# taz.de -- Atomkraftwerk kann abgerissen werden: Brunsbüttel kommt weg | |
> Schleswig-Holsteins Umweltministerium genehmigt das Rückbau-Konzept von | |
> Betreiber Vattenfall, aber das Zwischenlager mit Castoren bleibt. | |
Bild: Die Kühe und die Weide sollen bleiben, der Rest kommt weg: Atomkraftwerk… | |
HAMBURG taz | Das Atomkraftwerk Brunsbüttel an der Unterelbe wird | |
abgerissen. Den mehr als 700 Seiten dicken Genehmigungsbescheid für den | |
„Rückbau“, wie die Demontage des Meilers offiziell heißt, hat | |
Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) an Pieter | |
Wasmuth, Norddeutschland-Chef von Betreiber Vattenfall, überreicht. | |
„Der Atomausstieg wird nun auch in Schleswig-Holstein für jedermann | |
sichtbar“, sagt Albrecht. Damit beginnt die letzte Etappe für den ältesten | |
Atomreaktor im nördlichsten Bundesland: Mitte der 2030er-Jahre werde „eine | |
grüne Wiese an der Stelle des Kraftwerks“ sein, verspricht Wasmuth. | |
Das aber wird er schwerlich halten können. Denn noch lange Jahre werden | |
dort zwei Zwischenlager betrieben werden: Eine seit 2006 existierende Halle | |
für maximal 80 Castor-Behälter mit verbrauchten Brennstäben und ein neues | |
Lager, in dem 631 verrostete Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem | |
Abfall verwahrt werden müssen, die seit Anfang 2016 aus den Kavernen des | |
Meilers geborgen wurden. | |
Diese Fässer sollen irgendwann ins niedersächsische Endlager Schacht Konrad | |
gebracht werden – wenn dieses denn mal verfügbar ist. Und Zwischenlager für | |
den stark strahlenden Schrott sollen an allen Reaktorstandorten so lange | |
betrieben werden, bis Deutschland ein atomares Endlager gebaut hat. | |
Optimisten gehen davon aus, dass dies vielleicht 2050 der Fall sein könnte | |
– wo auch immer. | |
## Anwohner argwöhnisch | |
Karsten Hinrichsen bleibt deshalb voller Argwohn. „Voller unnötiger | |
Belastungen für Mitarbeiter, Anwohner und Umwelt“ sei die Planung, | |
kommentiert der Meteorologe aus Brokdorf, seit über 30 Jahren Ikone der | |
Anti-Atom-Bewegung an der Unterelbe. Betreiber Vattenfall gehe es bei | |
seinem Konzept vor allem darum, „möglichst viel Deponieraum zu sparen und | |
dafür Menschen und Natur als Billigdeponie zu missbrauchen“, vermutet er. | |
Auf dieses Geschenk zu seinem 76. Geburtstag lege er „keinen besonderen | |
Wert“ – auch nicht auf die beiden „meldepflichtigen Ereignisse“, über … | |
Vattenfall am Donnerstag die Atomaufsicht informieren musste: Eine | |
gebrochene Leckageleitung und der Ausfall einer Brandmeldeeinrichtung | |
gehören allerdings zum Alltag in dem Pannenreaktor. | |
Außerdem gibt es noch einen Berg an Problemschrott: Laut Vattenfall hat der | |
Meiler Brunsbüttel eine Masse von etwa 300.000 Tonnen, davon müssten | |
lediglich „2 % und damit ca. 6.000 t als radioaktiver Abfall endgelagert | |
werden“, ist in den „Fragen und Antworten“ zum Rückbau von Brunsbüttel … | |
der Website von Vattenfall zu lesen. | |
Die große Restmenge könne „so weit dekontaminiert (gesäubert) werden“, d… | |
sie als nicht-radioaktive Stoffe „entsorgt oder rezykliert werden können“. | |
Albrecht versichert, dass dies aber noch „der ausdrücklichen Zustimmung der | |
Reaktorsicherheitsbehörde“ in seinem Ministerium bedürfe. | |
Was Hinrichsen nicht beruhigt. Mit „willkürlichen Grenzwerten“ könne die | |
Menge des angeblich ungefährlichen Schrotts nach Belieben gesteigert | |
werden, vermutet er. „Der Tenor von Vattenfall ist: Je mehr radioaktiven | |
Abfall wir in die Umwelt entlassen können, umso weniger kostet uns die | |
Entsorgung“, lautet seine Interpretation. „Das Ziel ist ein sehr schlanker | |
Abriss.“ | |
Ähnlich sieht das auch Ole Eggers. „Der vorbeugende Strahlenschutz wird | |
nicht ernst genug genommen“, klagt der Landesgeschäftsführer des | |
Umweltverbandes BUND. Nach den Empfehlungen der Expertenkommission der | |
Bundesregierung sollen Abfälle mit einer Strahlenbelastung von weniger als | |
zehn Mikrosievert als unbedenklich eingestuft und auf gewöhnlichen Deponien | |
gelagert werden dürfen. Zehn Mikrosievert pro Jahr entspricht einem | |
Hundertstel der Belastung bei einer Computertomographie. | |
Dennoch gilt dieser Grenzwert Atomkritikern als viel zu hoch. „Der | |
Strahlenschutz der Bevölkerung und der Umwelt geht vor“, sagt Eggers. | |
Vattenfalls Rückbaukonzept, welches das Umweltministerium jetzt genehmigt | |
hat, „werden wir sehr genau prüfen und bewerten“, versichert Eggers – | |
anschließende Gerichtsverfahren nicht ausgeschlossen. | |
21 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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