# taz.de -- Kramp-Karrenbauer und die „Ehe für alle“: Die heteronormative … | |
> CDU-Vorsitz-Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer betont ihre Ablehnung | |
> der Eheöffnung. Eine Kulturkriegerin von katholischen Gnaden? | |
Bild: Kramp-Karrenbauer würde einen mehr vatikanisch geprägten Ton in die pol… | |
BERLIN taz | Es war eigentlich unnötig für sie, dieses politische Fass | |
wieder aufzumachen. In ihrem ersten [1][Statement nach Bekanntgabe der | |
Kandidatur für die Nachfolge Angela Merkels] als CDU-Parteivorsitzende hat | |
sie ein von der Kanzlerin vor anderthalb Jahren abgeräumtes Reformprojekt | |
wieder in Frage gestellt: Annegret Kramp-Karrenbauer teilte mit, sie lehne | |
die „Ehe für alle“, die Öffnung der bis dahin exklusiv heterosexuellen Ehe | |
für gleichgeschlechtliche Paare, ab. | |
Das war einerseits erstaunlich, weil der sozialdemokratischen | |
Gesetzesinitiative im Juni 2017 nicht nur alle Abgeordneten der Linkspartei | |
und der Grünen folgten, sondern auch immerhin 75 von 309 Abgeordnete der | |
Union, darunter wichtige Fellows von Angela Merkel wie Peter Altmaier, | |
Ursula von der Leyen und Peter Tauber. Merkel selbst stimmte freilich, | |
integrativ in ihre Partei hinein, mit Nein. | |
Kramp-Karrenbauer, damals noch Ministerpräsidentin des Saarlands, sagte, | |
nachdem der Bundesrat die „Ehe für alle“ anstandslos passieren ließ: „I… | |
halte an meiner ablehnenden Haltung fest. Ich sehe in meiner Partei, dass | |
dazu jeder seine persönliche Meinung hat, das respektiere ich. Mit der | |
Entscheidung für die Ehe für alle wird die Welt sicherlich nicht | |
zusammenstürzen. Man muss aber im Blick behalten, dass das Fundament | |
unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts dadurch nicht schleichend | |
erodiert.“ | |
Im gleichen Sinne äußerte sie sich im Wahlkampf für den CDU-Bundesvorsitz: | |
Mit der Öffnung der Ehe gäbe es die Möglichkeit, dass es womöglich auch | |
polyamorose Vielehen und inzüchtige Geschwisterehen geben könnte. Für diese | |
Äußerung erhielt AKK gleich prasselnden [2][Applaus der queeristischen | |
Szene, die traditionell Beziehungsformen klassischer Art] ohnehin | |
abgeschafft sehen will. | |
## Nur Wahltaktik? | |
AKKs Rivale indes, [3][der offen schwule Jens Spahn], der seit Ende vorigen | |
Jahres mit einem Mann verheiratet ist, hat sich natürlich beleidigt | |
gefühlt, ja, fühlen müssen. In den politischen Kämpfen zur „Ehe für alle… | |
hatte er immer wieder betont, dass es eigentlich ein konservatives Anliegen | |
sein müsse, in das Eheinstitut auch homosexuelle Paare zu integrieren. | |
Eine standesamtlich besiegelte Verantwortung zweier Menschen füreinander | |
sei schließlich ein konservativer Wert. Genau deshalb unterstützte in | |
Großbritannien besonders die konservative Partei die „Ehe für alle“ – z… | |
die anglikanische Kirche dort seit Langem ein eher modernes Eheverständnis | |
hegt. | |
Die Frage ist nur, ob Kramp-Karrenbauer ihre „Haltung“ (so ihr eigenes Wort | |
für das, was sie grundsätzlich denkt) ernst meint – oder sie lediglich eine | |
„fake opinion“ geäußert hat, wie die [4][Zeit-Korrespondentin Mariam Lau | |
glaubt: die Bekanntgabe einer Meinung zum Schein] – um sich wahltaktisch | |
dem eher traditionalistisch orientierten CDU-Milieu zu empfehlen? | |
Ebenso, wie sie betont, verheiratet zu sein, immer noch mit dem ersten Mann | |
– und mit diesem gemeinsam Eltern dreier Söhne? Und dass sie dieses | |
persönliche Profiling auch – für ihre ins Auge genommene Klientel – | |
