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# taz.de -- Daniel Cohn-Bendit über Gelbwesten: „Lasse mich nicht ins Trikot…
> Die Bewegung der Gelbwesten treibt die französische Regierung vor sich
> her. Was sind das für Leute? Daniel Cohn-Bendit über rechte Kader und
> linke Hoffnungen.
Bild: „Diese Bewegung hat mehr als nur leichte autoritäre Züge“, sagt Dan…
taz: Daniel Cohn-Bendit, was ist gerade los in Frankreich, was verbirgt
sich hinter der Bewegung [1][der Gelbwesten (Gilets jaunes)]?
Daniel Cohn-Bendit: Es ist eine Revolte gegen eine soziale Ungerechtigkeit,
eine, die seit Langem währt. 1995 sprach der konservative
Präsidentschaftskandidat Jacques Chirac von „la fracture“, vom „Bruch“…
den sozialen Verhältnissen.
Wenn das Problem so lange schon bekannt ist: Weshalb hat der nun amtierende
Präsident Emmanuel Macron diesen „Bruch“ nicht beseitigt – er ist doch
[2][als Reformpräsident gewählt worden]?
Das ist wirklich eine richtige, das ist die entscheidende Frage. Macron hat
ja im Wahlkampf versprochen, diese Spaltung des Landes in sozialer Hinsicht
zu beseitigen. Bislang ist das noch nicht gelungen. Die Bewegung der Gilets
jaunes speist sich aus der Stimmung gegen ihn – zumal er sich einige nicht
nur sprachliche Ausrutscher geleistet hat, die ihn als arroganten
Präsidenten zeigten.
Sie finden die Bewegung, von der wir aus ganz Frankreich berichtet
bekommen, gut?
Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Ich habe diese Bewegung nur im
Hinblick auf ihre sozialen Ursprünge beschrieben.
Würden Sie auch ein „Gelbes Hemd“ anziehen?
Falls ich so antworten darf: Das ist schon aus historischen Gründen für
mich ganz unmöglich. Der Judenstern, den die Nazis jüdischen Bürgern und
Bürgerinnen aufzwangen, war ja gelb … Aber falls ich davon absehe: Ich
lasse mich nicht zwingen, ein Trikot anzuziehen, das ich mir nicht
überziehen will.
Wurden Sie gezwungen?
Ich nicht, aber das haben Leute erlebt, die die Straßensperren passieren
wollten – sie sollten aber nur weiterfahren dürfen, wenn sie sich ein
„gilet jaune“ überziehen – das nenne ich Zwang, und den lehne ich strikt
ab. Diese Bewegung hat mehr als nur leicht autoritäre Züge. Sie lehnt das
Gespräch ab, sie will keinen Kompromiss finden. Zum Beispiel hat sie
diejenigen, die einen Verhandlungskompromiss finden wollten, mit dem Tod
bedroht. Keine Stimme in den sozialen Medien der Bewegung hat sich dagegen
aufgelehnt. Sie wollen den demokratisch gewählten Präsidenten weghaben.
Manche erinnert die Bewegung der Gelbwesten an die Unruhen des Jahres 1968
in Paris.
Grotesk! Damals hatten wir es an der Staatsspitze mit einem General zu tun,
mit Charles de Gaulle, heute haben wir es mit einer Bewegung zu tun, wie
Sprecher es ausdrücken, die am liebsten wieder einen General an der Spitze
hätte: General Pierre de Villiers.
Aber es geht doch um eine Basisbewegung …
Nein, schon der Begriff verdeckt, dass nicht alle mitmachen und mitmachen
wollen. José Bové, der große Kämpfer in der Antiglobalisierungsbewegung,
der radikale Landwirt, sagt: Der überwiegende Teil der Gelbwesten-Bewegung
stammt aus dem Front National, aus dem Reservoir der ganz Rechten – mit
denen will er nichts zu tun haben.
Wie dem auch sei: Präsident Macron gilt ja nicht grundlos als Präsident der
Reichen – die Abschaffung der sogenannten Reichensteuer gleich am Anfang
seiner Amtszeit zählt doch dazu.
Das mögen Experten kompetenter bewerten, aber viele, die ich für klug
halte, sagen, diese Reichensteuer habe nichts gebracht – andere, die ich
für genauso klug halte, fordern die Wiedereinführung.
Und zugleich ist es Macron gewesen, der in den Banlieues neue
Sozialprogramme ablehnt.
So stimmt das nicht. Er hat das Paket der neuen Maßnahmen zum Teil
abgelehnt, versucht aber zum Beispiel mit der besseren Versorgung von
Schulen mit Lehrer*innen in den Banlieues langfristig etwas zu verändern.
Richtig ist, dass er genauso wenig wie seine Vorgänger eine schlüssige
Strategie für diese abgehängten Orte hat.
Woraus entnehmen Sie, dass die Anführer der Gelbwesten rechtsradikalen
Haltungen nahestehen?
Einige der Anführer, die jetzt das Wort im Fernsehen führen, haben ihre
Websites voller Texte gegen Muslime, gegen Ausländer, gegen alles Fremde.
Vielleicht sind dies nur Einzelne.
Es sind nicht alle, aber sehr viele. Die Linke macht mal wieder den Fehler,
den sie immer macht: [3][Revolten, die ihr Herz erwärmen, schon für
emanzipativ zu halten]. In Deutschland dachten Linke, vor allem die KPD,
nach den Verträgen von Versailles, als es Armutsproteste in Deutschland
gab, dass nun die Zeit für sowjetische Verhältnisse komme. Zehn Jahre
später kam alles ganz anders … wie wir wissen.
Die Ökosteuer für Benzin und Diesel ist jetzt [4][ein Jahr ausgesetzt] –
ist das gut?
Politisch ist das das Gebot der Stunde – ökologisch eine Katastrophe. Es
geht nicht anders. Im kommenden Jahr müssen die Ökobewegung und der
Umweltminister dafür sorgen, dass ein sozialer Ausgleich geschaffen wird,
damit die Ökosteuer wieder eingeführt werden kann.
6 Dec 2018
## LINKS
[1] /Gelbwesten-Proteste-in-Frankreich/!5553392
[2] /Schwerpunkt-Emmanuel-Macron/!t5367717
[3] https://infos-israel.news/🔴-ce-gilet-jaune-annonce-que-les-juifs-so…
[4] /Gelbwesten-Protest-in-Frankreich/!5557106
## AUTOREN
Jan Feddersen
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