| # taz.de -- Grünen-Chef schließt Social-Media-Profile: Raus aus dem Aufmerksa… | |
| > Nach einem verpatzten Wahlkampfvideo verabschiedet sich Robert Habeck von | |
| > Twitter und Facebook. Auch der kürzliche Datenklau spielt eine Rolle. | |
| Bild: Braucht keine Selfies mehr – zumindest nicht für Facebook und Twitter:… | |
| Berlin/Frankfurt (Oder) taz | Eigentlich beherrscht [1][Robert Habeck] die | |
| Kunst der Selbstdarstellung in sozialen Medien wie kaum ein anderer. Auf | |
| Instagram postet der Grünen-Chef jede Menge Bilder von sich. Habeck | |
| nachdenklich im Norwegerpulli, Habeck im Sonnenblumenfeld, Habeck auf dem | |
| Bahnsteig. | |
| Doch jetzt macht Habeck, dem auf Twitter fast 50.000 Menschen folgen, einen | |
| überraschenden Schritt. Der 49-Jährige kündigte am Montag an, seine | |
| Accounts bei Twitter und Facebook zu löschen. Er ist einer der ersten | |
| prominenten Politiker, die sich aus den sozialen Netzwerken zurückziehen. | |
| Seine Beweggründe erläuterte Habeck in einem [2][längeren Blogeintrag]. | |
| Überschrift: „Bye bye, Twitter und Facebook“. | |
| Habeck geht hart mit dem Kurznachrichtendienst Twitter ins Gericht. In | |
| keinem anderen Medium gebe es so viel Hass, Böswilligkeit und Hetze. | |
| „Offenbar triggert Twitter in mir etwas an: aggressiver, lauter, | |
| polemischer und zugespitzter zu sein – und das alles in einer | |
| Schnelligkeit, die es schwer macht, dem Nachdenken Raum zu lassen.“ Nach | |
| einer schlaflosen Nacht komme er zu dem Ergebnis, „dass Twitter auf mich | |
| abfärbt“. | |
| Habeck begründete seinen Ausstieg mit einem Fehler, den er am Wochenende | |
| gemacht hatte. In einem am Sonntag vom Thüringer Landesverband | |
| veröffentlichen Video rief er dazu auf, seine Partei vor der Landtagswahl | |
| in Thüringen zu unterstützen. Dabei sagte er den Satz: „Wir versuchen, | |
| alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, | |
| demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“ | |
| Wird, wohlgemerkt – ein Versprecher. Auf Twitter ergossen sich Spott und | |
| Häme über den Grünen. Carsten Schneider, der aus Thüringen stammende | |
| SPD-Fraktionsgeschäftsführer, fragte ironisch: „In welchem Gefängnis habe | |
| ich die letzten Jahre gelebt?“ Viele Nutzer, auch aus der rechten Ecke, | |
| warfen Habeck Überheblichkeit vor. Die Bild-Zeitung und andere Medien | |
| berichteten kritisch über den Vorfall. Habeck schrieb im Blog | |
| selbstkritisch von einem „echten Fehler“. Das Video klinge so, als würde er | |
| Thüringen absprechen, weltoffen und demokratisch zu sein. „Was ich | |
| natürlich null tue.“ Er sei so oft in dem Land gewesen, dass er nicht den | |
| Hauch eines Zweifels daran lassen wolle, welch erfolgreichen Weg es | |
| eingeschlagen hat. „Gemeint war schlicht, dass ich den Wahlkampf mit einem | |
| Aufruf für weitere Arbeit und Engagement für Demokratie und Ökologie | |
| garnieren wollte.“ | |
| ## Rhetorisch erneut daneben gelegen | |
| Es ist nicht das erste Mal, dass Habeck auf Twitter rhetorisch | |
| danebenlangt. Vor der Landtagswahl im Oktober in Bayern hatte er in einem | |
| spontan zwischen Terminen aufgenommenem Video gefordert, die | |
| CSU-Alleinherrschaft zu beenden, damit man sagen könne: „Endlich gibt es | |
| wieder Demokratie in Bayern.“ Auf Kritik hin hatte er eingeräumt, „lasch | |
| formuliert“ zu haben. Einen Fehler könne man machen, folgerte er jetzt in | |
| seinem Blog. Aber den gleichen ein zweites Mal nicht. | |
