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# taz.de -- Ingrid Lausund über den „Tatortreiniger“: „Die Leute lieben …
> Die „Tatortreiniger“-Autorin übers Schreiben fürs Fernsehen, ihre
> selbstgewählte Anonymität – und warum für „Schotty“ Schluss sein mus…
Bild: Beim „Tatortreiniger“ ging es vor allem um die Begegnungen nach den V…
taz: Frau Lausund, wann haben Sie gewusst, dass es [1][zu Ende gehen muss]
mit dem Tatortreiniger Heiko „Schotty“ Schotte?
Ingrid Lausund: Schon in der vorletzten Staffel musste ich die Geschichten
stärker suchen, sie lagen nicht mehr auf dem Tisch. Und bei ein paar Ideen
habe ich gemerkt, dass die Konzeption eigentlich mehr hergibt als eine
halbe Stunde. Zum Beispiel die Religionsfolge – da war mehr drin.
Und ein Schotty-Film?
Eher nicht – ich fand noch nie einen Film zu einer Serie toll. Das ist ein
Widerspruch an sich – eine Serie zu machen ist, wie in regelmäßigen
Abständen eine Currywurst zu produzieren, und die Leute lieben genau diese
Wurst. Und dann soll man plötzlich etwas Großes machen, das wie
Drei-Sterne-Küche daherkommt, ganz anders ist, aber trotzdem noch nach
Currywurst schmeckt. Das geht nicht auf. Meistens rettet man sich so, dass
die Protagonisten eine Reise machen.
Weil die innere Heldenreise länger sein muss?
Genau, das ist ein Paradox – die Serie funktioniert doch genau wegen der
Kürze.
Wieso sind Sie so lange als Autorin anonym geblieben?
Der wesentliche Grund ist, dass „Der Tatortreiniger“ meine erste Arbeit für
das Fernsehen war und ich Schlimmes darüber gehört hatte, wie sehr einem
reingeredet werden kann. Ich wollte nicht, dass mein Name unter einem
Produkt steht, das im schlimmsten Fall mit meiner Arbeit kaum noch etwas zu
tun hat. Außerdem empfinde ich das Drumherum als sehr stressig, auch im
Theater, die Veranstaltungen, die Interviews, über meine Arbeit zu
sprechen. Das Pseudonym war eine angenehm ruhige Arbeitsblase. Ich habe es
dann aufgelöst, weil sich das mehr und mehr zu einem großen Geheimnis
aufgebauscht hatte.
Wie kommt eine Theaterautorin dazu, eine Fernsehserie zu schreiben?
Der NDR wollte gern etwas mit Bjarne machen, und der hat zugesagt – aber
unter der Voraussetzung, dass Arne Feldhusen Regie führt, und ich die
Bücher schreibe. Mit Bjarne Mädel arbeite ich schon über 15 Jahre am
Theater zusammen. Bjarne hatte mit einem Kollegen bereits über ein
Gebäudereinigerpaar nachgedacht, Arne fand das zu harmlos und schlug ein
Tatortreinigerpaar vor. Ich mochte das Thema, aber ich wollte, dass es nur
einer ist, der immer mit einem „Gegenspieler“ aus einer anderen Welt
konfrontiert ist.
Schreibt man für das Fernsehen nicht anders als für das Theater?
Bestimmt, aber ich habe das einfach so gemacht, wie ich es mir gedacht hab.
Dazu habe ich mich mit Arne immer wieder getroffen und gesponnen. Manchmal
hat Arne bei meinen Texten behauptet, er weiß nicht, wie er das umsetzen
soll, und das ginge so nicht. Zum Beispiel bei der Folge, die fast nur in
der Kiste spielt, hat er sich anfangs sehr beschwert, das sei filmisch
nicht zu machen. Dann hab ich nichts mehr von ihm gehört, aber als ich die
fertige Folge gesehen hab – es war eben doch zu machen. Also ich hab ihn
jedenfalls nicht unterfordert.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Fernsehen sonst?
Ich hatte mich noch nie besonders mit der sozialpolitischen oder
ästhetischen Bedeutung von Fernsehen beschäftigt. Und beim Schreiben der
Drehbücher hab ich mir solche Gedanken nie auf allgemeiner Ebene gemacht,
sondern nur ganz konkret im Zusammenhang mit der Geschichte, an der ich
dran war; ich habe mich darauf konzentriert, dass die zwischenmenschlichen
Situationen glaubwürdig sind. Und dass jede Folge wirklich anders ist. Ich
hatte kein Dogma oder keine konzeptionelle Agenda – mit einer Ausnahme: Es
war mir wichtig, dass es bei Schottys Gegenspielern gleich viele Männer-
und Frauenrollen gibt, also eine Frauenquote. Das hab ich auch bei meinen
Theaterstücken so eingeführt. Bei meinem neuen Stück – das ist ein Monolog
– gibt es eine Fassung für einen Mann und eine für eine Frau. Ich bin
scheinbar so geprägt von Rollenklischees, merke ich, dass ich beim
Schreiben ganz bewusst dagegenhalten muss, sonst produzieren meine
Synapsen bei jeder Idee erst mal eine Männerrolle. Ist schlimm, ist aber
so.
