# taz.de -- Streit in der Linkspartei: Ein bisschen Frieden | |
> Vor der Fraktionsklausur ist der Aufstand gegen Sahra Wagenknecht | |
> abgeblasen. Angesichts der Wahlen setzen Partei wie Fraktion auf Ruhe. | |
Bild: Sahra Wagenknecht beim Leipziger Parteitag 2018 | |
BERLIN taz | Irgendwann im letzten Jahr muss in der Linkspartei die | |
Erkenntnis gereift sein, dass der öffentlich ausgetragene Streit über | |
Migration und Flüchtlinge nicht förderlich ist. Vor der Fraktionsklausur am | |
Donnerstag und Freitag ist es jedenfalls verdächtig ruhig. Von einer | |
möglichen Abwahl Sahra Wagenknechts als Fraktionsvorsitzender ist nichts | |
mehr zu hören. | |
„Die Konflikte sind nicht verschwunden, was angesichts der | |
gesellschaftlichen Umbrüche normal ist“, sagte Fraktionschef Dietmar | |
Bartsch der taz. „Ich hoffe aber, allen ist bewusst: Wenn wir so | |
weitermachen, fahren wir bei den Landtagswahlen in diesem Schlüsseljahr | |
gegen den Baum.“ | |
Entscheidend dürfte im Jahr 2019 für die Linkspartei die Wahl in Thüringen | |
sein, wo sie mit Bodo Ramelow ihren einzigen Ministerpräsidenten stellt. | |
Laut der letzten Umfrage käme die Linke nur noch auf 22 Prozent, | |
Rot-Rot-Grün wäre Geschichte. Die Landtagswahlen sind daher eines der | |
Top-Punkte der Fraktionsklausur. Wirklich strittig sein dürfte das Thema | |
ebenso wenig wie Tagesordnungspunkt 2, in dem es um Hartz IV, Rente, | |
Gesundheit und Pflege geht. | |
Falls die Fraktion streitet, dann gleich am Anfang: „Herausforderungen und | |
Chancen der Linken im politischen System Deutschlands und die Arbeit in | |
Bündnissen“ heißt der Punkt offiziell. Konkret geht es um Wagenknechts | |
„Aufstehen“ und die „Unteilbar“-Bewegung. Letztere wird von weiten Teil… | |
der Linkspartei unterstützt, während Wagenknecht den Demonstrationsaufruf | |
vom Oktober kritisierte, weil dort die Position „Offene Grenzen für alle“ | |
bestimmend sei. | |
Zu beiden Bewegungen kursierten einen Tag vor der Klausur zwei Papiere. In | |
dem einen wird die Fraktion aufgefordert, sich auch 2019 zu „Unteilbar“ zu | |
bekennen und aktiv zu unterstützen. Die Initiatoren, 24 | |
Bundestagsabgeordnete, darunter auch Vize-Parteichefin Martina Renner, | |
wollen über diesen Antrag auf der Klausur abstimmen lassen. | |
## Keine Abstimmung über „Aufstehen“ | |
Diskutiert werden soll auch über das zweite Papier zu „Aufstehen“. | |
Allerdings wird es nicht zur Abstimmung eingereicht. Was wohl auch daran | |
liegt, dass das als „Position“ überschriebene Papier heftige Kritik an der | |
Sammlungsbewegung übt – und damit indirekt auch an Wagenknecht. | |
Die 19 Unterzeichner, die im Wesentlichen identisch mit den Initiatoren des | |
„Unteilbar“-Antrags sind, kritisieren die bisherige Wirkung von | |
„Aufstehen“. Diese Initiative habe der Linken „keinen Nutzen gebracht“. | |
Eine klare Mehrheit für ihre Position erwarten die 19 nicht, sie möchten | |
beide Papiere vielmehr als „Brandmauer und Brücke zugleich“ verstanden | |
wissen. | |
Heißt: Der Aufstand gegen Wagenknecht ist mangels Masse erst mal abgesagt. | |
Auch der Abgeordnete Thomas Nord wird seiner Fraktion wohl treu bleiben. | |
Nord hatte gedroht, die Fraktion zu verlassen, nachdem Wagenknecht | |
„Unteilbar“ im Oktober [1][kritisiert hatte]. Nun sieht sich der | |
Brandenburger besänftigt. | |
„Es war nie mein Ziel, einen Aufstand gegen Wagenknecht anzuführen“, sagt | |
er. Er habe lediglich eine offene Debatte über Wagenknechts Äußerungen zu | |
„Unteilbar“ in der Fraktion gefordert. Diese habe ja nun begonnen. Mit der | |
Zustimmung zum Migrationspakt, aber auch mit einem erneuten Bekenntnis zu | |
„Unteilbar“ würde die Fraktion deutlich machen, wie die Mehrheiten verteilt | |
sind. | |
Wagenknecht selbst sagt dazu, sie habe nie dazu aufgerufen, der | |
Demonstration fernzubleiben, sondern lediglich den Aufruf kritisiert. „Die | |
Freiheit, einen Aufruftext zu kritisieren, wenn ich das für nötig halte, | |
werde ich mir auch in Zukunft nehmen“, sagte Wagenknecht der taz. Ansonsten | |
hoffe sie, dass sich die Linkspartei „in einem Jahr mit vier Landtagswahlen | |
auf unsere politischen Schwerpunkte konzentrieren“ werde. Fast sieht es | |
aus, als könne tatsächlich der innerparteiliche Frieden einziehen. | |
9 Jan 2019 | |
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[1] /Sahra-Wagenknecht-zu-unteilbar/!5542273 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Martin Reeh | |
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