# taz.de -- Flüchtlinge im Mittelmeer: Auch 2018 versagt Europa | |
> Italien lässt weniger Geflüchtete ins Land, in Libyen handeln kriminelle | |
> Banden mit Menschen. Tausende Menschen ertrinken im Meer. Eine Bilanz. | |
Bild: 17. Juni 2018: die „Aquarius“ mit Flüchtlingen an Bord im Hafen von … | |
BERLIN taz | Es war der 1. Juni, als Italiens Staatspräsident Sergio | |
Mattarella [1][die neue Regierung] aus der populistischen | |
Fünf-Sterne-Bewegung und der extrem rechten Lega Nord vereidigte. Deren | |
Vorsitzender Matteo Salvini wurde Innenminister. Gleich am ersten Tag | |
seines Amts fuhr er nach Sizilien. „Italien hat aufgehört, den Kopf zu | |
beugen und zu gehorchen, dieses Mal gibt es jemanden, der Nein sagt“, | |
erklärte Salvini. Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) rief ihn | |
an. Beide Minister seien sich bei Fragen von Sicherheit und Migration | |
„vollkommen einig“, verkündete Seehofers Büro danach. | |
Salvinis „Nein“ sah so aus, dass er wahr machte, womit seine Vorgänger nur | |
gedroht hatten: Er schloss Italiens Häfen für Schiffe, auf denen sich | |
Migranten und Flüchtlinge befinden. In den vorigen Jahren hatte das Land | |
Hunderttausende Schiffbrüchige aufgenommen. Jetzt mussten Rettungsschiffe | |
wie die [2][„Aquarius“] tagelang auf dem Meer bleiben, weil niemand sie an | |
Land lassen wollte. Aus Angst, die NGOs könnten versuchen, die Menschen nun | |
nach Malta zu bringen, legte die Regierung des kleinen Inselstaats fast | |
alle dort stationierten Rettungsschiffe monatelang an die Kette. | |
Im zentralen Mittelmeer starb so aufs Jahr gerechnet einer von je 18,6 | |
Flüchtlingen, die die Überfahrt wagten. Im Vorjahr war einer von je 42,5 | |
ertrunken. Nur wenige Schiffe der italienischen Küstenwache durften noch | |
mit Geretteten nach Italien. Seit seinem Amtsantritt ließ Salvini noch | |
10.980 Menschen ins Land. Im Vorjahreszeitraum waren es 59.441. | |
Italiens Behörden drängen Retter heute darauf, Menschen nach Libyen zu | |
bringen. Schon im Vorjahr hatten Italien und die EU begonnen, die dortige | |
Küstenwache aufzubauen. Etwa 29.000 Menschen wurden seit Beginn der | |
Einsätze in 2017 von Libyens Küstenwache wieder eingefangen und zurück nach | |
Libyen gebracht. Dort kommen sie in eines von insgesamt elf | |
Internierungslagern, das die Regierung betreibt. | |
Für Flüchtlinge und Migranten sei Libyen ein Ort „unvorstellbaren Horrors�… | |
schreibt die UN-Unterstützungsmission für Libyen, Unsmil, vier Tage vor | |
Weihnachten 2018 in einem Bericht. Flüchtlinge würden „von einer | |
kriminellen Bande an die nächste verkauft“ und müssten mehrfach Lösegeld | |
zahlen, bevor sie freigelassen oder in Küstengebiete gebracht werden, um | |
auf die Überquerung des Mittelmeers zu warten, heißt es in dem Bericht. | |
Trotzdem ist Libyen heute für die EU der Partner, der das | |
Flüchtlingsproblem lösen soll. Wie sehr, das zeigt auch ein geheimes | |
Dokument des Auswärtigen Amtes vom Juli 2018, das Medienaktivisten des | |
Lower Class Magazines im Dezember zugespielt bekamen. | |
Die Diplomaten beklagen darin, dass es keine funktionierenden | |
Abschiebeabkommen mit Libyen gebe. Dazu seien „ergänzende Verhandlungen mit | |
den Milizen notwendig“. Noch unterstütze die UN-Migrationsagentur IOM keine | |
Abschiebungen nach Libyen. Doch die IOM habe erklärt, diese Haltung bei | |
einer konkreten Anfrage „ad hoc zu überprüfen“. Das Auswärtige Amt sagte | |
auf Anfrage der taz, es kommentiere geheime Papiere nicht. | |
28 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5509988/ | |
[2] /!t5344619/ | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Flüchtlingspolitik | |
Asylpolitik | |
EU | |
Dublin-Staaten | |
Libyen | |
Mission Lifeline | |
Spanien | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abschiebung nach Italien: Wille zur Härte | |
Unterstützer vor Ort und der niedersächsische Innenminister wollen, dass | |
Ben Bakayoko in Gifhorn bleiben kann. Das Bundesamt für Flüchtlinge bleibt | |
hart. | |
Tunesiens Küste und die Toten: Friedhof der Unbekannten | |
Einst liebte Chamseddine Marzoug das Meer, heute fürchtet er es. Denn es | |
spült die Toten an. Mehr als 400 sind vor der Stadt Zarzis beerdigt. | |
Seenotretter Claus-Peter Reisch: Ein Kapitän mit Mission | |
Claus-Peter Reisch ist zum Gesicht der Seenotrettung von Flüchtlingen | |
geworden. Dabei wollte nur einen schönen Urlaub in der Ägäis machen. | |
Seenotrettung im Mittelmeer: NGO-Rettungsschiff darf nach Spanien | |
Madrid sagt zu, die von Italien und Malta abgewiesenen Seenotretter von | |
Proactiva Open Arms aufzunehmen. Sie haben 310 Menschen an Bord. | |
Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet: Spanien will offenbar aufnehmen | |
Am Freitag waren mehr als 300 Flüchtlinge gerettet worden. Nachdem Italien | |
und Malta sie ablehnten, soll sich nun Spanien zur Aufnahme bereit erklärt | |
haben. |