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# taz.de -- Nach Weihnachten ist vor Weihnachten: Das Christkind kommt noch mal
> Orthodoxe Christen feiern auch in Berlin die Geburt Jesu Christi nach dem
> alten julianischen Kalender an diesem Sonntag und Montag.
Bild: Weihnachtsfeier in der russisch-orthodoxen Kirche der Heiligen Konstantin…
Weihnachten ist für die meisten schon vorbei. Doch viele orthodoxe Christen
begehen das Fest erst am 6. und 7. Januar. Auf diese Nacht fällt die Geburt
von Jesus Christus nach dem alten [1][julianischen Kalender], den einige
orthodoxe Kirchen nach wie vor anerkennen.
Dass dieses Fest in Berlin überwiegend von Russen gefeiert wird, ist
übrigens eine Legende. Denn die meisten russischsprachigen Berliner sind
gar keine orthodoxen Christen. Die größte Zuwanderergruppe aus Russland
sind deutschstämmige Spätaussiedler. Und diese sind meist evangelisch,
evangelikal oder konfessionslos.
Eine zweite große Gruppe von Zuwanderern aus den GUS-Staaten sind jüdische
Kontingentflüchtlinge. Hingegen leben in Berlin zahlreiche orthodoxe
Christen aus anderen Staaten, die an diesem Wochenende Weihnachten feiern.
Sie stammen etwa aus Weißrussland, Serbien, Syrien, Ägypten, Äthiopien und
Eritrea. Die ebenfalls orthodoxen Griechen und Bulgaren haben schon am 24.
und 25. Dezember gefeiert: Ihre Kirchen haben den [2][gregorianischen
Kalender] eingeführt.
Die 43-jährige Russin Anna A. feiert am Wochenende ihr drittes
Weihnachtsfest innerhalb von zwei Wochen. Die deutsche Weihnachtsfeier am
24. Dezember mit Gans, Klößen und Geschenken fordern ihre hier geborenen
Kinder ein. Eine Woche später, am Silvesterabend, gab es das russische
Jolkafest mit Väterchen Frost, russischen Märchenfilmen und
Mayonnaisesalat.
## Egal welcher Konfession
Der Weihnachtsbaum konnte praktischerweise gleich stehen bleiben. Dieses
Fest wurde in der Sowjetunion als Ersatz für das nach der Oktoberrevolution
verbotene christliche Weihnachtsfest eingeführt und hat sich in vielen
russischen Familien als das größte Fest des Jahres erhalten – egal welcher
Konfession man angehört, denn es hat ohnehin keinen religiösen Hintergrund.
„Als Kind bekam ich immer am 31. Dezember meine Geschenke. Und die ganze
Familie hat Märchenfilme geschaut“, sagt Anna A.
Als orthodoxe Christin feiert sie nun am 6. und 7. Januar zum dritten Mal
Weihnachten. „Dieses Jahr fahre ich dazu zu meinen Verwandten nach
Russland“, sagt die Frau, die in den 1990er Jahren zum Studium nach
Deutschland kam und blieb. „In anderen Jahren war dieses Fest ein
gemeinsamer Gottesdienst mit anschließendem Essen in meiner Kirchengemeinde
in Berlin.“ Wer nicht orthodox sei, sagt Anna A., feiere im Januar meist
auch nicht noch einmal oder nehme den Tag einfach zum Anlass, ganz viel
Wodka zu trinken.
Um den Urlaub für die Reise nach Russland ab dieser Woche musste Anna A.,
die in einem Krankenhaus arbeitet, übrigens kämpfen. „Vor zehn Jahren haben
sich meine Chefs noch gefreut, dass ich freiwillig Anfang Januar Urlaub
nehme. Jetzt wollen auch viele andere Kollegen aus Serbien, Nahost und
Afrika freihaben. Man merkt, dass mehr orthodoxe Christen in Berlin leben.“
## Mit gutem Essen – aber ohne Geschenke
Eine von ihnen ist die Eritreerin Freweyni Habtemariam. „Den 6. Januar
feiern wir zuerst mit einem Gottesdienst und dem anschließenden gemeinsamen
Fastenbrechen in der Kirchengemeinde“, erläutert die Dolmetscherin. Vor dem
Weihnachtsabend haben Eritreer 40 Tage lang auf tierische Produkte
verzichtet. Jetzt dürfen sie wieder Fleisch essen und Milch trinken, was
ausgiebig genossen wird.
Nach dem Fest in der Kirche würde theoretisch drei Tage lang in der Familie
gefeiert, so Habtemariam: „Mit gutem Essen aus Lammfleisch und gefülltem
Fladenbrot, mit geselligem Beisammensein und dem Erzählen von Geschichten.“
Ein Weihnachtsbaum gehöre zum eritreischen Weihnachtsfest allerdings ebenso
wenig dazu wie Geschenke, sagt sie.
Weil die Mehrheit der in Berlin lebenden Eritreer aber alleinstehende junge
Männer sind, komme bei dem traditionellen Familienfest auch viel Wehmut und
Sehnsucht nach den Familien auf. In Asylunterkünften feiern Eritreer in den
Gemeinschaftsräumen und laden dazu auch Freunde ein, die schon eine eigene
Wohnung haben und dort meist allein leben. Auch muslimische Landsleute
lassen es sich nicht entgehen, mitzufeiern – denn in Flüchtlingsheimen wird
nicht oft gefeiert.
Orthodoxe Griechen hatten bereits am 25. Dezember ihr Weihnachtsfest. Das
halte sie aber nicht von einer erneuten Feier am 6. Januar ab, erläutert
der griechische Pfarrer Emmanuel Sfiatkos. „Das ist schließlich der Tag der
Taufe von Jesus.“ Dabei will seine Gemeinde jedoch nicht unter sich
bleiben. „Wir laden alle Berlinerinnen und Berliner ein, mit uns die
Spreeweihe zu feiern. Nach einer 15-minütigen Andacht gibt es einen
Glühweinempfang, selbst mitgebrachtes Essen und Zeit für Begegnungen.“
## Auch mal verzichten
Der Verzicht auf tierische Produkte in den 40 Tagen vor Weihnachten ist
unter den Griechen aus der Mode gekommen. Emmanuel Sfiatkos: „Das kann aber
jeder so halten, wie es für ihn gut ist. Viele Menschen fasten an
einzelnen Tagen, aber nicht die ganze Zeit.“
Die Russin Anna A. hat noch nie vor dem orthodoxen Weihnachtsfest gefastet.
„Das hatte in meiner Familie keine Tradition. Und wenn ich in Deutschland
vor dem orthodoxen Weihnachtsfest auf tierische Produkte verzichten müsste,
könnte ich ja bei den anderen Weihnachtsfesten nicht zulangen. Das macht
niemand so, den ich kenne.“
Aber, so Anna A.: „Bei so vielen Weihnachtsfeiern wäre es eigentlich gar
nicht schlecht, zwischendurch auch mal zu verzichten.“
5 Jan 2019
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Julianischer_Kalender
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Kalender
## AUTOREN
Marina Mai
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