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# taz.de -- Ausstellung von Migrantinnen in Berlin: „Eine privilegierte Migra…
> Das Kollektiv „Migrantas“ zeigt Zeichnungen und Piktogramme, die
> Lebensgeschichten erzählen. Sie spiegeln die Fragen der Zeit
Bild: Ein herzliches Willkommen in Europa sieht anders aus, sagt das Kollektiv …
taz: Frau Young, Frau Di Como und Frau la Vigna, am Sonntag eröffnet Ihre
Ausstellung „Ich-Erzählungen – ein Archivlabor der Migration“. Was ist d…
Idee dahinter?
Francesca la Vigna: Wir wollen die Geschichten der Migration in Berlin aus
Sicht der Frauen erzählen, die wir hier seit 2005 getroffen haben.
Marula Di Como: Wir fragen, wie man sich als Migrantin fühlt: Was gibt es
für Herausforderungen, Gefühle, Gedanken, negative oder positive Dinge? Wir
laden die Frauen ein, all das zu zeichnen, meist im Rahmen von Workshops in
Migrantenorganisationen. Wir gehen also zu den Orten, an denen sich die
Frauen ohnehin regelmäßig treffen.
Florencia Young: Wir fragen aber auch: Was möchtest du der Gesellschaft, in
der du nun lebst, mitteilen?
Francesca la Vigna: Das Besondere an der Ausstellung ist auch, dass wir
einer Chronologie von 2005 bis heute folgen. In dieser Zeit sind in den
öffentlichen Diskursen, in der Politik und der Gesellschaft verschiedene
Themen aufgetaucht. [1][Das sieht man in den Zeichnungen und Piktogrammen].
Wie haben sich die Themen der Frauen, mit denen Sie arbeiten, im Laufe der
Zeit verändert?
Florencia Young: Die Erfahrungen von Migrantinnen sind schon immer sehr
individuell, im Positiven wie im Negativen.
Francesca la Vigna: Durch die Zeichnungen wird aber nicht nur eine
persönliche Geschichte erzählt, sondern auch der Zeitgeist einer bestimmten
Phase. Es gab die Zeit der Gastarbeiter, Zeiten, in denen viele Flüchtlinge
kamen, es gab die Europakrise, seit den letzten Jahren taucht die AfD als
Thema auf. All das spiegelt sich zusammen mit persönlichen Erfahren in den
Zeichnungen wider. Man sieht in den Zeichnungen also die Spuren der Zeit.
Florencia Young: Aber das ist offen für die Betrachter. Wir geben keine
Antwort auf diese Fragen der Zeit. Wir zeigen jetzt mehr als 1.000
Zeichnungen, 100 Piktogramme und viele Plakate und Aktionen aus
verschiedenen Jahren. Es gibt auch partizipative Momente in der
Ausstellung, wo Betrachter sich selber äußern können und sagen, was
Migration für sie ist.
Francesca la Vigna: Wir sind sozusagen die Übersetzerinnen von dem, was uns
die Frauen sagen.
Wieso das? Die Frauen zeichnen doch selber.
Francesca la Vigna: Ja, die Zeichnungen. Aber die Piktogramme sind unsere
Übersetzungen von den Zeichnungen. Wenn eine Workshop-Reihe zu Ende ist,
nehmen wir alle Zeichnungen, das sind dann 200 oder 300, und analysieren
sie. Manche sprechen über die gleichen Themen, manche werden eins zu eins
in ein Piktogramm verwandelt, manchmal nehmen wir verschiedene Elemente
verschiedener Zeichnungen und machen daraus ein Piktogramm. Hinter jedem
Piktogramm stecken die Stimmen von vielen Migrantinnen und Migranten. In
vielen Projekten haben wir nicht nur mit Frauen gearbeitet.
Haben Sie ein Beispiel?
Francesca la Vigna: Zum Beispiel das Gefühl, gespalten zu sein. Dass man
teils zum Heimatland gehört, teils aber auch zum neuen Land. Das ist ein
Thema, das wir in zig Zeichnungen gefunden haben, nicht nur in Berlin, auch
in anderen Städten und Ländern. Darum haben wir dazu ein Piktogramm
gemacht.
Zeichnen ist ja eine internationale Sprache. Gibt es dennoch Zeichnungen,
die Sie nicht verstehen?
Marula Di Como: Die Frauen erklären hinterher, was sie gezeichnet haben. In
der Ausstellung wird es darum auch Zitate und Audios von den Frauen geben.
Sie kommen ja zum Großteil aus Argentinien. Kommt daher auch die Idee des
Projekts?
Florencia Young: Ja, aber es gibt auch Mitglieder aus anderen Ländern, auch
aus EU-Ländern. Wenn wir als Migrantinnen mit EU-Pass und den
entsprechenden Privilegien diese Piktogramme machen – was würden
Migrantinnen zeichnen, die ganz anders hier leben? Was eine Frau ohne
Papiere, was eine Geflüchtete? Oder eine Frau aus einem anderen Kontinent?
Deswegen haben wir mit den Workshops angefangen.
Francesca la Vigna: Ich komme aus Italien und bin durch einen Workshop zu
Migrantas gekommen, das war 2013. Die Idee, dass man über sich selbst reden
kann und dadurch von Gemeinsamkeiten erfährt, die man mit anderen Menschen
teilt, zum Beispiel dieses Gefühl von Sehnsucht, das viele Migrantinnen
äußern, hat mich total berührt. Deshalb wollte ich mit dem Projekt
weitermachen.
Aber gibt es nicht auch große Unterschiede, je nachdem, um was für eine Art
der Migration es sich handelt – Flucht aus dem Krieg, EU-Binnenwanderung
oder sonstige?
Francesca la Vigna: Ja, natürlich. Ich fühle mich wie eine privilegierte
Migrantin. Ich bin gar nicht konfrontiert mit dem Problem der
Aufenthaltserlaubnis, der Angst vor Abschiebung und so weiter. Andere
Migrantinnen erfahren eine Alltagsdiskriminierung, weil sie aus dem
„falschen“ Land kommen, das ist krass. Man hat wirklich das Gefühl, das wir
in einer „Festung Europa“ leben.
1 Dec 2018
## LINKS
[1] http://www.migrantas.org/brochure_migrantas_de.htm
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Migration
Frauen
Zeichnung
Ausstellung
Albanien
Abschiebung
Schwerpunkt Rassismus
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