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# taz.de -- Europäisches Gericht urteilt: Abgasmessung muss realistisch sein
> Das EU-Gericht beanstandet, dass die EU-Kommission bei den neuen
> Straßenmessungen die Stickoxid-Grenzwerte für Autos aufgeweicht hat.
Bild: Müssen im Zweifel draußen bleiben: Diesel der Euronorm 6
Das Europäische Gericht (EuG) in Luxemburg hat die Verwässerung der
strengen Euro-6-Grenzwerte für Pkws für nichtig erklärt. Die EU-Kommission
habe hier ihre Kompetenzen überschritten. Damit war eine Klage der Städte
Paris, Brüssel und Madrid erfolgreich. Das Urteil ist allerdings noch nicht
rechtskräftig.
Die Abgasgrenzwerte im europäischen Binnenmarkt werden schon seit Langem
EU-einheitlich in direkt geltenden Verordnungen von Ministerrat und
Europäischem Parlament festgelegt und regelmäßig verschärft. In einer
Verordnung von 2007 wurden die fortschrittlichen Grenzwerte Euro 5 und Euro
6 eingeführt.
Als Problem hatte sich erwiesen, dass die Einhaltung der Grenzwerte für die
Zulassung der Fahrzeugtypen nur auf dem Prüfstand gemessen wurde. Die
Bedingungen und Fahrzyklen entsprachen aber zum einen nicht den Bedingungen
im Straßenverkehr. Zum anderen entwickelte die Auto-Industrie Software, die
erkannte, wenn ein Fahrzeug auf dem Prüfstand rollte. Nur dann wurde die
volle Abgasreinigung durchgeführt. Ansonsten blieb die Abgasreinigung
teilweise abgeschaltet, um bessere Leistung zu erzielen und den
Reinigungszusatz nicht so häufig nachfüllen zu müssen.
Um solche Manipulationen zu vermeiden, müssen nach den neuesten
EU-Standards die Abgastests bei der Typenzulassung im praktischen
Fahrbetrieb gemessen werden – als sogenannte Real Driving Emissions (RDE).
In einer Verordnung der EU-Kommission von 2016 sollten die Details geklärt
werden. Dabei ließ die EU-Kommission aber großzügige Abweichungen von den
Grenzwerten zu. Statt der bei Euro 6 vorgeschriebenen 80 Milligramm
Stickoxid pro Kilometer sollten für eine Übergangszeit 168 Milligramm pro
Kilometer genügen, ab 2020 dann 120. Die Kommission begründete diesen
„Berichtigungskoeffizienten“ mit statistischen und messtechnischen
Ungenauigkeiten.
Dagegen klagten jedoch die Städte Paris, Brüssel und Madrid. Sie sahen ihre
Bemühungen zur Einhaltung der Luft-Grenzwerte gefährdet, wenn die
EU-Kommission eigenmächtig die Grenzwerte bei der Kfz-Typenzulassung
aufweiche. Die Städte erhoben daher beim EU-Gericht Nichtigkeitsklage.
## Signalwirkung für Deutschland
Die Kommission hielt die Klagen für unzulässig, weil die Städte nicht
direkt betroffen seien. Das EU-Gericht ließ jedoch die Klage zu. Da
Kfz-Typen, die nach den neuen RDE-Prüfvorschriften zugelassen wurden, nicht
in Verkehrsbeschränkungen wie Fahrverbote einbezogen werden könnten, habe
die Kommission durch die faktische Erhöhung der Grenzwerte die
Handlungsfähigkeit der Städte eingeschränkt.
Auch in der Sache hatte die Klage Erfolg. Die Kommission sei nicht befugt
gewesen, die einzuhaltenden Grenzwerte zu ändern. Sie habe nur die
Verfahren und Prüfungen bei der Typengenehmigung näher ausgestalten dürfen.
Die Kommission habe also keine Berichtigungskoeffizienten einführen dürfen.
Denn dadurch lasse sich „unmöglich feststellen“, ob die Euro-6-Norm
eingehalten wird.
Gegen das Urteil des EU-Gerichts sind noch Rechtsmittel zum Europäischen
Gerichtshof möglich. Die EU-Kommission hat hierfür zwei Monate Zeit. Um
Rechtsunsicherheit zu vermeiden, soll die jetzige Kommissionsregelung
allerdings noch rund 14 Monate anwendbar bleiben, so das EuG.
In Deutschland plant die Bundesregierung, bei leichter Überschreitung der
Stickoxid-Grenzwerte Fahrverbote auszuschließen. Das Luxemburger Urteil ist
auf diese Frage zwar nicht direkt übertragbar. Remo Klinger, Anwalt der
Deutschen Umwelthilfe, sieht dennoch eine Signalwirkung für Deutschland.
„Versuche, die Immissionsgrenzwerte durch deutsches Recht aufzuweichen,
werden ebenfalls scheitern“.
13 Dec 2018
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Diesel
Gericht der Europäischen Union (EuG)
EU-Kommission
Fahrverbot
Stickstoffdioxid
Diesel-Nachrüstung
VW-Abgas-Skandal
Schwerpunkt Klimawandel
Dieselskandal
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