# taz.de -- Lebensraum von Indigenen in Brasilien: Begegnung gegen den Hass | |
> Der rechte Präsident Jair Bolsonaro droht Reservate im Amazonas | |
> aufzulösen. Das Volk der Huni Kuin will sich durch den Kauf von Land | |
> schützen. | |
Bild: Im Amazonas leben hunderte indigene Stämme | |
Mit dem Amtsantritt von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro am 1. Januar | |
[1][droht dem Land eine neue Ära der Gewalt]. Der ultrarechte Politiker | |
will Reservate indigener Gemeinschaften zugunsten kommerziellen Landbaus | |
auflösen, die Abholzung des Amazonasgebiets und den Bergbau fördern und | |
Straßen in den Urwald bauen. | |
„Seit der Wahl von Bolsonaro fühlen wir alle eine Bedrohung. Wir sind in | |
einer Art Schockstarre. Wir haben große Angst, dass unseren Menschen und | |
unserer Natur etwas angetan wird“, sagt [2][Txana Bane im Gespräch mit der | |
taz]. Der 32-Jährige ist der Sohn des Häuptlings der Huni Kuin, eines etwa | |
15.000 Menschen umfassenden Stamms, der im brasilianischen Amazonas lebt, | |
im Bundesland Acre, an der Grenze zu Peru. | |
Der Hass auf Indigene zieht sich durch Bolsonaros Biografie. In einem | |
Beitrag der Zeitung Correio Braziliense von 1988 [3][wird er mit dem Satz | |
zitiert]: „Es ist eine Schande, dass die brasilianische Kavallerie nicht so | |
effektiv war wie die Amerikaner, die ihre Indianer ausgerottet haben.“ | |
Heute [4][sagt er Sätze wie]: „Wenn es nach mir geht, wird Indios in | |
Zukunft keinerlei Land mehr zugesprochen.“ Txana Bane spürt die Folgen noch | |
vor allem als verbale Attacken. „Es werden in Brasilien aber viele | |
Aktivisten umgebracht und das wird sicher noch schlimmer werden“, fürchtet | |
er. | |
Vertreter der Indigenen in Brasilien rufen international um Hilfe, fordern | |
die EU auf, Brasilien mit Handelssanktionen unter Druck zu setzen, um | |
ökologische Katastrophen und eine „soziale Vernichtung“ zu verhindern. Die | |
Reservate der Indigenen haben etwa ein Drittel der Größe Deutschlands, über | |
300 verschiedene Stämme leben dort, etwa 100 davon in völliger Isolation. | |
Auf dem Papier garantiert ihnen die brasilianische Verfassung ein | |
selbstbestimmtes Leben. Doch das kann sich nun rasch ändern. | |
## Westliche Welt – ein Krebsgeschwür | |
Deswegen ruft die Berliner Unternehmerin Alexandra Schwarz-Schilling, 54, | |
zum Landkauf im brasilianischen Urwald auf. „Die Gefahr für die indigenen | |
Völker und den Wald ist durch die Wahl stark gewachsen“, sagt sie. „Wenn | |
wir ihre Zukunft bewahren wollen – und damit auch unser aller Zukunft –, | |
müssen wir als Weltgemeinschaft aktiv werden.“ | |
Mit ihrem brasilianischen Mann hat sie vor einigen Jahren ein | |
Begegnungszentrum in Zentralbrasilien aufgebaut, vor sechs Jahren reiste | |
sie zum ersten Mal in den Wald nahe Jordão, an der Grenze zu Peru. Dorthin, | |
wo man viele Stunden mit dem Boot fahren muss, wo es keine Straßen gibt, | |
kein fließendes Wasser, keinen Strom. Dort lernte Sie Txana Bane kennen. Um | |
sein Volk und den Wald zu unterstützen, gründete Schwarz-Schilling einen | |
Verein, [5][Living Gaia e. V.] Sie sieht unsere Gesellschaft in der | |
Verantwortung: „Die westliche Welt benimmt sich wie ein Krebsgeschwür, der | |
den Organismus Erde langsam stranguliert.“ | |
Es sei sinnvoll, die Indigenen und den Wald als einen Komplex zu | |
betrachten, sagt Schwarz-Schilling. Das eine schütze das andere. So sehen | |
das auch die Indigenen selbst. „Der Schutz unserer Kultur und der Natur, in | |
