët-Boigny wagte. 2000 erlangte | |
Gbagbo die Macht mit einem Vabanquespiel, als er als einziger | |
Oppositioneller gegen den damaligen Militärjuntachef Robert Guei antrat und | |
seinen Wahlsieg dann gegen das Militär per Volksaufstand durchsetzen | |
musste. Das Militär akzeptierte ihn nie. | |
## "Wir gewinnen – oder wir gewinnen" | |
Es folgte ein Bürgerkrieg, bei dem die Hälfte des Landes Gbagbos Kontrolle | |
entglitt. 2010, bei den ersten wirklich freien Wahlen in der Geschichte des | |
Landes, lautete seine Wahlkampfparole: "Wir gewinnen – oder wir gewinnen." | |
Jeder Ivorer wusste, was das hieß: Entweder der Sieg an der Wahlurne, oder | |
wir regieren trotzdem. | |
Gbagbos Trotz hielt nicht lange. Der Mut war jetzt aufseiten seiner Gegner. | |
Genau vier Monate nach den Wahlen, am 28. März 2011, rückten die Soldaten | |
des Wahlsiegers Alassane Ouattara zum Angriff an. Gbagbo peitschte seine | |
Anhänger mit einer Mischung aus radikaler Rhetorik aus der antikolonialen | |
Mottenkiste und Weltuntergangsstimmung aus dem Fundus christlicher | |
Erweckungssekten ein. Zusammen mit seiner Frau Simone, die als wahre | |
Ideologin des Gbagbo-Regimes gilt, begab er sich in den Bunker, in dem er | |
sich mental schon längst aufhielt. | |
Ausgerechnet in dem Bunker, den sich einst Diktator Houphouët-Boigny unter | |
seiner Residenz mit Geheimtunnel in die benachbarte Residenz des | |
französischen Botschafters einrichtete, erlebte Gbagbo nun die letzten Tage | |
in einem Amt, das ihm in Wahrheit schon längst entglitten war. | |
Gbagbo wollte ein heroischer Krieger sein, in der Tradition der | |
vorkolonialen Freiheitskämpfer gegen die europäische Eroberung. Jetzt ist | |
sein Krieg vorbei, und die Ivorer atmen auf, in dem Schlacht- und | |
Trümmerfeld, als das Gbagbo die Elfenbeinküste hinterlassen hat. | |
11 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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