# taz.de -- Expräsident der Elfenbeinküste: Laurent Gbagbo in Den Haag | |
> Der Expräsident der Elfenbeinküste ist an den Internationalen | |
> Strafgerichtshof ausgeliefert. Ihm wird Verantwortung für Mord, | |
> Vergewaltigung und Verfolgung vorgeworfen. | |
Bild: Laurent Gbagbo auf dem Weg vom Flughafen Rotterdam ins Gefängnis Scheven… | |
BERLIN taz | Es war am Dienstag gegen Sonnenuntergang kurz nach 18 Uhr, als | |
sich das Tor des Justizpalastes der Stadt Korhogo im Norden der | |
Elfenbeinküste öffnete. Eine Kolonne von ungefähr 20 Fahrzeugen raste | |
hinaus: Jeeps, offene Lastwagen mit schwerbewaffneten Militärs, weiße | |
UN-Fahrzeuge mit Blauhelmsoldaten. In der Mitte: ein schwarzer Jeep mit | |
getönten Scheiben. Darin: Laurent Gbagbo, der ehemalige Präsident der | |
Elfenbeinküste. | |
Der Konvoi raste zum Flughafen. Um 18.17 Uhr, so der Bericht des Reporters | |
der Zeitung LInter, hob der Sonderflug nach Den Haag ab. | |
Gbagbo sitzt nun beim Internationalen Strafgerichtshof in | |
Untersuchungshaft. Es gehe um "seine persönliche Verantwortung für Angriffe | |
auf Zivilisten, die von Streitkräften verübt wurden, die in seinem Auftrag | |
handelten", erklärt Chefanakläger Luis Moreno-Ocampo. | |
Der Haftbefehl wirft Gbagbo Verantwortung für Mord, Vergewaltigung, | |
unmenschliche Akte und Verfolgung in der Elfenbeinküste zwischen dem 16. | |
Dezember 2010 und dem 11. April 2011 vor. Gbagbo sei "indirekter Mittäter". | |
Der Haftbefehl formuliert, "dass zwischen Herrn Gbagbo und seinem inneren | |
Kreis (seinen Mittätern) ein Plan bestand und dass sie sich bewusst waren, | |
dass dessen Umsetzung im normalen Gang der Dinge zu den aufgeführten | |
Verbrechen führen würde". Das Konzept der "indirekten Mittäterschaft", fügt | |
das Gericht an, müsse möglicherweise noch überprüft werden. | |
## Bürgerkrieg mit 3.000 Toten | |
Gbagbo, historischer Führer der ivorischen Sozialisten, wurde im Jahr 2000 | |
zum Präsidenten gewählt. Ab 2002 verlor er die Kontrolle über die | |
Nordhälfte seines Landes an Rebellen. Ein Friedensvertrag führte | |
schließlich zu freien Wahlen am 28. November 2010, die er verlor. Gbagbo | |
erkannte dies nicht an. Gewalt brach ab dem 16. Dezember aus, als eine | |
Demonstration von Anhängern des Wahlsiegers Alassane Ouattara, der in einem | |
Hotel in Abidjan unter UN-Schutz residierte, blutig niedergeschlagen wurde. | |
Der Machtkampf entwickelte sich zum Bürgerkrieg, der über 3.000 Tote | |
forderte. Ouattara-treue Kämpfer nahmen Gbagbo am 11. April im Keller der | |
Präsidentenresidenz von Abidjan fest. Der Expräsident wurde nach Korhogo | |
gebracht und unter Hausarrest gestellt. | |
Je länger Gbagbo in Korhogo schmorte, desto mehr wurde er für die neue | |
Regierung zum Problem. Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen des | |
jüngsten Bürgerkrieges - für die auch Ouattaras Truppen Mitverantwortung | |
tragen - kommt nicht voran. Gbagbos FPI (Ivorische Volksfront) boykottiert | |
die Parlamentswahlen am 11. Dezember unter Verweis auf die Inhaftierung | |
mehrerer ihrer Kader. | |
Am 18. August war Gbagbo wegen "Wirtschaftsverbrechen" in der | |
Elfenbeinküste angeklagt worden. Das wurde bereits als Signal gewertet, | |
dass für andere Verbrechen Den Haag ins Spiel kommt. Chefankläger | |
Moreno-Ocampo reiste am 15. Oktober in die Elfenbeinküste und versprach | |
"neutrale Ermittlungen" gegen "drei bis sechs Personen". Kurz darauf | |
beantragte er Haftbefehl gegen Gbagbo, der am 23. November ausgestellt | |
wurde. | |
Die Überstellung kam deshalb für viele überraschend. Gbagbo war eigentlich | |
zur Haftprüfung in den Justizpalast von Korhogo gebracht worden. Die Medien | |
wurden unüblicherweise weiträumig ferngehalten. Erst als am Nachmittag die | |
Wachen von der Residenz abgezogen wurden, in der Gbagbo seinen Hausarrest | |
verbrachte, war klar, was los war. | |
30 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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