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# taz.de -- Hausbesuch bei Wüste Film: Die Flexiblen
> Die Hamburger Filmproduktionsfirma Wüste Film hat zwar viele Preise
> gewonnen, muss aber auch regelmäßig mit kleinen Budgets auskommen.
Bild: Vielseitig unterwegs: Die Wüste-Geschäftsführer Stefan Schubert (links…
Hamburg taz | Auf einer Schrankplatte im Konferenzzimmer der Firma Wüste
Film im Hamburger Schanzenviertel steht ein Goldener Bär und neben etwa
einem Dutzend von kleineren Trophäen auch ein europäischer Filmpreis. Nicht
der neuste, den die Produktionsfirma gerade vor ein paar Wochen als
Koproduzent des Animationsfilms „Another Day of Life“ gewonnen hat, sondern
jener von „Gegen die Wand“, für den es 2004 auch den Bären auf der
Berlinale gab.
Der Regisseur Fatih Akin hat natürlich auch einen, obwohl genau genommen ja
nur einer verliehen wurde. Es wurde also eine Kopie gemacht, aber bei wem
diese steht, mag der Geschäftsführer Stefan Schubert nicht sagen: Beide
wären ja identisch gegossen worden, da gäbe es dann also auch kein
Original!
„Gegen die Wand“ war der große Durchbruch für Akin und wohl auch für die
Firma Wüste Film. Und dies, obwohl es ihr letzter Film mit Akin war, der
von da an seine Filme selbst produzierten konnte.
Als Schüler war er mit einem halbfertigen, teilweise von Hand geschriebenem
Drehbuch ins Büro von Wüste Film gekommen. Damals wollte er noch gar nicht
Regie führen, sondern nur in diesem Film spielen, für den er ganz andere
Rollen für seine deutsch-türkischen Protagonisten schrieb, als es damals im
Kino und Fernsehen üblich war. Dies war die erste Version des Drehbuchs,
aus dem dann sein erster Spielfilm „Kurz und Schmerzlos“ wurde. Davor
arbeitete Akin als Aushilfe bei Wüste Film, die dann auch seine Kurzfilme
„Sensin“ und „Getürkt“ produzierten, und so wurde aus ihm schließlich…
Regisseur.
Mit solch einer Entwicklung eines Regietalents begann auch die Geschichte
der Firma. Zusammen mit den beiden Diplompsychologen Stefan Schubert und
Ralph Schwingel gründete der Filmemacher Lars Becker 1989 „Wüste Film“ –
und zwar vor allem deshalb, weil er seine eigenen Filme produzieren wollte.
Seine kleine Schwarz-Weiß-Dokumentation „Afrika um die Ecke“ im Jahr 1990
war der erste Film der drei Produzenten und ein Achtungserfolg. Zwei Jahre
später folgte Beckers erster Spielfilm „Schattenboxer“. Nun sind die
Interessen eines Regisseurs und die eines Produzenten selten
deckungsgleich, oder wie Schubert es formuliert: „Wenn ein Regisseur mit
200 Prozent um seinen Film kämpft, verliert er die Produktionsfirma aus den
Augen.“ Deshalb schied Becker 1994 aus der Firma aus, die aber im nächsten
Jahr noch seinen Film „Bunte Hunde“ produzierte.
Etwa 50 Filme hat Wüste Film seitdem gemacht und zu den von ihnen
entdeckten und geförderten Talenten gehören Buket Alakus („Eine andere
Liga“) und Benjamin Teske („Strawberry Bubblegums“). Doch mit dieser Art
von Arthouse-Filmen lässt sich in Deutschland kaum noch Geld verdienen.
## Sicheres Geld
Schubert rechnet vor, dass die „möglichst intelligente Unterhaltung“, für
die Wüste Film steht, heute viel schwieriger zu finanzieren ist als noch
vor zehn Jahren. Deshalb suchte die Firma nach Alternativen und produziert
nun auch fürs Fernsehen. Die Medienlandschaft hat sich verändert und
inzwischen sind Produktionen für den NDR für Schubert nicht mehr „das
Sockengeschäft“ wie in den ersten Jahren seiner Firma, als alle unbedingt
Kino machen wollten.