angenehm abhebt von der Kanzlerin, die keine Kinder hat und mit einem Mann | |
verheiratet ist, dessen Namen sie nicht trägt? | |
## Zweck von Sexuellem | |
Denn man darf schon fragen: Würde Kramp-Karrenbauer wirklich riskieren, die | |
„Ehe für alle“ wieder gesetzlich abzuwickeln? Könnte sie es wagen, einen | |
weit über ihre Partei hinaus nicht zu gewinnenden Kulturkampf zu entzünden? | |
Sind also für diese Frau, die auch bekennendes Mitglied des Zentralkomitees | |
der deutschen Katholiken ist, Äußerungen zur Gleichstellung Homosexueller | |
im Recht nur fingiert? | |
Mutmaßlich nicht. Denn Kramp-Karrenbauer hat tatsächlich ein eher lockeres | |
Verhältnis zur grundsätzlichen Religionsferne der Politik. Sie bezieht ihre | |
Inspirationen aus ihrem Engagement in der Laienschar des vatikanischen | |
Klerus, das ist in Deutschland für prominente Christ*innen seit jeher | |
selbstverständlich. | |
Der Katholizismus lehnt die Öffnung der Ehe so strikt ab wie sonst nur | |
Schwangerschaftsabbrüche. Das eine ist für diese Glaubensrichtung die | |
Verletzung der Gattungsordnung schlechthin, die Suspendierung des | |
christlichen Verständnisses von Ehe, also nicht die Liebe, sondern die | |
Fortpflanzung als erst- und letztgültigen Zweck von Sexuellem, das andere | |
ist ihr die Tötung von Leben. | |
Mit einer Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin Merkels werden also | |
Gesetzesprojekte wie [5][die Abschaffung des §219a] (Abschaffung des | |
Verbots für Ärzt*innen, auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs | |
in ihren Praxen hinzuweisen) oder die Reform des ehelich orientierten | |
Abstammungsrechts (das für gleichgeschlechtliche Ehepaare nach wie vor | |
nicht gilt) nicht zu machen sein. | |
Die CDU-Generalsekretärin würde auch atmosphärisch einen anderen, mehr | |
vatikanisch geprägten Ton in die politische Arena tragen. Das ist für alle | |
Liebes- und Lebensformen [6][jenseits der kinderproduktionsorientierten | |
Heteroehen] keine gute Nachricht. | |
P.S.: In einem [7][Interview mit dem ZDF-„Morgenmagazin“] beteuert sie, das | |
Gesetz zur „Ehe für alle“ keineswegs rückgängig machen zu wollen. | |
„Selbstverständlich“ erkenne sie den Beschluss des Bundestages an. Und auch | |
ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare werde sie nicht | |
bekämpfen: „Wenn Homosexuelle Pflegeeltern sein können, dann können sie | |
auch Adoptiveltern sein. Das Adoptionsrecht knüpft sich auch an die | |
Entscheidung des Bundestags, die Ehe für alle zu öffnen.“ Offenkundig ist | |
die Saarländerin eine realitätstaugliche Person – und kann sich der | |
Zustimmung jener Delegierten in Hamburg sicher sein, die weiterhin dem | |
symbolischen Unterschied in der Ehe zugunsten heterosexuell orientierter | |
Menschen nachtrauern. | |
6 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.queer.de/detail.php?article_id=32307 | |
[2] https://www.zeit.de/kultur/2018-11/ehe-fuer-alle-homophobie-annegret-kramp-… | |
[3] https://www.queer.de/detail.php?article_id=32341 | |
[4] https://twitter.com/MariamLau1/status/1069697518500487169 | |
[5] /Kommentar-zum-Streit-um-219a/!5547107 | |
[6] https://twitter.com/ZDFhamburg/status/1070594609741512704 | |
[7] https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/annegret-kramp-karrenbauer… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
## TAGS | |
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Schwerpunkt Paragraf 219a | |
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