# taz.de -- Kommentar Grüne und Abschiebungen: Menschenrecht und Härte | |
> Annalena Baerbocks Zitat zu Abschiebungen für Straftäter klingt nach | |
> neuer Härte. Dabei ist das für die Grünen nichts Neues. | |
Bild: Können mehr als Kuscheln: Grüne | |
Das Nebeneinander von Theorie und Praxis grüner Asylpolitik ließ sich in | |
dieser Woche genau studieren: Am Mittwoch legte Parteichefin Annalena | |
Baerbock im [1][Interview mit der Süddeutschen Zeitung] dar, wie die | |
[2][Grünen] Menschenrechte und Härte am liebsten ausbalancieren würden. Wie | |
durchsetzungsfähig sie damit sind, konnte man dann am Tag darauf im neuen | |
schwarz-grünen Koalitionsvertrag für Hessen nachlesen. Das Ergebnis lässt | |
daran zweifeln, dass die Partei in der Asyldebatte wirklich auf die | |
richtige Strategie setzt. | |
In ihrem Interview [3][erklärte Baerbock beide Seiten der grünen | |
Asylpolitik]: Natürlich müsse Deutschland Geflüchtete aufnehmen und den | |
Integrationswilligen die Integration auch ermöglichen. In Kriegsgebiete, | |
zum Beispiel nach Afghanistan, dürfe der Staat auf keinen Fall abschieben. | |
Auf der anderen Seite müsse der Staat aber auch hart durchgreifen – heißt | |
unter anderem: Straftäter nach der Haft konsequent abschieben, sofern es | |
die Lage im Heimatland erlaubt. Verkürzt kam davon bei vielen an, Baerbock | |
wolle eine härtere Abschiebepolitik. Dabei entspricht ihre Position | |
weitestgehend der geltenden Rechtslage und dem Kurs, den ihre Partei in der | |
Asylpolitik schon lange fährt. | |
Aus einer radikal egalitären Perspektive lässt sich diese Position | |
natürlich kritisieren: Warum werden Täter mit unsicherem Aufenthaltsstatus | |
durch Abschiebung ein zweites Mal bestraft, während allen anderen Tätern | |
nach Verbüßung der Haft die Gelegenheit zur Resozialisierung eingeräumt | |
wird? Dass die Grünen von dieser radikalen Position schon lange abgerückt | |
sind und dass die Parteispitze die Bereitschaft zur Härte jetzt auch noch | |
von sich aus kommuniziert, ist aber zumindest verständlich. | |
Da ist erstens das Bemühen, die Akzeptanz für das Asylsystem als Ganzes | |
aufrechtzuerhalten. Das Grundrecht des einen Asylbewerbers verliert ja | |
nicht dadurch an Wert, dass ein anderer Asylbewerber raubt oder mordet. | |
Offenbar glauben die Grünen aber nicht, dass sie mit dieser Argumentation | |
durchdringen können. Also schließen sie sich der populäreren Ansicht an, | |
dass der straffällig gewordene Asylbewerber im Rahmen des Rechtsstaats mit | |
größtmöglicher Härte bestraft werden müsse, damit die Bevölkerung nicht | |
irgendwann dem Unbescholtenen sein Grundrecht verwehrt. | |
Da ist zweitens das Bemühen, als 20-Prozent-Partei über die ursprünglichen | |
Wählermilieus hinaus Anschluss zu finden. Der politische Gegner | |
diskreditiert eine klar humanitäre Haltung gern als weltfremdes | |
Gutmenschentum. Diesen Vorwurf wollen die Grünen offenbar entkräften, indem | |
sie zeigen: Wir können auch Härte. | |
## Sich zur Repression zu bekennen, ist immerhin ehrlich | |
Und drittens kommen die Grünen als Regierungspartei in den Ländern und | |
potenziell auch wieder im Bund um das Thema Abschiebung gar nicht herum. | |
Repressive Maßnahmen tragen sie in der Praxis mit, das erwarten allein | |
schon die Koalitionspartner. Sich dazu klar zu bekennen, statt peinlich | |
berührt zu schweigen, ist immerhin ehrlich. | |
Einerseits. Andererseits befinden sich die Grünen damit in einer defensiven | |
Position. Im öffentlichen Diskurs, der sich in Asylfragen ohnehin schon | |
stark auf die Aspekte Abschottung und Abschiebung konzentriert, singen sie | |
mit den anderen mit – besorgt, mit einer eigenen Melodie womöglich | |
aufzufallen. Damit geraten sie aber in eine schwierige Verhandlungsposition | |
vor allem dort, wo sie mit der Union regieren wollen. Denn warum sollte | |
diese den Grünen in Koalitionsgesprächen Zugeständnisse machen, wenn die | |
Grünen das nicht mal selbst fordern? | |
Das Ergebnis sieht man eben in Hessen. Dort haben die Grünen zwar durchaus | |
einige Verbesserungen für Flüchtlinge in den Koalitionsvertrag | |
hineinverhandelt. Sie haben aber auch die Ankündigung geschluckt, weiterhin | |
Straftäter nach Afghanistan abzuschieben. Aus der angestrebten Balance von | |
Menschenrechten und Härte ist am Ende nichts geworden. | |
22 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/baerbock-interview-fluechtlinge-1.42583… | |
[2] /Gruene/!t5007739 | |
[3] /Annalena-Baerbock-ueber-Straftaeter/!5560252 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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