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# taz.de -- 20 Jahre nach der Reform: Ist die Bahn besser als früher?
> Schnell, bequem und pünktlich? Oder teuer, vernachlässigt und verspätet?
> Eine Bilanz zu 20 Jahren Bahnreform.
Bild: So vielversprechend und dynamisch wie dieser ICE ist die Bahn leider nich…
NEIN:
Mehr als 7.000 Kilometer abgebaute Gleise, rund 1.500 geschlossene
Bahnhöfe: Wer sehen will, wie grandios die Bahnreform gescheitert ist, muss
nur das unverzichtbare, aber vernachlässigte Schienennetz anschauen. Allein
in diesem Jahrzehnt hat das offiziell privatisierte, aber zu 100 Prozent in
Staatsbesitz befindliche Unternehmen DB 110 Bahnhöfe vom Fernverkehr
abgeklemmt.
In Städten wie Potsdam, Krefeld oder Cottbus hält längst kein
Fernverkehrszug mehr. Jede zweite Weiche hat die DB Netz in den vergangenen
20 Jahren eingespart – das Überholen langsamer Züge wird unmöglich,
Verspätungen sind programmiert.
Dieser Kahlschlag rächt sich. Im Kerngeschäft, dem nichtsubventionierten
Fernverkehr, sind die Fahrgastzahlen selbst nach offiziellen Zahlen der DB
rückläufig. Wurden 1994 noch 139 Millionen Fahrten gezählt, waren es 2012
nur noch 131 Millionen. Verwunderlich ist das nicht – schließlich ist die
DB Deutschlands ungekrönte Königin der Preiserhöhung. Seit Anfang 2003
betrug die Inflation 17,3 Prozent. Fernverkehrstickets wurden dagegen um
satte 35 Prozent teurer.
Doch auch der hochsubventionierte Nahverkehr steht nur auf den ersten Blick
gut da. Zwar zählten die Bahn-Tochter DB Regio und ihre privaten
Konkurrenten im vergangenen Jahr 2.439 Millionen Pendlerfahrten. 1994 waren
es nur 1.369 Millionen. Der Bahnreform ist die Steigerung um 78 Prozent
aber nicht zu verdanken: 7 Milliarden Euro jährlich pumpen die Länder in
den Nahverkehr. Trotzdem kommt die Schiene nur auf einen Marktanteil von
unter 10 Prozent.
## Erstes Ziel verfehlt
Ähnlich sieht es beim Güterverkehr aus. Zwar stieg die Transportleistung
der Schiene seit 1994 um rund 50 Prozent. Allerdings werden in Zeiten der
Globalisierung auch insgesamt immer mehr Güter transportiert. Der
Marktanteil der Bahn und ihrer 55 privaten Konkurrenten stagniert deshalb.
1994 lag er bei 16,8 Prozent – 2012 waren es 17,2 Prozent.
Damit hat die Politik das erste Ziel der Bahnreform – die Verlagerung von
mehr Verkehr auf die Schiene – grandios verfehlt. Die Schiene sollte, der
neoliberalen Ideologie der 90er folgend, durch Privatisierung, Konkurrenz &
Co außerdem effizienter werden und die Staatskasse weniger belasten.
Doch das Primat der Wirtschaftlichkeit führt zu Wahnsinn mit Methode: Im
Fernverkehr werden Verbindungen, die sich nicht rechnen, stillgelegt. In
Berlin sorgten mangelnde Investitionen jahrelang für Chaos bei der S-Bahn.
Und erst im Sommer fuhren Fernzüge den Mainzer Hauptbahnhof wochenlang
nicht an, weil Personal in einem Stellwerk fehlte – arbeiteten 1994 noch
320.000 Menschen im reinen Schienenbereich der DB, waren es Ende 2012 nur
noch 190.000. Stattdessen gibt der Staatsbetrieb Deutsche Bahn den Global
Player.
2009 wurde die polnische Güterbahn PCC gekauft, in diesem Jahr die
Osteuropa-Tochter des Konkurrenten Veolia. Selbst bei der Planung der
Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Mekka und Medina mischt die Bahn mit.
Doch der Traum vom weltgrößten Mobilitätskonzern ist teuer: Rund 7,5
Milliarden Euro hat die Bahn bisher kreditfinanziert in Bereiche wie den
Logistikriesen Schenker – der gern per Lkw ausliefert – und ihre
Engagements im Ausland gesteckt. Und die scheinen die Zinsen längst nicht
einzuspielen: Glaubt man den Zahlen des Bündnisses „Bahn für Alle“, hat d…
DB AG in den 18 Jahren zwischen 1994 und 2011 insgesamt 16,6 Milliarden
Euro Schulden angehäuft. Die als Beamtenhaufen beschimpfte Bundesbahn hat
dafür 41 Jahre gebraucht – von 1949 bis 1990. (von Andreas Wyputta)
***
JA:
Vor 25 Jahren war die Fahrt von Berlin nach Thüringen mit der
DDR-Reichsbahn eine Tagesreise, heute braucht ein Intercity-Express der
Deutschen Bahn von Berlin nach Erfurt gut zweieinhalb Stunden. Auch im
Westen Deutschlands war eine Bahnfahrt in den 1980er Jahren eine
langwierige Angelegenheit.