So produziert Wüste Film etwa die norddeutschen Tatort-Folgen mit Wotan
Wilke Möhring. Die Herausforderung besteht bei diesen Auftragsarbeiten
darin, mit den im Vergleich zum Kino viel geringeren Budgets auszukommen.
Das so erwirtschaftete Geld mag nicht viel sein, ist aber sicher, und das
ist bei Filmproduktionsfirmen ein schlagendes Argument, denn bei den
eigenen Produktionen besteht immer das Risiko, dass sie floppen.
## Verkannte Fans
Wüste Film hat dies etwa 2014 mit dem Festivalfilm „Wacken 3D“ erlebt.
Trotz Rammstein, Alice Cooper und Deep Purple gingen nicht mehr als 80.000
Besucher in die Kinos. „Wir haben uns da klar verrechnet, denn live
gespielte Musik ist etwas ganz anderes als ein Film und die Fans ticken
anders als wir dachten“, sagt Schubert.
Inzwischen betreibt er die Firma zusammen mit Uwe Kolbe und Björn Vosgerau.
Der erste ist Jurist und vor allem für die rechtlichen und wirtschaftlichen
Aspekte zuständig, der zweite hat Philosophie studiert und organisiert die
kreativen Prozesse des Filmemachens. Diese Prozesse sind bei jedem Film
anders. Und die Entscheidungen, wer das Drehbuch entwickelt, wer Regie
führt, wer welche Rollen spielt und wie der Film schließlich nach den
Dreharbeiten, dem Schnitt und der Postproduktion aussieht, werden zum einem
großen Teil von den Produzenten getroffen.
Schubert erzählt zum Beispiel von einer geplanten österreichisch/deutschen
Koproduktion über die Liebesgeschichte zwischen Alma Mahler-Werfel und
Oskar Kokoschka, bei der er die Bedingung stellte, dass die
SchauspielerInnen halbwegs Hochdeutsch sprechen müssen, damit auch ein
deutsches Publikum sie verstehen kann. Wenn sich also in ein paar Jahren
das Publikum in Österreich darüber ärgert, wie flach und falsch die Dialoge
bei „Alma und Oskar“ klingen, hat der deutsche Produzent schuld.
## Harte Verhandlungen
Auch „Another Day of Life“, der im Mai in die deutschen Kinos kommt, ist
eine internationale Koproduktion. Und sie ist schon deshalb eher untypisch
für Wüste Film, weil die Firma sie nicht von Anfang an betreute.
Das Projekt begann damit, dass der spanische Dokumentarfilmer Raul de la
Fuente unbedingt einen Film über den polnischen Kriegsberichterstatter
Ryszard Kapuscinski machen wollte. Der Film sollte eine Mischung aus
dokumentarischen und animierten Sequenzen sein und mit dem polnischen
Trickfilmer Damian Nenow fand er einen kongenialen Koregisseur. Aber der
Film würde sehr teuer werden und wäre unmöglich nur in Spanien und Polen zu
finanzieren.
Also suchten sie internationale Koproduzenten und begeisterten Schubert mit
einem Trailer. So wurden dann Teile des Films in Deutschland animiert und
deshalb gab es auch Geld von der Filmförderung Hamburg/Schleswig Holstein.
Schubert sagt, von Filmanimation habe er immer noch keine Ahnung, aber sein
Englisch wäre bei den komplizierten Verhandlungen viel besser geworden.
Auch so kann man sich einen europäischen Filmpreis verdienen.
4 Jan 2019
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Filmbranche
Arthouse
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Tatort
Hamburg
Fatih Akin
Filmregisseur
Schwerpunkt Berlinale
Hamburg
NDR
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