der wir leben: Das gehört in unserem Leben immer zusammen. Unsere Kultur | |
ist verwoben mit der Natur“, sagt Txana Bane. | |
## Die Miete für den Planeten | |
Das Land, das er erwerben will, grenzt direkt an das Reservat der Huni | |
Kuin. Die 50 Hektar sind abgeholzt und gehören einem Farmer. Umgerechnet | |
35.000 Euro soll es kosten, das Land zu kaufen, wieder aufzuforsten und | |
einen Begegnungsort zu schaffen. Dort will Bane die Sprache, die Kultur und | |
das Wissen der Huni Kuin über Pflanzen und Heilung vermitteln. | |
Auch andere, größere Organisationen kümmern sich um den Erhalt des | |
Regenwaldes und deren Bewohner – Amazon Watch etwa, die Organisation bittet | |
online [6][um Solidaritätsbekundungen für Brasiliens Indigene.] Die NGO | |
Rettet den Regenwald [7][wirft auch Brasiliens Vorgängerregierung] die | |
Demontage des Umweltschutzes und der Rechte Indigener vor. | |
Land privat zu kaufen, um es vor Ausbeutung zu schützen, haben ebenfalls | |
bereits andere Organisationen verfolgt. Bekanntestes Beispiel ist der | |
US-Amerikaner Douglas Tompkins. Der 2015 verstorbene Gründer der | |
Bekleidungsunternehmen The North Face und Esprit kaufte mit seiner Frau | |
Kristine McDivitt, der ehemaligen Chefin des Labels Patagonia, etwa 800.000 | |
Hektar in Argentinien und Chile, um sie in Schutzgebiete umzuwandeln. | |
Kurz vor seinem Tod sagte Tompkins: „Ich weiß, dass nicht jeder meine | |
Mittel hat, aber ich sage, das macht nichts, unternimm etwas nach deinen | |
Möglichkeiten, du wirst es als lohnenswert und wertvoll empfinden und | |
bezahlst damit die Miete für dein Leben auf diesem Planeten. Tu es | |
einfach.“ | |
## Tücken der Bürokratie | |
Banes Vater hat bereits in den 70er-Jahren damit begonnen, Land zu kaufen, | |
um sein Volk zu schützen, darauf will Bane nun aufbauen: Offizieller Käufer | |
soll nicht der Verein Living Gaia e. V. sein, sondern die [8][Kooperative | |
Aru Kuxipa] der Huni Kuin. Die Kooperative ist mit Unterstützung des | |
international bekannten Künstlers Ernesto Neto entstanden. | |
Natürlich habe ein Landkauf in Brasilien auch Tücken, sagt | |
Schwarz-Schilling. Jeder bürokratische Schritt sei mit enormen Kosten | |
verbunden und könne Jahre dauern. Behörden könnten die Prozesse willkürlich | |
verzögern. Land in den Reservaten selbst zu erwerben, sei nicht | |
realistisch, da es dem Staat gehört: „Das will die Regierung den Indigenen | |
natürlich nicht verkaufen, vor allem jetzt nicht“, sagt Schwarz-Schilling. | |
Es sei sehr schwer, sich gegen die Interessen der brasilianischen Regierung | |
durchzusetzen, „das kann vielleicht die UNO. Aber sicher nicht wir, als | |
kleiner Verein.“ Privates Land sei jedoch nicht von Enteignung bedroht, da | |
Bolsonaro explizit damit wirbt, Privateigentum nicht antasten zu wollen. | |
Die Huni Kuin versuchen, den Präsidenten mit seinen eigenen Waffen zu | |
schlagen. | |
2 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Brasiliens-neuer-Praesident-vereidigt/!5562476 | |
[2] /Indigener-ueber-Brasiliens-Praesident/!5562443 | |
[3] https://www.survivalinternational.de/artikel/3542-Bolsonaro | |
[4] /Indigene-in-Brasilien/!5551533 | |
[5] http://www.living-gaia.org/waldkauf-im-amazonas.html | |
[6] https://amazonwatch.org/take-action/pledge-solidarity-with-brazils-resistan… | |
[7] https://www.regenwald.org/news/9075/brasilien-sojaexporte-treiben-abholzung… | |
[8] https://www.facebook.com/cooperativaarukuxipa.hunikuin.3 | |
## AUTOREN | |
Jana Petersen | |
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