Nicht nur zeitlich, auch in puncto Reisekomfort braucht die DB den
historischen Vergleich nicht scheuen: Die ICEs sind zumeist – wenn nicht
gerade die Klimaanlage ausfällt – gut temperiert, bequem, geräumig, und die
Schaffner bemühen sich um Höflichkeit.
Das Gegenteil war zu DDR-Zeiten Standard: Die D-Züge waren zumeist
überfüllt, oft kalt und trotz des zahlreichen Personals vermüllt. Auf den
Toiletten gab es nie Klopapier, sie waren verdreckt und stanken; die
Schaffner waren unfreundlich. Dafür war die Bockwurst im Speisewagen
billig, sofern man nach langem Warten noch eine erstehen konnte. Diese
Zeiten sind vorbei. Und kaum jemand trauert ihnen nach.
Nach der Wiedervereinigung mussten zwei unterschiedliche Bahnsysteme
zusammengeführt werden, wobei wenigstens die Spurbreite die gleiche war.
Nach westlichen Maßstäben war die Reichsbahn gnadenlos überbesetzt; hier
arbeiteten mehr Menschen als bei der Bundesbahn, obwohl das Bahnnetz nur
halb so groß war. Auch die Bundesbahn, eine Behörde, hatte ihre Probleme,
obwohl sie in den 1980er Jahren ihre Einnahmen steigern konnte. Sie
erwirtschaftete dennoch riesige Defizite, Schulden drückten, und Autos und
Flugzeug machten ihr zunehmend Konkurrenz.
## Schritt in die richtige Richtung
Mit der Bahnreform zum 1. Januar 1994 wollte die Politik mehrere Ziele
erreichen: Integration der Reichsbahn, höhere Effizienz der Bahn, mehr
Verkehr auf die Schiene, mehr Wettbewerb. Auch wenn nicht alle Ziele
erreicht wurden, war die Bahnreform ein Schritt in die richtige Richtung.
Denn dass eine Behördenbahn die Herausforderungen – beispielsweise die
Konkurrenz durch Billigfluggesellschaften – besser gemeistert hätte, darf
getrost bezweifelt werden.
Nach anfänglichen Verlusten hat die Bahn im Fernverkehr beispielsweise ihre
Verkehrsleistung von 31,6 Millionen Personenkilometern im Jahr 2003 auf
37,6 Millionen im vergangenen Jahr gesteigert, auch ein Ergebnis der
vielfach kritisierten Rennstreckenstrategie, nach der die Metropolen und
Ballungsräume mit schnellen ICE-Zügen verbunden werden.
Flotte Verbindungen von Innenstadt zu Innenstadt machen auf vielen
Destinationen das Flugzeug überflüssig, und die Menschen nehmen das Angebot
an. Wenn künftig Verbindungen so getaktet werden, dass Anschlüsse sicher
klappen, würde das die Attraktivität weiter steigern.
Einen Großteil ihres Geschäftes macht die Bahn aber im Regionalverkehr.
Seit der Bahnreform bekommen die Bundesländer Geld vom Bund dafür,
Zugverkehre zu bestellen. Zwar sitzt die DB AG bei Ausschreibungen oft am
längeren Hebel; dennoch können die Bundesländer klare Vorgaben machen, zum
Beispiel bei der Ausstattung der Züge oder der Pünktlichkeit.
Beispiel Globalisierung. Immer wieder schlagen Kritiker vor, das
Unternehmen solle sich auf sein Kerngeschäft im Inland beschränken. So
wichtig es ist, im Inland einen zuverlässigen Verkehr zu gewährleisten,
würde sich die Bahn damit ihrer Chancen berauben.
Auch andere europäische Staatsbahnen drängen mit ihren Tochterunternehmen
auf den deutschen Markt – warum sollte die DB nicht das Gleiche tun und im
Ausland die Marktanteile gewinnen, die sie hier verliert? Auch im
Güterverkehr ist Internationalisierung nicht verkehrt. Der Warenverkehr
wächst – für Deutschland ist es gut, wenn ein bundeseigener Konzern sich
dabei ein ordentliches Stück vom Kuchen abschneidet. (von Richard Rother)
2 Jan 2014
## AUTOREN
Andreas Wyputta
Richard Rother
## TAGS
Bahn
Deutsche Bahn
Verkehr
Bahnreform
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