| Habeck schilderte Symptome, die viele Twitter-Nutzer kennen. Das Medium | |
| mache etwas mit ihm. Twitter desorientiere ihn, mache ihn unkonzentriert. | |
| Er habe sich nach Talkshows oder Parteitagen dabei ertappt, wie er gierig | |
| nach Reaktionen in der Twitter-Welt geschaut habe. „Und das ist die Schere | |
| im Kopf. Als wäre Politik eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Dass | |
| man so redet, wie es das Medium will.“ | |
| Als zweites Argument für seinen Rückzug führte er an, dass er von dem | |
| [3][jüngst bekannt gewordenen Datenklau] betroffen war. Persönlichste | |
| Gespräche zwischen ihm und seiner Familie seien auf alle Rechner der | |
| Tageszeitungen und zu jeder Menge rechter Medien gelangt. Der Klau sei | |
| maßgeblich über Facebook erfolgt. Die Daten von vielen PolitikerInnen und | |
| JournalistInnen wurden über einen Twitter-Account in die Öffentlichkeit | |
| gespielt. | |
| Bei den Grünen wurde der angekündigte Rückzug mit gemischten Gefühlen zur | |
| Kenntnis genommen. Habeck, seit knapp einem Jahr Parteichef, ist ein | |
| Gesicht des grünen Höhenflugs – und wird als Spitzenkandidat für etwaige | |
| Neuwahlen gehandelt. Dass er künftig in sozialen Netzwerken nicht mehr | |
| präsent ist, schwächt die Kommunikation der Partei. | |
| ## Kann ein Politiker auf soziale Netzwerke verzichten? | |
| „Kein Kommentar“, waren zwei Worte, die man am Montag häufig hörte. | |
| Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte: „Das ist eine persönliche | |
| Entscheidung von Robert Habeck, die sich auch vor dem Hintergrund des | |
| Diebstahls privatester Familiendaten erklärt.“ Die Grünen blieben mit ihren | |
| Accounts in sozialen Medien präsent, auf Twitter, Facebook und Instagram. | |
| Kellner fügte hinzu: „Ich bleibe auf Twitter.“ | |
| Habecks Schritt wirft Fragen auf: Kann ein Politiker im 21. Jahrhundert auf | |
| soziale Netzwerke verzichten? Ist der Rückzug eine Überreaktion? Oder ist | |
| der Ausstieg aus dem Aufmerksamkeitszirkus nur angebracht? Klar ist: Habeck | |
| wird nach diesem öffentlichkeitswirksamen Goodbye nicht mehr zurückkönnen, | |
| ohne sich völlig unglaubwürdig zu machen. | |
| Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), ein versierter Twitterer, | |
| schrieb, dass auch TV-Kameras und Mikrofone „abfärben“ könnten, wenn man | |
| nicht aufpasse. „Öffentliche Existenz heißt immer die Bereitschaft, der | |
| Versuchung zu widerstehen.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf Habeck | |
| unterschwellig Dünnhäutigkeit vor. „Politiker müssen dort sein, wo Debatten | |
| stattfinden.“ Es sei richtig, sich für eine demokratische und faire Debatte | |
| im Netz einzusetzen, sagte er. „Schade, dass Robert Habeck sich dagegen | |
| entschieden hat.“ | |
| Habeck zog für sich das ambivalente Fazit, dass der Rückzug ein politischer | |
| Fehler sein könnte, weil er sich der Reichweite und direkten Kommunikation | |
| mit vielen Menschen beraube. Am Montagnachmittag war der Nutzer Robert | |
| Habeck bei Twitter nicht mehr auffindbar. | |
| Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde im Laufe des Tages (07.01.2019) | |
| ergänzt, unter anderem um die Reaktion der Grünen. | |
| 7 Jan 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Robert-Habeck/!t5007736 | |
| [2] https://www.robert-habeck.de/texte/blog/bye-bye-twitter-und-facebook/ | |
| [3] /Politiker-Daten-im-Netz-veroeffentlicht/!5559344 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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