Schauen Sie denn überhaupt Fernsehen?
Oft schaue ich Fernsehen, um die Spannung abzubauen, ich zappe mich gern
durch, auch durch Sachen ohne Anspruch, da bin ich ziemlich schmerzfrei.
Ich ertrage nur nichts, das irgendeinen höheren Anspruch suggeriert, der
dann nicht eingehalten wird. Diese Schnipselwelt beim Zappen erzählt eine
Menge über die Gesellschaft. Gerade die Verzerrung, der Zynismus mancher
Showformate, das Brot-und-Spiele-mäßige legt gesellschaftliche Themen klar
und böse auf den Tisch. Zum Beispiel dieser Selbstdarstellungswahn, dieser
irrsinnige Hunger danach, wahrgenommen zu werden und in der Welt
vorzukommen.
Wie haben Sie Schotty entwickelt, er wird ja als Figur immer nachdenklicher
…
Ja, er wurde immer dreidimensionaler. Am Anfang würde er sich, ohne weiter
drüber nachzudenken, von einer Prostituierten einen runterholen lassen, am
Ende sitzt er im Kopf eines Komapatienten. Und obwohl das schon ein
verrücktes Setting ist, ist der Realismus der Figur immer größer geworden,
so dass wir am Ende das Gefühl hatten, wir würden uns von einem Freund
verabschieden. Mir hat geholfen, dass ich bei der Recherche einen echten
Tatortreiniger kennengelernt habe, mit dem ich mich immer wieder getroffen
habe. Der war zwar nicht das direkte Vorbild für Schotty, aber es war
beeindruckend zu sehen, wie man in der Echtwelt mit so einem Job umgeht.
Auf der einen Seite hat er Mechanismen, sich von seiner Arbeit abzugrenzen,
auf der anderen Seite ist er ein unglaublich feinfühliger Mensch, dem diese
Abgrenzung nicht immer gelingt. Die Arbeit, die er macht, belastet ihn,
aber hat nicht dazu geführt, dass er abgestumpft ist. Er ist sehr
mitfühlend. Das ist vielleicht eine Parallele zu Schotty.
Wollten Sie Schottys Abenteuer je noch horizontaler erzählen, über mehrere
Folgen?
Nein, was mir von Anfang an gut gefallen hat, war, dass Schotty Spuren
wegmacht. Er kommt in eine Welt und begegnet jemandem – aber mit der
Beseitigung der Spuren ist auch die Begegnung vorbei. Er nimmt zwar aus
dieser Begegnung immer etwas mit, aber der Kontakt mit der anderen Person
bleibt flüchtig, momenthaft.
Der Humor im „Tatortreiniger“ ist ungewöhnlich für eine deutsche Serie –
hier wird meist genau zwischen „lustigen“ und „dramatischen“ Formaten
unterschieden …
Ja, diese Unterscheidung gibt es in Deutschland noch. Zum Beispiel sagen
Leute oft „es ist eine Komödie – aber mit Tiefgang!“ Das „aber“ besc…
es ganz gut – bei einem Drama würde niemand sagen „aber mit Tiefgang“! D…
Dimension einer Geschichte, der sogenannte „Tiefgang“, ist doch unabhängig
davon, ob sie Komödie, Tragödie oder Singspiel ist. Da hat sich aber auch
viel geändert, früher wurde jede Art von Komik schnell als Klamauk abgetan.
Jetzt ist die Wahrnehmung differenzierter, eigentlich wird Humor
mittlerweile schon als erzählerischer Wert gesehen. Für das Schreiben ist
„Humor“ für mich keine Kategorie. Ich versuche einfach, beim Schreiben
Situationen auf den Punkt zu bringen – und komisch ist es meistens einfach
deshalb, weil die meisten zwischenmenschlichen Begegnungen in der
Draufsicht eben einfach komisch sind. Klar war, dass das Format eine
gewisse Leichtigkeit haben sollte. Zu dem Tatortreinigerthema gehören ja
eigentlich noch so viele grauenvolle Dramen – aber solche Geschichten haben
wir unangetastet gelassen, das wäre eine ganz andere Baustelle gewesen.
13 Jan 2019
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[1] /Tatortreiniger-wird-beendet/!5554461
## AUTOREN
Jenni Zylka
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