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# taz.de -- Wer bekommt mehr Geld im neuen Jahr?: Linke Tasche, rechte Tasche
> Was ändert sich 2019? Das kommt auf die Perspektive an. RentnerInnen und
> Schwarzhändler profitieren, Arbeitslose eher nicht.
Bild: Ein paar Kröten extra hie und da – aber letztlich werden Arme und Geri…
Berlin taz | Im neuen Jahr ändert sich einiges – ob zum Guten oder zum
Schlechten kommt auf die Perspektive an. RentnerInnen geht es im Schnitt
etwas besser, Kleinselbständige können sich eher eine Krankenversicherung
leisten. Dieselfahrer weinen. Und bei vielen Menschen bleibt unterm Strich
alles beim Alten. Die Frage lautet: Zu welcher Gruppe gehöre ich?
Nicht jeder ist Superverdiener, Bargeldfetischist, Großdealer oder
Schwarzhändler. Diese freuen sich möglicherweise über die neuen 100- und
200-Euroscheine, die ab Ende Mai von der Europäischen Zentralbank
ausgegeben werden. Die Scheine sind mit neuen Sicherheitsmerkmalen
versehen, also fälschungssicherer. Die Scheine sind etwas kleiner als ihre
Vorgänger, passen also auch in großen Mengen unauffällig in kleinere
Taschen. Die alten Scheine bleiben aber gültig.
Mindestlöhnern dürften die neuen Hunnis eher wurscht sein, denn auch mit
einem Mindestlohn von 9,19 Euro in der Stunde, der ab Januar verpflichtend
ist, [1][bleibt man Bescheidenverdiener]. Minijobber dürften vom neuen
Mindestlohn möglicherweise gar nicht besonders profitieren, denn es gilt
auch 2019 eine obere Verdienstgrenze von 450 Euro monatlich für
geringfügige Beschäftigung. Damit die Minijob-Grenze mit dem höheren
Stundenmindestlohn nicht überschritten wird, werden manche Arbeitgeber
möglicherweise einfach die Arbeitszeit reduzieren.
Wobei die Beschäftigten auf die Idee kommen könnten, mehr zu arbeiten und
in die Zone der Midijobber zu rutschen. Midijobber sind Berufstätige mit
einem Einkommen zwischen 450 und 850 Euro im Monat, die aber nicht die
vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Ab Juli 2019 wird dieser
Übergangsbereich erweitert. Man zahlt dann in der Verdienstzone zwischen
450 und 1.300 Euro brutto geringere Sozialversicherungsbeiträge als bisher,
die Rentenansprüche werden dabei staatlich aufgestockt.
Die allermeisten Midijobber werden Teilzeitkräfte sein. Und Teilzeitarbeit
könnte im nächsten Jahr möglicherweise an Attraktivität gewinnen. Denn ab
dem ersten Januar haben Beschäftigte einen Anspruch darauf, ihre
Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren und später wieder
zu einer vorher vereinbarten längeren Arbeitszeit zurückzukehren. Diese
sogenannte „Brückenteilzeit“ können aber nur Beschäftigte in Betrieben m…
mehr als 45 Arbeitnehmern fordern. Sie ist besonders interessant für
Eltern.
Eltern bekommen im neuen Jahr mehr Kindergeld, aber erst im Juli 2019. Dann
gibt es zehn Euro monatlich mehr für jedes Kind. Fürs erste und zweite Kind
erhält man dann jeweils 204 statt bisher 194 Euro, fürs dritte Kind 210
Euro. Die steuerlichen Freibeträge für gutverdienende Eltern steigen
entsprechend. Zehn Euro mehr pro Kind, das ist immerhin eine Steigerung von
fünf Prozent.
Hartz-IV-EmpfängerInnen [2][mit Kindern] haben allerdings wie immer nichts
von der Erhöhung des Kindergeldes, weil ihnen diese Leistung voll auf den
Hartz-IV-Bezug angerechnet wird. Wobei die Hartz-IV-Regelsätze im Jahre
2019 steigen, wie jedes Jahr. Ab dem ersten Januar erhalten Alleinstehende
monatlich acht Euro mehr, also einen monatlichen Regelsatz von 424 Euro
statt bislang 416 Euro. Angehörige und Kinder in Familien im Hartz-IV-Bezug
bekommen ebenfalls entsprechend höhere Regelsätze. Die Steigerung beträgt
rechnerisch knapp zwei Prozent. Leider liegt die prognostizierte
Inflationsrate für 2019 ebenfalls bei mindestens zwei Prozent, sodass sich
[3][an der Armut] nichts ändert.
Besser dran sind die Rentner und Rentnerinnen, jedenfalls im Schnitt. Die
Renten steigen wie jedes Jahr auch 2019 ab dem ersten Juli, und zwar im
Westen um 3,18 und im Osten um 3,91 Prozent. Die gute Konjunktur und die
Beschäftigungslage sind der Grund für die positive Entwicklung der
Rentenfinanzen.
Rentnerinnen mit Nachwuchs haben es im neuen Jahr sogar noch etwas besser.
Mütter, deren Kinder vor dem ersten Januar 1992 geboren wurden, bekommen
statt bisher zwei künftig 2,5 Entgeltpunkte pro Kind für die Rente
gutgeschrieben. Das macht immerhin im Westen monatlich 16 Euro mehr an
Rente (Osten: 15,40 Euro) aus. Im Vergleich zu jüngeren Müttern allerdings
erhalten die älteren Frauen immer noch einen halben Rentenpunkt weniger pro
Kind.
