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# taz.de -- Häftlinge sanieren asbest-belasteten Raum: Laxer Umgang mit giftig…
> Ein Häftlingsbautrupp sollte in Lübecker Gefängnis einen
> Asbest-belasteten Raum umbauen – ohne ordentliche Schutzkleidung. Nach
> Protest sollen Profis ran.
Bild: Unstrittig ist, dass es Asbestbelastung in dem Gebäude gibt.
RENDSBURG taz | Der Putz bröckelte, der Staub wirbelte. Während die
Häftlinge im Gefängnis Lübeck bei der Sanierung einer Zelle ganze Arbeit
leisteten und sie zu einem Aufenthaltsraum umbauten, flogen mit dem Staub
Asbestfasern durch die Luft. Nachdem sich die Häftlinge beschwerten, weil
sie ohne Atemschutz arbeiten mussten, ruhen die Bauarbeiten nun.
„Es spricht nichts dagegen, dass die Leute diese Arbeit machen“, sagt der
Kieler Rechtsanwalt Till-Alexander Hoppe, der mit zahlreichen Häftlingen in
Lübeck in Kontakt steht und einige von ihnen vertritt. „Aber sie müssen mit
professionellen Staubmasken und anderen Hilfsmitteln ausgestattet sein.“
Das sei aber nicht der Fall gewesen, hätten mehrere Beteiligte dem Anwalt
geschildert: „Es gab keinen passenden Atemschutz, bestenfalls dünne Masken,
wie sie in Krankenhäusern gegen Ansteckungsgefahren getragen werden.“ Dies
böte gegen die potenziell Krebs erregenden Asbestfasern keinen
ausreichenden Schutz.
„Da steht Aussage gegen Aussage“, sagt Oliver Breuer, Sprecher des
Justizministeriums in Kiel. Alle gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsmittel
seien vorhanden gewesen. Dem Bautrupp aus Gefängnisinsassen gehörten „keine
beliebigen Häftlinge“ an, sondern Leute, die öfter für entsprechende
Arbeiten eingesetzt und die sich auskennen würden, betont er.
## Luftprobe mit dem Einmachglas
Unstrittig ist, dass es eine Asbestbelastung in dem Gebäude gibt – nur bei
der Menge der Fasern in der Luft liegen der Anwalt und der Sprecher des
Ministeriums auseinander: Hoppe spricht von 3.000, das Ministerium von 500
Fasern pro Kubikmeter. Selbst der höhere Wert entspräche nur einer
mittleren Belastung – wobei aber unklar ist, wie gemessen wurde: Das
Flensburger Tageblatt zitiert einen Häftling, der etwa eine unsachgemäße
Luftprobe kritisiert. Die sei einfach mit einem „Einmachglas“ eingefangen
worden.
Allerdings spielt die Zahl der Fasern nur eine begrenzte Rolle, denn die
Empfehlung des Bundesumweltamtes ist eindeutig: Bei Asbest muss in jedem
Fall eine Fachfirma ran, die für Asbestbeseitung ausgerüstet ist. „Für
Profis wie Heimwerker gilt: Jegliches Bohren, Sägen und Schleifen, Fräsen
und Flexen von asbesthaltigen Materialien ist grundsätzlich verboten, da
Fasern freiwerden können“, heißt es auf der Homepage des Amtes.
Laut dem Ministerium lauern „Asbest-Hotspots“ in den Wänden an Stellen, an
denen früher mit einem asbesthaltigen Produkt wie Moltofill verputzt wurde.
Der Rechtsanwalt Hoppe ist skeptisch: „Dann wäre bei der Probenentnahme in
einem großen Raum genau dieser Punkt getroffen worden? Das kann man glauben
– muss man aber nicht.“ Er erwägt daher, eine Strafanzeigen wegen
Gesundheitsgefährdung zu stellen. Doch für die Häftlinge sei es nicht
einfach, „gegen die Vollzugsanstalt vorzugehen“.
Hoppe verweist außerdem auf die Fürsorgepflicht des Landes: „Es geht ja
nicht nur um die Gesundheit der Häftlinge, sondern auch um die
Bediensteten.“ Die blieben meist länger in den potenziell belasteten
Gebäuden als die Häftlinge.
Thomas Steen, Landesvorsitzender des Bundesverbandes der
Strafvollzugsbediensteten sieht das ähnlich: „Wir begleiten die Entwicklung
kritisch, falls die Gesundheit von Bediensteten des Strafvollzuges
betroffen sein könnte“, sagt er. Doch den konkreten Vorfall sieht er
weniger kritisch, da bei Proben eine Belastung „weit unterhalb der
höchstzulässigen Grenzwerte“ festgestellt worden sei.
Laut Ministeriumssprecher Breuer ist für alle Baumaßnahmen nicht sein Haus,
sondern die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein, eine Tochterfirma des
Landes, zuständig. Diese hat die Bauarbeiten eingestellt, nachdem Asbest
festgestellt wurde. Zurzeit wartet sie auf ein Gutachten. „Auf dessen
Grundlage wird entschieden, wie es weitergeht“, so Breuer.
Hoppe beschwert sich immer wieder über Missstände in der JVA Lübeck. „Aber
diese Fälle werden ebenso regelmäßig eingestellt und führen zu keinen
Konsequenzen.“
Das Asbest-Problem sei nicht der einzige bauliche Mangel in den Gebäuden
der JVA, sagt er. „Es geht auch um Schwarzschimmel. Gerade das Haus E ist
verseucht bis unter das Dach.“
3 Jan 2019
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Justizvollzug
JVA Lübeck
Asbest
Arbeitsschutz
Gebäudesanierung
Bundesverfassungsgericht
Justiz
Landtagswahl Schleswig-Holstein
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