# taz.de -- BürgerInnen zahlen Sanierung: Der gerettete Bahnhof | |
> Die Bahn hatte kein Interesse, also ergriffen rund 600 CuxhavenerInnen | |
> die Initiative: Als Genossenschaft ließen sie das heruntergekommene | |
> Bahnhofsgebäude sanieren. | |
Bild: Sekt und Brötchen: Die Genossenschaftsvorstände bei der Eröffnung der … | |
CUXHAVEN taz | Wer die Augen aufhält, bekommt das Problem aus nächster Nähe | |
vorgeführt: In Cadenberge, zwei Halte vor Cuxhaven, hat ein Makler sein | |
Schild im ziemlich tot wirkenden Bahnhofsgebäude hängen. Der Lokalpresse | |
nach streiten sich derzeit Eigentümer und Stadt, und [1][nun stockt dort | |
die Sanierung]. | |
Kein Einzelfall, sagt Michael Glenz: Die Gebäude seien nicht Teil der | |
[2][Bahnreform] gewesen, damals in den 1990er-Jahren. Während der Unterhalt | |
und die Reinigung von Bahnsteigen über „Stationsgebühren“ bezahlt werden, | |
die anfallen, wenn Züge dort halten, müssen die Gebäude sich über | |
Mieteinnahmen finanzieren – und das klappt in kleinen und mittleren Städten | |
heute immer schlechter. | |
Glenz ist Betreiber einer Werbeagentur in Cuxhaven, Mitglied im Vorstand | |
des dortigen Grünen-Ortsverbands – und in jenem der Genossenschaft, die | |
sich zur Aufgabe gemacht hat, der Stadt am Meer wieder einen richtigen | |
Bahnhof zu verschaffen, einen „[3][Bürgerbahnhof]“: nicht den ersten seiner | |
Art, aber in Niedersachsen – und nach Angaben der InitiatorInnen auch der | |
bislang größte bundesweit. | |
Anfang Dezember wurde das Bahnhofsgebäude wiedereröffnet, nach fünfzehn | |
Monaten Bauarbeiten. Genau genommen ist es Cuxhavens zweites, 1898 erstmals | |
eröffnet; ein erstes stand schon 1890 unweit davon, parallel zu den | |
Gleisen, nicht vor dem Kopf. | |
Knapp fünf Millionen Euro seien für die [4][Sanierung] ausgegeben worden, | |
hieß es nun, davon brachte die Genossenschaft rund 1,2 Millionen auf. Zwar | |
war da, Anfang Dezember, noch nicht alles fertig, fehlte etwa eine Treppe, | |
und nicht alle MieterInnen hatten ihre Fläche schon bezogen. Aber es ließ | |
sich doch erahnen, wie es einmal aussehen würde: „Wir haben Licht, Weite, | |
Kunst“, so Gabriele Grubel, ein weiteres von insgesamt drei | |
Vorstandsmitgliedern. Aus einem „Schandfleck“, einem zum Abriss | |
freigegebenen Gebäude sei ein „Bahnhof der Begegnung“ geworden. | |
Darin sei „jeder Winkel genutzt“, so Grubel, neben 600 Quadratmetern | |
öffentlichem Raum sind demnach rund 1.400 Quadratmeter vermietet: an | |
Gastronomie und Buchhandel, Verkehrsbetriebe und eine Autovermietung, | |
Tourist-Information, eine Werbeagentur – die von Michael Glenz – und eine | |
Jugendhilfeeinrichtung. Auch das wurde klar bei dem kleinen Empfang bei | |
belegten Brötchen, Saft und Sekt: Die Mieteinnahmen sind dringend | |
eingeplant zur Refinanzierung. „Helfen Sie mit, dass dies ein Ort wird“, | |
bat Grubel, „an dem man sich wohl fühlt“. | |
„Wir sind als Bürger eingesprungen“, sagte Glenz: Aus Sicht der | |
GenossInnen, etwas über 600 an der Zahl, wäre es eigentlich eine | |
öffentliche Aufgabe, für einen Bahnhof zu sorgen. Die Bahn sah es anders, | |
wollte das schon 2008 für überflüssig erklärte Gebäude 2013 einem Investor | |
überlassen. | |
Im selben Jahr gründete sich dann die Genossenschaft, kaufte schließlich | |
2016 das Objekt von der Stadt. Geht es nach den GenossInnen, darf das | |
Modell gerne Schule machen: Auch und gerade in Orten, an denen, so Glenz | |
„die Gegebenheiten nicht so positiv“ sind, also die Lage des Bahnhofs etwa | |
weniger günstig, und die Zusammenarbeit mit der Kommune weniger | |
reibungslos. | |
## Mehr als eine Million Ein- und Ausstiege | |
Auch wenn es derzeit nur noch zwei Verbindungen gibt, eine mit Bremerhaven, | |
eine mit Hamburg: Auf mehr als eine Million Ein- und Ausstiege jährlich | |
wird das Aufkommen am Bahnhof veranschlagt. Diesen Menschen versprach | |
Cuxhavens Baudezernent Martin Adamski jetzt ein freundlicheres Willkommen – | |
auf mittlere Sicht wenigstens: Bezuschusst auch vom Bund, werde die Stadt | |
Anfang kommenden Jahres auch das Umfeld des einstigen „Schandflecks“ | |
aufhübschen: Nicht länger benötigte Betriebsgebäude werden abgerissen, | |
danach auch der benachbarte Busbahnhof saniert. | |
Ende Januar will die Genossenschaft den Bürgerbahnhof noch mal richtig | |
feiern, dann soll sogar die Gastronomie so weit sein. Am 1. Dezember war | |
der Bahnhof Schauplatz noch einer anderen Premiere geworden: Mit einem Fest | |
und einer Jungfern-Sonderfahrt hatte der neue Betreiber der Verbindung nach | |
Hamburg, die Bahntochter „Start“ (siehe Kasten), den Betrieb eingeläutet �… | |
auch eine MieterIn im renovierten Backsteingebäude. | |
Kaum eingeweiht, ist die neue alte direkte Verbindung nach Hamburg übrigens | |
schon wieder dahin: Zumindest zwischen den Jahren fährt [5][wegen | |
dringender Instandsetzungen] auf Hamburger Gebiet zwischen dem dortigen | |
Hauptbahnhof und der Station Harburg nur die S-Bahn. Wer von der Alster an | |
die Nordsee will oder in die entgegengesetzte Richtung, muss also doch erst | |
mal wieder: umsteigen. | |
28 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tageblatt.de/lokales/drochtersen_artikel,-Stillstand-beim-Bahnh… | |
[2] /!5051701/ | |
[3] /!593057/ | |
[4] https://www.bahnstadt.de/details/cuxhaven/ | |
[5] https://www.deutschebahn.com/pr-hamburg-de/aktuell/Bauarbeiten/Neue-Schiene… | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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