Besser geht es auch ErwerbsminderungsrentnerInnen, die im kommenden Jahr
neu in diese Sozialleistung eintreten. Ihnen werden ab Januar verlängerte
sogenannte Zurechnungszeiten gutgeschrieben, um die Rente zu berechnen. Das
bedeutet für den durchschnittlichen Erwerbsminderungsrentner ein plus von
rund 70 Euro im Monat, sagt die Deutsche Rentenversicherung.
Diese Erhöhung gilt aber nur für NeurentnerInnen in der Erwerbsminderung.
Die anderen bleiben bei ihren alten Bezügen. Die durchschnittliche
Erwerbsminderungsrente betrug im Jahre 2017 rund 780 Euro im Westen – wenn
die Wohnung nicht billig ist, kommt man damit auf ein geringeres Einkommen
als Hartz-IV.
Auch für BeitragszahlerInnen im Allgemeinen ändert sich was. Dabei gilt ein
wenig das Prinzip: linke Tasche, rechte Tasche. Die Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung sinken um 0,5 Prozentpunkte ab Januar, die
Beiträge zur Pflegeversicherung steigen um zufällig genau 0,5 Prozent, auch
ab Januar.
Allerdings müssen sich an den Krankenversicherungsbeiträgen ab 2019 die
Arbeitgeber wieder genau hälftig beteiligen. Wer 3.000 Euro brutto
verdient, zahlt dadurch beispielsweise monatlich etwa 15 Euro weniger an
Krankenversicherung. Besser wird es für Kleinselbständige. Sie mussten als
freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens
340 Euro an Beiträgen zahlen – diese sinken auf etwa 171 Euro im Monat,
wenn das Monatseinkommen 1.000 Euro im Monat kaum überschreitet.
Es gibt heftigere Einschnitte, die Einzelne treffen. DieselautofahrerInnen
zum Beispiel müssen ein paar Kröten schlucken für die Umwelt: In immer mehr
Kommunen kommen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Schon ab erstem
Januar sind zum Beispiel in der gesamten Umweltzone von Stuttgart private
Diesel bis Euronorm 4 nicht mehr erlaubt. Nach einer dreimonatigen
Übergangsfrist gilt das auch für EinwohnerInnen, später eventuell auch für
Diesel der Schadstoffklasse Euronorm 5. Im Laufe des Jahres folgen
Fahrverbote in weiteren Städten wie Köln, Essen, Berlin und anderen. Einige
Kommunen befinden sich noch in Auseinandersetzungen mit den Gerichten, ob
und in welcher Form Fahrverbote für sie gelten werden.
Da lohnt sich vielleicht der Umstieg aufs Dienstfahrrad. Denn ab 2019 muss
der sogenannte geldwerte Vorteil, der sich aus der Überlassung eines
Dienstfahrrades ergibt, nicht mehr versteuert werden – auch bei E-Bikes.
Wer nicht strampeln und trotzdem ökologischer zur Arbeit unterwegs sein
will: Besonders gefördert werden auch elektrisch betriebene Dienstautos.
Überdies sind Jobtickets, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn
finanziert, künftig ebenfalls steuerfrei.
VerbraucherInnen sollten auch ein paar Neuerungen beachten. Stichwort:
Pfand. Denn Pfand bedeutet nicht automatisch Mehrweg. Das soll durch ein
neues Gesetz stärker bewusst gemacht werden. Ab dem ersten Januar müssen
Verkaufsstellen mit Hinweisschildern kennzeichnen, ob angebotene Getränke
in Ein- oder Mehrwegflaschen abgefüllt sind. Hintergrund ist, dass
Einwegflaschen, selbst wenn sie recycelt werden, lange nicht so nachhaltig
sind wie Mehrwegverpackungen. Diese können nämlich häufig wiederverwendet
werden, müssen also nicht jedes Mal unter Aufbietung von Energie und
Rohstoffen neu hergestellt werden. Jedoch werden sie immer seltener
eingesetzt: Wie die Verbraucherzentrale berichtet, ist der Anteil an
Mineralwasser-Mehrwegflaschen in den letzten 20 Jahren dramatisch gesunken,
von 93 Prozent (1991) auf 40 Prozent (2013).
Und was ist mit Wohnungssuchenden, einer der in den Großstädten am meisten
bemitleideten Gruppen? In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gilt ab
Januar eine verschärfte Mietpreisbremse. Der Vermieter muss bei
Vertragsabschluss ungefragt Auskunft über die Vormiete geben, wenn der
Mietzins mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel liegt. Wenn er nichts
sagt, kann die überhöhte Miete nach Vertragsabschluss vom Neumieter gerügt
und gesenkt werden – und der Vermieter kann sich dann zunächst nicht auf
sogenannten Ausnahmetatbestände oder eine eventuell hohe Vormiete berufen.
Die [4][Schlange der Wohnungssuchenden] wird dadurch allerdings auch nicht
kürzer.
1 Jan 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Erwerbsarmut-in-Deutschland/!5540806
[2] /Debatte-Grundeinkommen-fuer-Eltern/!5520322
[3] /Armutsbericht-2018/!5556050
[4] /Wohnungsnot-und-Gegenmassnahmen/!5548661
## AUTOREN
Andrew Müller
Barbara Dribbusch
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