# taz.de -- Dinge des Jahres 2018: Neues Symbol der Pressefreiheit | |
> Bei seiner Entlassung aus der türkischen Haft überreichte der Journalist | |
> Deniz Yücel seiner Ehefrau einen Strauß Petersilie. Sie war ihre „Blume | |
> der Liebe“. | |
Bild: Als Taboulé, Blumenstrauß oder Symbol für Pressefreiheit: Petersilie i… | |
Die Petersilie ist ein Neophyt. Das bedeutet, dass sie eine Pflanze ist, | |
die sich in einem Gebiet etabliert hat, mit dem sie ursprünglich nichts zu | |
tun hatte. Einer der berühmtesten Ärzte der Antike, Dioskurides, nennt | |
Makedonien als Wachstumsort der Petersilie. | |
Deswegen ist die Pflanze als „Petroselinon to makedonikon“ oder | |
„Petroselinum macedonicum“, also „makedonische Petersilie“, bekannt | |
geworden. Im Türkischen ist der makedonische Ursprung noch in dem Wort | |
„Maydanoz“ enthalten. | |
Der etymologische Auskennerkram wäre aber nicht weiter interessant, wäre | |
die Petersilie in diesem Jahr nicht zu einem Symbol geworden – dem Symbol | |
der Pressefreiheit. Und wäre derjenige, mit dem dieses Symbol verknüpft | |
ist, nicht jemand, dessen Eltern aus Makedonien stammende Türken sind. | |
Es ist der deutsche Journalist Deniz Yücel. Vom 14. Februar 2017 bis zum | |
16. Februar 2018 war der Türkeikorrespondent der Welt von der türkischen | |
Regierung zunächst in polizeilichem Gewahrsam in Istanbul und dann im | |
Hochsicherheitsgefängnis von Silivri festgehalten worden. Der Grund: Er | |
hatte seine Arbeit gemacht. Der Rest ist bekannt. | |
## Symbol für den Kampf um Pressefreiheit | |
Einiges von dem, was nicht bekannt ist, lässt sich im Frühjahr in seinem | |
Buch [1][„Agentterrorist. Wie ich einmal eine schwere diplomatische Krise | |
ausgelöst habe und warum es nicht reicht, besorgt zu sein“] nachlesen. | |
Dass die Petersilie zum Symbol für den Kampf um Pressefreiheit wurde, liegt | |
daran, dass Deniz Yücel in einem seiner Briefe aus dem Gefängnis beschrieb, | |
dass er bei seinen wöchentlichen Bestellungen im Knastladen gern Grünzeug | |
einkaufte: Dill, weil ihn das an Bäume erinnerte, Petersilie, weil sie ihn | |
an seine Frau Dilek Mayatürk-Yücel erinnerte. | |
Sie hatte die Petersilie in ihrem ersten gemeinsamen Urlaub zur [2][„Blume | |
unserer Liebe“] erklärt. Diese Petersilie steckte der Inhaftierte dann in | |
abgeschnittene Plastikflaschen, seine Ersatzvasen. | |
Am 16. Februar stand ich mit Dilek Mayatürk-Yücel, dem Anwalt Veysel Ok, | |
dem Welt-Kollegen Daniel-Dylan Böhmer, dem deutschen Generalkonsul Georg | |
Birgelen und den beiden Freunden Imran Ayata und Mustafa Ünalan vor dem | |
Gebäude des berüchtigten Silivri 9. Zunächst waren Leute rausgekommen, die | |
mehrere blaue Müllsäcke vor uns stellten und sagten, dass seien Deniz’ | |
Sachen. | |
Und dann war es wie im Film: Durch eine kleine offen stehende Tür in dem | |
riesigen eisernen verschlossenen Tor kam Deniz gelaufen. In der Hand einen | |
Strauß Petersilie. Die Wachen vor dem Tor hatten uns verboten, Fotos zu | |
machen. In diesem Moment dachte aber auch niemand von uns an Fotos. Wir | |
schrien vor Freude. | |
## Betonwände, Gefängniszellen und Freiheit | |
Aber Veysel Ok, Deniz’ Anwalt, berühmt für seine kluge Gelassenheit, zückte | |
sein Handy und machte [3][das Foto des Jahres:] Deniz umarmt Dilek, mit | |
einem Petersilienstrauß. | |
Das Kulturmagazin des Goethe-Instituts, das goethe, hatte als Titelbild | |
seiner diesjährigen Ausgabe zum Thema „Freiheit“ einen Strauß Petersilie, | |
der in einer abgeschnittenen Plastikflasche steckt und vor einer grauen | |
Betonwand steht. Großartig! | |
Ursprünglich hatte die Petersilie nichts zu tun mit Betonwänden, | |
Gefängniszellen und Freiheit. Jetzt hat sich der doldenblütelnde Neophyt | |
auch dieses Gebiet erobert. Übrigens: Dass die Petersilie makedonischen | |
Ursprungs ist, wusste Deniz bisher nicht. | |
28 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.kiwi-verlag.de/buch/agentterrorist/978-3-462-05278-7/ | |
[2] https://www.welt.de/politik/ausland/article166572282/Ich-klebe-Petersilie-a… | |
[3] https://twitter.com/shemmoshemmo/status/964479912378814464/photo/1?ref_src=… | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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